Rekapitulation

Welche Schlüsse sich aus der Krise ziehen lassen

Neben medizinischen Erkenntnissen hat die Coronapandemie auch Empfehlungen für künftige Krisenkommunikation und Politikberatung gebracht. Forschende ziehen Bilanz.

Gefühlsmäßig liegen die Ereignisse für ihn „schon Jahrzehnte“ zurück, bekannte Heinz Faßmann. Anlässlich eines wissenschaftlichen Symposiums reflektierte der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern Anfang der Woche die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Fallstudien zur Coronakrise. Faßmann hatte damals als Bildungsminister die Schulschließungen zu verantworten gehabt. Als direkten positiven Effekt der Krise registrierte er, dass es ohne Covid nicht so schnell zu kostenfreien Tablets und Laptops für Schülerinnen und Schüler gekommen wäre: „Covid war auch ein Treiber für Innovation.“

Zu regierungsnah berichtet

Nachdem einige Ergebnisse der Fallstudien bereits Ende Dezember mit der Politik präsentiert worden waren, widmeten sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beim Symposium gemeinsam einer Zusammenschau aller Erkenntnisse. Neben Impfpflicht und Schulschließungen galt die Aufmerksamkeit des Projekts u. a. der gesellschaftlichen Polarisierung. „Die gesunkene Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung, schwindendes Vertrauen in Politik und Gesundheitswesen und ein als erodierend wahrgenommener gesellschaftlicher Zusammenhalt hatten letztlich zu einem Rückgang der Zufriedenheit mit der Demokratie geführt“, heißt es dazu in der Studie. Mitverantwortlich dafür sei eine zu regierungsnahe Berichterstattung gewesen.

Anfangs sei das Vertrauen zu Regierung und traditionellen Medien hoch gewesen. Als die Stimmung gegenüber den Maßnahmen kippte, sei die Gelegenheit verpasst worden, abweichende Positionen angemessen zu berücksichtigen, erklärte der Kommunikationswissenschaftler Josef Seethaler. Es habe sich eine „gruppenbezogene Polarisierung“ herausgebildet, „in der sich zwei Gruppen in gegenseitiger Abneigung voneinander abgrenzten“. Resultat war eine teilweise sehr selektive Mediennutzung bis hin zur Nachrichtenvermeidung. Teile der Mediennutzer zogen sich auf durch Verschwörungstheorien beeinflusste Kanäle und Plattformen zurück. Die Vergleichende Medienforscherin Gabriele Melischek empfahl, generell die Qualität ins Zentrum der Medienförderung zu stellen und so für zukünftige Krisen Transparenz in allen Phasen des medialen Produktionsprozesses zu ermöglichen. Vertrauen könne auch durch mehr Lösungsorientierung und Dialogbereitschaft erhalten werden.

Begleitende Befragungen

Für künftige Politikberatung aus der Wissenschaft wurden Pluralität in den Fragestellungen, ein Beratungstraining sowie ausreichende Ressourcen gefordert. Die „Annahme mangelnder Unabhängigkeit der Wissenschaft“ sei die „zentrale Triebfeder“ für Wissenschaftsskepsis gewesen, so Julia Partheymüller vom Institut für Staatswissenschaft der Uni Wien. Sie schlägt vor, gleich zu Beginn der Krise Befragungen zu starten. Das könne die wachsende Diskrepanz zwischen politischem Handeln und sich wandelnden Einstellungen der Bevölkerung mildern. Schließlich habe es anfangs auch in FPÖ-nahen Kreisen hohe Zustimmung zu strengen Maßnahmen gegeben.

Lexikon

Das Projekt „Nach Corona. Reflexionen für zukünftige Krisen“ war in zwei Teile gegliedert und kostete knapp eine Million Euro. In fünf sozialwissenschaftlichen Studien wurden die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesellschaft untersucht.

Geleitet wurde das Projekt vom Soziologen Alexander Bogner (ÖAW). Es fand auch ein österreichweiter Dialogprozess mit 319 Personen statt. Dieser wurde wissenschaftlich begleitet, und darauf aufbauend formulierte das Forschungsteam konkrete Empfehlungen.

Die Ergebnisse sind auf der Online-Plattform austriaca.at kostenlos zugänglich.

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