Glaubensfrage

Nicht auf Verzicht verzichten

„Genug ist nicht genug“, singt Konstantin Wecker. Ob er recht hat?
„Genug ist nicht genug“, singt Konstantin Wecker. Ob er recht hat?Imago/Nancy Heusel
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Auch wenn sich die eine oder andere Ballveranstaltung zeitlich offenbar verirrt hat: Die Fastenzeit hat begonnen. Verzicht in vielerlei Form scheint wieder in Mode.

„Auf den Dächern hockt ein satter Gott und predigt von Genügsamkeit. Genug ist nicht genug. Ich lass mich nicht belügen. Schon schweigen ist Betrug. Genug kann nie genügen.“

Nein, das hat kein Geheimrat Goethe gedichtet. Ausgerechnet am Aschermittwoch dieses Lied Konstantin Weckers aus den 1970ern zufällig wieder zu hören … Genügsamkeit. Verzicht. Damit hat die Gesellschaft nach Jahrzehnten des auferzwungenen Verzichts wenig anfangen können. Was absolut verständlich war. Verzicht wird in der Fastenzeit dennoch zu allen Zeiten gepredigt, die sechseinhalb Wochen bis Ostern dauert und katholisch korrekt österliche Bußzeit heißt (diese Formulierung hat sich wie so manch andere Vors allgemein nicht wirklich durchsetzen können).

Für das Klima verzichten

Verzicht wird heute auch von anderen gepredigt, die mit Christentum und einer religiöser Motivation ihres Handels nicht unbedingt in Verbindung zu bringen sind oder gebracht werden wollen. Um Ressourcen und Klima zu schonen beispielsweise. Lang bevor das Wort Klimakrise erfunden und allgegenwärtig war, vor 20 Jahren nämlich, startete eine Aktion „Autofasten“, getragen von katholischen und evangelischen Umweltbeauftragten. Man sieht: Christen können manchmal durchaus avantgardistisch unterwegs sein. Gut möglich, dass sie das auch in anderen Lebensbereichen sind, auch wenn die Mehrheit das (noch) anders sieht. Übrigens machen erstmals bei dieser plötzlich so zeitgemäß wirkenden Aktion heuer neben den christlichen Kirchen auch die Israelitische Kultusgemeinde und die Buddhisten mit.

„Raus mit den Götzen“

Raus mit den Götzen, die uns beschweren, weg mit den Abhängigkeiten, die uns gefangen halten. Dann wird das verkümmerte und vereinsamte Herz wiedererwachen.“ Auch dieses Zitat stammt weder vom Großdichter Johann Wolfgang von Goethe, noch von Liedermacher Konstantin Wecker. Sondern von Papst Franziskus. In seinem diesjährigen Fastenhirtenbrief plädiert er laut Kathpress für Entscheidungen, seien sie klein, seien sie groß, „gegen den Strom“, wie er sich ausdrückt. Das könne den Alltag der Menschen verändern.

Spaßverderber, Besserwisser

Ja sicher, nur wollen das die Menschen überhaupt, und wozu das alles? Verzicht hat einen schalen Beigeschmack. Er wird oft mit Spaß-Verderben, griessgrämigem Bierernst und missionarischer Besserwisserei verbunden. Ja, kann leider so abgesendet werden oder ankommen. Verzicht hat aber diesen Beigeschmack zu unrecht.

Im Alltag zementierte Gewohnheiten zu hinterfragen, aufzubrechen, aus ihnen auszubrechen, sich neu auszurichten, das kann schon etwas. Und hat Befreiungspotenzial: Dann und wann nicht zu verzichten - auf das Verzichten.

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