Wort der Woche

Gespeicherter Kohlenstoff

Der Mensch hat durch seine Aktivitäten einen gigantischen Bestand an Kohlenstoff angehäuft – etwa in Häusern, Straßen oder Alltagsgegenständen. Und dieser wächst beständig. 

Der natürliche Kohlenstoffkreislauf ist die Basis allen Lebens. Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft auf und verwandeln es mithilfe von Sonnenenergie zu organischen Molekülen. Von diesen wiederum leben alle Tiere: Sie veratmen diese Nährstoffe und setzen dabei CO2 wieder frei. Parallel dazu existieren weitere Stoffwechselwege von Mikroorganismen, und es gibt große Kohlenstoffflüsse zwischen Luft und Böden, zwischen Land und Wasser und in den Meeren.

Wir Menschen haben diese natürlichen Kreisläufe durcheinandergebracht. Das betrifft nicht nur die Emission von CO2 durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe (gespeicherte Solarenergie aus früheren Zeitaltern), sondern z. B. auch die intensive Landwirtschaft, die zusätzliche Photosynthese und Veratmung mit sich bringt. Oder unsere Nutzung kohlenstoffhaltiger Materialien, wie etwa Holz, Fasern, Kunststoffe, Nahrung oder Papier: Dadurch wurde ein großer sozioökonomischer Kohlenstoffbestand aufgehäuft – eine Kohlenstoffsenke, die CO2 für eine gewisse Zeit dem Kreislauf entzieht.

Forschende um Lisa Kaufmann und Helmut Haberl (Boku Wien) haben nun eine möglichst vollständige Inventur dieser Kohlenstoffbestände erstellt. Demnach ist Holz (z. B. im Hausbau) mit 6,9 Mrd. Tonnen Kohlenstoff am bedeutsamsten, gefolgt von 3,4 Mrd. Tonnen in Bitumen (Asphalt) und 3,0 Mrd. Tonnen in Plastik. Eine große Rolle spielt auch Beton, bei dessen Aushärtung 2,7 Mrd. Tonnen Kohlenstoff aus der Luft aufgenommen und quasi versteinert wurden. Und auf 800 Mio. Tonnen Kohlenstoff summieren sich Papier, Agrarprodukte, Nutztiere und der Kohlenstoffgehalt von Stahl. Macht zusammen 16,8 Mrd. Tonnen Kohlenstoff, die in Dingen unseres täglichen Lebens stecken (Environmental Research Letters, 8. 2.).

Der Studie zufolge ist der sozioökonomische Kohlenstoffbestand im Vergleich zum Jahr 1900 auf das Neunfache gestiegen – der jährliche Zuwachs liegt aktuell bei 491 Mio. Tonnen Kohlenstoff.

Das ist eine gigantische Menge. Allerdings zerstreuen die Forschenden sogleich alle Hoffnungen, dass wir den Klimawandel durch eine Vergrößerung dieser menschengemachten CO2-Senke in den Griff bekommen könnten: Denn der jährliche Zuwachs des sozioökonomischen Kohlenstoffbestandes entspricht gerade einmal fünf Prozent der Emissionen aus fossilen Energieträgern. So viele Holzhäuser können wir gar nicht bauen, um diese auch nur annähernd kompensieren zu können.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
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