Prozess

Listerien-Todesfälle: 13 Monate Haft für früheren Chef von Käserei Gloggnitz

Die Käserei in Niederösterreich war 2022 im Zusammenhang mit den Listerienfällen bekannt geworden.
Die Käserei in Niederösterreich war 2022 im Zusammenhang mit den Listerienfällen bekannt geworden.APA/Einsatzdoku/Patrik Lechner
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Fünf Menschen starben aufgrund der kontaminierten Produkte, zwei erlitten dauerhafte Hirnschädigungen. Der Angeklagte soll Hygienebestimmungen nicht eingehalten haben. Er bestreitet das.

Der ehemalige Chef der inzwischen geschlossenen Käserei Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) ist am Donnerstag in Wiener Neustadt zu 13 Monaten Haft verurteilt worden. In dem Prozess ging es um Listerien-Todesfälle und -Erkrankungen. Der Schuldspruch ist nicht rechtskräftig. Angelastet worden waren dem 39-Jährigen grob fahrlässige Tötung, grob fahrlässige schwere Körperverletzung. Der Angeklagte hat die Vorwürfe stets bestritten.

Angelastet worden war dem Angeklagten, dass er Hygienebestimmungen missachtet und vom Lebensmittelinspektor aufgetragene Mängelbehebungen auch aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt haben soll. Bereits im April 2018 waren Listerien in dem Betrieb entdeckt worden, wovon der Beschuldigte aber erst Jahre später erfahren haben will.

Frau hatte Frühgeburt

Im September 2022 wurde dann laut Staatsanwaltschaft ein Bakterienstamm unter anderem im Reiferaum des Betriebs nachgewiesen, die Produktion wurde per Bescheid untersagt. Das Unternehmen rief Kajmak, Trinkjoghurt und Frischkäse zurück. Zuvor hatten routinemäßig durchgeführte Clusteranalysen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) ergeben, dass mehrere Erkrankungen in Wien auf einen identen Listerienstamm zurückzuführen sind.

Fünf Menschen starben nach dem Verzehr kontaminierter Produkte. Zwei Personen trugen eine dauerhafte Hirnschädigung davon, drei weitere eine chronische Nierenschwäche, Lungenentzündungen oder ausgeprägte Schwächezustände. Eine Frau erlitt wegen einer Listeriose eine Frühgeburt. Ihr Baby kam mit einer Sepsis auf die Welt und musste künstlich beatmet werden. Die Abstammung der bei den Patienten gefundenen Listerien von der Käserei Gloggnitz erachtete ein Sachverständiger für Infektiologie am Donnerstag als eindeutig. Die vorliegenden Fälle würden sogar nur „die Spitze des Eisberges“ abbilden, sagte der Gutachter, der von einer Vielzahl an weiteren Infektionen ausgeht. Allgemein kann eine Listerienerkrankung wohl als durchaus heimtückisch angesehen werden. Laut dem Experten beträgt die Inkubationszeit bis zu 70 Tage.

Frau attackiert

Zu den bisher bekannten Vorwürfen hinzugekommen sind am Donnerstag jene der Untreue, der vollendeten und versuchten Körperverletzung sowie der Nötigung. Der 39-Jährige hatte laut Staatsanwältin mehr als 6600 Euro aus der Konkurs-Masse entzogen und bei einem Vorfall im März 2023 im Firmenbüro seine Frau sowie einen ehemaligen Mitarbeiter attackiert. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig, wurde aber in Bezug auf die Körperverletzungsdelikte von einer Videoaufnahme belastet.

Die neu vorgebrachten Vorwürfe wurden schließlich - ebenso wie zwei vom ursprünglichen Strafantrag umfasste Listerien-Infektionen - ausgeschieden. Thematisiert werden diese Punkte am 14. März, mehrere Zeugenbefragungen sind vorgesehen.
Der nicht anwaltlich vertretene 39-Jährige hatte die Anklagepunkte zwar stets bestritten, in seinem Schlussstatement zeigte er sich aber doch zerknirscht. „Das Tragischste am Verfahren sind die Menschen, die nicht mehr unter uns leben, unabhängig von meinem Verschulden.“ Es sei „das Ärgste, was passieren hat können“ und tue ihm „außerordentlich leid“, gab der Mann laut Dolmetscher zu Protokoll.

„Leichtfertigkeit, Nichtwissen und Schlampigkeit“

„Dass die Listerien aus ihrem Unternehmen stammen, war vollkommen klar“, war sich die Einzelrichterin in ihrer Urteilsbegründung sicher. Sie ortete beim Beschuldigten „eine gewisse Leichtfertigkeit“ gepaart mit „einer Nichtinformation“ sowie „einer gewissen Schlampigkeit“. Mildernd habe sich die bisherige Unbescholtenheit ausgewirkt. Als erschwerend gewertet wurden der lange Tatzeitraum und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. An drei der Opfer muss der 39-Jährige in Summe 20.000 Euro bezahlen. Er gab keine Erklärung ab, ebenso verhielt sich die Staatsanwältin.

Die 2015 im Firmenbuch eingetragene Käserei, die bis zu fünf Mitarbeiter beschäftigt hatte, meldete Ende 2022 zum zweiten Mal Insolvenz an. Ein Konkursverfahren war die Folge. Mit Beschluss vom 12. April 2023 wurde die Schließung des Betriebs angeordnet. (APA)

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