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„Geliebte Köchin“: Das Dessert kommt hier zu Beginn

Juliette Binoche tut gerade so viel, wie sie tun muss, um nicht zu stören.
Juliette Binoche tut gerade so viel, wie sie tun muss, um nicht zu stören.Polyfilm
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Viel passiert nicht in „Geliebte Köchin“, einer schieren malerischen Feier französischer Lebensart. Mit einer hinreißenden Juliette Binoche.

„Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist.“ Dieser Satz hat einen Urheber, und der heißt Jean Anthelme Brillat-Savarin (1755–1826), der Gastrosoph, der die französische Küche derart sprachlich verfeinerte, dass wir heute alle wissen, was gemeint ist, wenn jemand sagt: „französische Küche“.

Die Leidenschaft, eher Besessenheit dieses Brillat-Savarin, sein Leben dem feinsten Geschmack zu widmen, ist die Basis des Films „Geliebte Köchin“. Nein, hier wurde nicht gegendert, keine Sorge. Brillat-Savarin heißt hier nur Monsieur Dodin und wird von Benoît Magimel als Hausherr mit durchdringender Sinnlichkeit verkörpert. Ihm zur Seite aber wurde die titelgebende Köchin gestellt, Juliette Binoche als seine innig geliebte Eugènie. Viel mehr als die Ausmalung dieses Status passiert eigentlich nicht in diesem neuen Film des französisch-vietnamesischen Regisseurs Tran Anh Hung. Und doch schafft er es, bis auf den etwas geschwätzigen letzten Teil, viel mehr zu erzählen als eine schnöde Handlung. Nämlich ein Gefühl, ein Lebensgefühl spürbar zu machen. Dieser Film ist die pure Hommage an die französische Kultur. Nicht nur die des Essens, auch der Kunst.

Jedes Gesicht hier wirkt wie von Berthe Morissot gemalt, jeder Schwenk durch die Küche wie ein Stillleben, sogar die wenigen erotischen Szenen erinnern frappant an Vorbilder: Wenn Eugénie sich des Hausherrn wieder einmal erbarmt, ihre Tür nächtens offen steht, tritt er ein wie in eine der intimen Szenen von Edgar Degas, bei der sich eine Frau im Zuber wäscht. Ein Festmahl für Freunde an der langen, langen Tafel im Freien hätte Renoir nicht idyllischer hinbekommen. Der frühe Impressionismus stimmt zwar nicht mit der Zeit überein, in der Brillat-Savarin lebte, aber hier geht es nicht um historische Authentizität.

Sie waren auch im Leben ein Paar

Kitschig wird es trotz all dem nicht, dafür ist jedes Detail zu artifiziell, zu delikat arrangiert. Das Schauen ist hier schierer Genuss. Und die beiden Schauspieler, begleitet von den tellergroßen Augen des Mädchens Pauline (Bonnie Chagneau-Ravoire), tun genau so wenig, dass sie nicht stören. Herrlich. Nicht zuletzt durch die Wahl des Paares, Binoche und Magimel, die tatsächlich einmal eines waren, und sich im Zuge dieses Films wieder versöhnten, wird nach Kunst und Kulinarik auch der Vorstellung des französischen Liebesentwurfs gehuldigt, der zumindest als freier gilt als anderswo.

Die Beziehung zwischen Gastrosoph und Köchin kommt einem dadurch nie abgeschmackt vor, eher modern, fast feministisch. Schließlich will er die Bindung, sie frei bleiben. Denn: In einer Ehe werde das Dessert zu Beginn serviert, erklärt er ihr einmal. Und das findet sie doch relativ geschmacklos. Das anscheinend nötige Drama, das sich lang nur leise ankündigt und zum Ende hin entwickelt, hätte es nicht gebraucht. Aber dann hätte dieser Film wohl auch keinen Platz im Mainstreamkino und keinen Regie-Preis in Cannes bekommen. So soll’s also sein. Der Spritzer Essig im Omelette Norvégienne.

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