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Die Lohnschere: Mythos und Wahrheit

imago images/Christian Spicker
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Am Equal Pay Day wird mit abenteuerlichen Statistiken hantiert, die beweisen sollen, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und ausgebeutet werden. Mit der Realität hat das wenig zu tun.

             

Jeannine Hierländer
stv. Ressortleiterin Economist

Jeannine Hierländer
 

Guten Morgen!

Bald ist Frauentag. Traditionell wird da über das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen diskutiert. Der Vorbote des Frauentages ist der „Equal Pay Day”: Der wurde heuer am 14. Februar begangen, also gestern. Er markiert den Tag, bis zu dem Frauen vermeintlich „gratis” arbeiten. 

Es gibt noch einen zweiten Equal Pay Day im Herbst, und falls Sie das verwirrend finden, sind wir schon zwei.

Frauen verdienen – im Durchschnitt – weniger als Männer, das ist eine Tatsache. Aber wie groß dieser Lohnunterschied ist, und vor allem, woher er rührt, darüber lässt sich streiten. 

Die Statistik Austria wies zuletzt einen Lohnunterschied von 18,8 Prozent aus. Sie vergleicht die Bruttostundenverdienste von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft. Das Wifo kam in einer Analyse voriges Jahr auf einen deutlich geringeren Lohnunterschied von 11,3 Prozent. Das ist näher an der Realität, weil der öffentliche Dienst einbezogen wurde. Dort gibt es fixe Gehaltsschemata und der Lohnunterschied ist entsprechend kleiner. Laut dem Netzwerk Business and Professional Women verdienen Beamtinnen sogar um 5,8 Prozent mehr als Beamte. 

Es gibt bekannte Gründe, die den Lohnunterschied zum großen Teil erklären können. Frauen wählen oft schlechter bezahlte Branchen und Berufe, sind seltener in Führungspositionen, haben im Durchschnitt weniger Berufserfahrung. Vor allem aber arbeiten sie viel öfter in Teilzeit (50,7 der Frauen, 12,6 Prozent der Männer), vorrangig, weil sie sich mehr um Kinder und Haushalt kümmern, aber nicht nur.

Manche, wie etwa die Initiative für Einkommensgerechtigkeit, behelfen sich damit, nur Vollzeitbeschäftigte zu vergleichen, und kommen auf 29 Prozent weniger Lohn für angestellte Frauen. Auch das ist irreführend, weil viele vollzeitbeschäftigte Frauen davor lang in Teilzeit gearbeitet haben. Und der Faktor Beruf, Branche, Erfahrung, etc. bestehen bleibt. Der Teilzeit-Effekt ist also nur vermeintlich herausgerechnet. 

Ökonomen unterscheiden daher zwischen der unbereinigten und der bereinigten Lohnschere: Erstere misst den Verdienst, zum Beispiel brutto pro Stunde, aller erwerbstätigen Männer und Frauen und sagt daher relativ wenig aus. Denn hier wird, plakativ gesagt, der Verdienst eines Abteilungsleiters im Industriebetrieb dem einer einfachen Handelsangestellten gegenübergestellt. 

Rechnet man solche Merkmale heraus, erhält man den bereinigten Lohnunterschied – das Wifo kam zuletzt auf 6,4 Prozent. 

Woraus sich diese 6,4 Prozent ergeben, darüber kann man nur spekulieren: Verhaltensökonomen führen ins Feld, dass sich Frauen in Lohnverhandlungen zurückhaltender geben und andere schlicht bereit sind, für weniger Geld zu arbeiten. Oder sie wählen a priori Berufe mit weniger Stress und mit Arbeitszeiten, die mit einer Familie kompatibel sind.  

Kurzum: Die Behauptung, dass der Lohnunterschied allein darauf zurückzuführen ist, dass Frauen wegen ihres Frauseins zu wenig bezahlt bekommen – weniger Lohn für dieselbe Arbeit –, ist schlichtweg falsch. Wobei natürlich nicht auszuschließen ist, dass diese Art von Diskriminierung stattfindet. Es sind nur eben zwei Paar Schuhe: Auf der einen Seite die – verbotene – ungleiche Bezahlung von gleicher Arbeit. Und auf der anderen Seite ein Lohnunterschied, der sich aus Realitäten ergibt, die sich nur schwer verbieten lassen.

Zumal es in Österreich schon seit 1979 ein gesetzliches Diskriminierungsverbot bei der Entlohnung gibt: Ein Arbeitgeber darf eine Mitarbeiterin für dieselbe Tätigkeit nicht schlechter entlohnen als einen Mitarbeiter. Auch nicht mit der Erklärung, er habe eben besser verhandelt. Man kann das beim Arbeits- und Sozialgericht einklagen oder sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden. 

Aber klar ist auch: Die 6,4 Prozent sind deutlich weniger als die 18,8 Prozent, die die Statistik Austria als Lohnunterschied ausweist.

Und vor allem um Welten weniger als die 35 Prozent, mit denen das arbeitnehmernahe Momentum-Institut die „wahre” Lohnschere beziffert, indem es ganz einfach die Bruttojahresbezüge von Männern und Frauen vergleicht. Hier wird mit abenteuerlichen Statistiken hantiert, die beweisen sollen, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt durchwegs ausgebeutet und diskriminiert werden. Doch diese Erzählung hält der Realität nicht stand.

Vom „Stillstand” (©Momentum-Institut) beim Gender Pay Gap kann jedenfalls keine Rede sein. Egal, welche Statistik man heranzieht, der Lohnunterschied geht sukzessive zurück. Was nur logisch ist: Frauen sind besser ausgebildet, gehen kürzer in Karenz, bekommen später Kinder und haben heute entsprechend mehr Berufserfahrung. 

Um den Frauentag am 8. März wird es dazu haufenweise neue Statistiken geben und es ist anzunehmen, dass das Lohngefälle weiter abnimmt. Ich halte Sie auf dem Laufenden. 

Herzlich, Ihre

Jeannine Hierländer

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