Interview

Josef Hader: „Das Land war mir immer ein bisschen zu grob“

„Ich habe schreckliche Angst vor Misserfolg, aber der Erfolg gibt mir nichts“, sagt Josef Hader.
„Ich habe schreckliche Angst vor Misserfolg, aber der Erfolg gibt mir nichts“, sagt Josef Hader.Clemens Fabry
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In seinem neuen Film „Andrea lässt sich scheiden“ schildert Josef Hader ein Provinzleben, dem er selbst entflohen ist. Ein Gespräch über das, was am Land aus ihm hätte werden können, über die Überbleibsel seiner katholischen Erziehung, blöde Zufälle und das Einzige, was er an sich selbst „wirklich cool“ findet.

Es ist ein kleiner Moment mit großen Auswirkungen: In seinem zweiten Film „Andrea lässt sich scheiden“ erzählt Josef Hader von einer Polizistin aus dem Weinviertel (gespielt von Birgit Minichmayr), die aus Versehen ihren Mann überfährt, und von einem einsamen Religionslehrer (gespielt von Hader selbst), der bereitwillig die Schuld auf sich nimmt. Es ist ein tragikomischer Blick aufs Landleben und den Ausbruch daraus, auf Schuldgefühle, Schicksal und zwei Außenseiter.

Bevor der Film bei der Berlinale Premiere feiert – und vor dem Kinostart am kommenden Freitag – traf die „Presse am Sonntag“ den Kabarettisten und Filmemacher zum Gespräch.

„Andrea lässt sich scheiden“ spielt in der niederösterreichischen Provinz. Man hört am Anfang aber die oberösterreichische Landeshymne. Ist das ein Hinweis auf ihre Kindheit im Grenzgebiet?

Josef Hader: Nein. Ich habe ein Lied über Heimat gesucht, bei dem die Melodie besonders schön ist und der Text besonders arg. Da habe ich nichts Besseres gefunden als die oberösterreichische Landeshymne. Das sind vier Zeilen, die sofort einen ganzen Kosmos aufmachen, wenn da gesungen wird, dass man die Heimat so lieben soll wie ein Hund seinen Herrn.

Das ist ja eigentlich eine eher toxische Liebe, die ein Hund zu seinem Herrn verspürt.

Genau, es erzählt vom Untertanenstaat. Und davon, dass die Heimat etwas ist, dem man verpflichtet ist. Es gibt auch noch die schöne Zeile, die nicht im Film vorkommt, in der letzten Strophe: „Dahoam is dahoam. Wennst net fort muasst, dann bleib, denn die Hoamat ist ehnta – das heißt so viel wie eher – dei zweit Mutterleib.“ Wenn du nicht wegmusst, dann bleib – das könnte auch heißen: Fahr nicht in die Stadt, da kommst du nur auf blöde Gedanken. Schön brav bei der Scholle bleiben.

Sie sind im kleinen Nöchling aufgewachsen und in Melk ins Stiftsinternat gegangen. Fragen Sie sich manchmal, was das Landleben aus Ihnen gemacht hätte, wenn Sie dort geblieben wären?

Ja. Ich wäre Lehrer für Geschichte geworden.

Nicht Religionslehrer, so wie der Franz, den Sie in Ihrem Film spielen?

Dafür war ich zu ungläubig. Ich habe als Kind ein bisschen geglaubt, ab der Pubertät gar nicht mehr. Ich wäre vielleicht, so wie der Franz, jemand gewesen, der nach ein paar schlechten Lebensentscheidungen als trockener oder aktiver Alkoholiker in einem einsamen Haus landet. Es ist natürlich fein, wenn man beim Schreiben kurz ein anderes Leben ausprobieren kann. Und der Franz ist mir nicht so unähnlich: diese Dünnhäutigkeit, und dass mir das Land immer ein bisschen zu grob war.

»Das Stadtleben macht ja auch schreckliche Dinge aus uns, aus uns allen. Es wird jeder deformiert von seiner Umgebung.«

In Ihren Kabarettprogrammen haben Sie sich vor allem an den liberalen Stadtmenschen abgearbeitet.

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