Junge Forschung

Wie musikalisch sind Tiere?

Der erfolgreiche Kabarettist Berni Wagner hat sein Biologie-Doktorat an der Uni Wien (hier vor der alten Zoologie, Althanstraße) abgeschlossen.
Der erfolgreiche Kabarettist Berni Wagner hat sein Biologie-Doktorat an der Uni Wien (hier vor der alten Zoologie, Althanstraße) abgeschlossen.Caio Kauffmann
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Der Verhaltensbiologe Bernhard Wagner hat die Basis für Musik bei Menschen und „nicht menschlichen Tieren“ wie Affen, Ratten, Schweinen und Wellensittichen getestet.

Kunst und Wissenschaft sind nicht gegensätzlich“, sagt Bernhard Wagner: „Gemeinsam sind sie wichtig, um die Welt zu verstehen.“ Der Verhaltensbiologe arbeitet selbst künstlerisch und wissenschaftlich. Berni Wagner ist als Kabarettist bekannt, in beiden Berufen hat er schon Preise von Fachjurys und vom Publikum bekommen. Ob beim Österreichischen Kabarettpreis, dem Grazer Kleinkunstvogel oder auf der internationalen Comparative Cognition Conference: Die Form seiner Darbietung zieht einen ins Thema hinein. „Bei der Tagung der Deutschen Akustik-Gesellschaft hab ich sogar das Power-Point-Karaoke gewonnen“, lacht Wagner, der Fachtagungen für den Austausch mit Forschenden schätzt.

Sein Thema passt zu vielen Fachgebieten: Die Konferenzen umfassen Akustik, Musikwissenschaft und Kognitionsbiologie. Denn Wagner erforscht, wie Musikalität in der Evolution angelegt ist. Wie nehmen verschiedene Tiere Töne, Harmonien, Oktaven oder ­Melodien wahr? „Wichtig ist, dass Musik und Musikalität nicht das Gleiche sind“, sagt Wagner. Musik ist ein kulturelles Konstrukt, aber Musikalität umfasst die Grundeigenschaften, ohne die sich Musik nicht hätte entwickeln können, wie Rhythmus halten oder Konsonanz und Dissonanz unterscheiden.

Wellensittiche auf Töne trainiert

Die meisten Experimente hat Wagner seit seiner Masterarbeit mit Wellensittichen gemacht. „Wir Menschen nehmen Töne, die durch eine Oktave getrennt sind, als ähnlich wahr“, sagt Wagner. Von den zwei Tönen einer Oktave hat einer die doppelte Grundfrequenz des anderen (z. B. Kammerton a1 440 Hertz; a2 880 Hz). „Ich habe getestet, ob Wellensittiche diese Oktavenäquivalenz wahrnehmen“, erklärt Wagner. Sein Betreuer Tecumseh Fitch war damals noch an der „alten“ Uni-Wien-Biologie in der Althanstraße im ­Alsergrund. Die Versuche und das Labor der späteren Doktormutter Marisa Hoeschele sind am Institut für Schallforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien Wieden verortet.

Wagner trainierte die Wellensittiche mit Futterbelohnungen, damit sie bestimmte ­Töne bevorzugen: „Wenn wir ihnen dann den Ton in einer anderen Oktave vorgespielt haben, bevorzugten sie den nicht mehr.“ Sie wendeten sich sogar stärker ab, als eine zufällige Reaktion erklären würde. „In der Dissertation wollte ich herausfinden, warum das so ist. Wir vermuten, dass Vögel Töne ganz anders wahrnehmen als wir Menschen“, sagt Wagner. In seiner PhD-Thesis schreibt er stets „humans“ und „non-human animals“, also nicht menschliche Tiere. Das betont die Kontinuität der Evolution, in welcher Wagner die Ursprünge von Musikalität sucht.

»Wir Menschen nehmen Töne, die durch eine Oktave getrennt sind, als ähnlich wahr.«

So testete er das Empfinden von angenehmen und unangenehmen Tönen und Klängen nicht nur bei Vögeln, sondern auch bei Weißbüscheläffchen, Ratten, Schweinen und Menschen. Letztere wurden bisher meist per Fragebogen auf ihre Wahrnehmung von Klängen untersucht. Wagner hat jetzt in Experimenten bestätigt, in denen man sich aussuchen konnte, bei welchem Lautsprecher man mehr Zeit verbringt, dass Menschen Konsonanzen hier tatsächlich bevorzugen.

Er testete auch, ob Wellensittiche konsonante Tonkombinationen (ganzzahliges Frequenzverhältnis wie bei echter Terz oder Quart) gegenüber dissonanten (z. B. C mit Cis) bevorzugen. Die Antwort ist: Nein. Die Vögel sitzen nicht lieber bei konsonanten Tönen als bei dissonanten. Sie machen es also anders als Menschen. „Es liegt wohl daran, dass Vögel nicht so sehr die Grundfrequenz wahrnehmen, sondern das ganze Spektrum mit all seinen Obertönen“, erklärt Wagner. Während Menschen eine Melodie erkennen, egal, ob am Klavier oder mit der Geige gespielt, klingt das für Vögel völlig unterschiedlich. „Die Schreie von Sittichen enthalten Nonlinearitäten, die die Obertonreihe überlagern. Für ihre Kommunikation ist das ,chaotic noise‘ relevanter als bei uns.“

Eine geplante Postdoc-Stelle in der Schallforschung hat Wagner ruhend gestellt, weil es im Kabarett so gut läuft. „Ganz aufgeben werde ich die Wissenschaft nicht. Ein Paper publiziere ich eh gerade noch.“

Zur Person

Bernhard Wagner (32) stammt aus Gallneukirchen, OÖ, und hat im Gymnasium Auhof in Linz seine Vorliebe für Biologie entdeckt. Für den Bachelor an der Uni Wien untersuchte er Fischfossilien aus dem Lavanttal. Die Master- und PhD-Thesis (Uni Wien und ÖAW-Institut für Schallforschung) drehten sich um Musikalität in der Evolution.

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