Theater

„Luziwuzi“ im Rabenhof: Conchita als queerer Habsburger

Diskretion fällt ihm schwer, diesem Luziwuzi (Tom Neuwirth).
Diskretion fällt ihm schwer, diesem Luziwuzi (Tom Neuwirth). Rita Newman
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Tom Neuwirth gibt in „Luziwuzi“ sein Schauspieldebüt – in der perfekt auf ihn zugeschnittenen Rolle des schwulen Erzherzogs Ludwig Viktor. Ein schillerndes Vergnügen.

Die Etikette ist das Wichtigste hier am Hof! Bläut eine Erzieherin der anderen ein. Was die Erziehung des jüngsten Habsburger-Sprosses, Erzherzog Ludwig Viktor, den kleinen Bruder Franz Josephs, betrifft, sei besondere Sorgfalt angesagt. Alle „Anstößigkeiten“ seien von ihm fernzuhalten. Am besten, er erfahre gar nicht, dass es das weibliche Geschlecht gibt: „Nur männliche Tiere sind in den Gemächern und Gärten von Schönbrunn erlaubt!“ Nur Manderln, keine Weiberln.

Ein paar Szenen später hat man schon anderes mit dem Luziwuzi, wie er in der kaiserlichen Familie liebevoll genannt wird, vor. Mutter Sophie kündigt an: „Es wird Zeit, dass wir dich mit einer hygienischen Frau zusammenbringen!“ Wobei wir schon mittendrin wären im so vornehmen wie lustvollen Kuddelmuddel aus Widersprüchen, Doppelmoral, Vergnügen und Verboten, Klatschsucht und Diskretion, das das Leben der Erzherzog geprägt haben dürfte. Und das in „Luziwuzi“ als schillernde, komische und zwischendurch auch melancholische Revue auf die Rabenhof-Theaterbühne kommt.

Ruth Brauer-Kvam hat das Stück erdacht und inszeniert, Tom Neuwirth spielt in seinem – zu Recht bejubelten – Schauspieldebüt die Rolle des Luziwuzi. Der Erzherzog war ein Salonlöwe und Lebemann, ein Freund der Künste und des Gossip – und er war homosexuell, was am Kaiserhof ein offenes Geheimnis und so lang geduldet war, wie es dem guten Ruf der Monarchie nicht zuwiderlief. „Man muss die oft schwierigen Situationen, in welche mein geliebter Bruder durch seine Neigung geraten kann, sehr taktvoll lösen“, sagt der Kaiser im Stück.

Eine Ohrfeige, dann die Verbannung

Am Ende stolperte Ludwig Viktor doch über eine Art Sexskandal: Im Wiener Centralbad (wo heute die Schwulensauna Kaiserbründl ist) handelte er sich eine Ohrfeige ein, seine „Extravaganzen“ drohten publik zu werden. Man verbannte ihn schließlich ins Salzburger Schloss Kleßheim, wo er seine letzten Jahre, mittlerweile dement, wie in einer Anstalt eingesperrt war.

Schwimmbad und Goldvorhang, Sockenhalter und Glitzerschminke: In „Luziwuzi“ treffen kaiserliche Manierismen auf queere Extravaganz.
Schwimmbad und Goldvorhang, Sockenhalter und Glitzerschminke: In „Luziwuzi“ treffen kaiserliche Manierismen auf queere Extravaganz.Rita Newman

Das schöne Bühnenbild (von Michaela Mandel) – ein Swimmingpool, umgeben von Paradiesfresken und Goldvorhang – deutet ebenso auf die Sterilität seiner letzten Stätte wie auf die Vergnügungen in der Badeanstalt hin, die hier stimmig mit Seifenblasen und Dampfbadnebel inszeniert werden. Zu den zwischen imperialem Varieté und Rave-Gewummer oszillierenden Klängen des Multiinstrumentalisten Kyrre Kvam wird hier durch die Lebensstationen des Erzherzogs gezappt. Oder geritten, auf Steckenpferden zu einer schrägen Zirkusversion des Radetzkymarschs.

Sisi, eine Mähne auf Beinen

In den komischsten Momenten ist „Luziwuzi“ ein Lustspiel, erfüllt von Slapstick und queerer Extravaganz. Wie die allesamt männlichen Darsteller (Florian Carove, Gerhard Kasal, Sebastian Wendelin) in die verschiedensten Rollen schlüpfen (etwa auch Kaiserin Sisi, die vor allem aus Haaren besteht) und dabei exaltiertes Schönbrunner Deutsch mit lustvoller Aufgedonnertheit verquicken, ist bemerkenswert.

Und Tom Neuwirth in der Titelrolle? Spielt seine Stärken voll aus, das Theatralische lag ihm ja schon als Conchita Wurst bestens. So hüpft er als kleiner Bub in den Schoß seiner Mama oder trällert im bauschigen Kleid Operetten-Koloraturen, haucht Anglizismen („I know!“) mit Habsburgerischer Noblesse und sucht in der Isolation nach dem Ich: großer Jubel.

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