Gastkommentar

Die Fakten zu Texingtal

Replik auf C. Moos. Die Verbringung der Dollfuß-Museumsstücke war natürlich keine „Nacht-und-Nebel-Aktion“.

Die Empörung über die Sicherstellung der Exponate aus dem Museum in Texing hat sich nun auch zu Carlo Moos, dem Schweizer Beiratsmitglied zur Umgestaltung der bisherigen Ausstellung, durchgearbeitet. Merkwürdigerweise sind ihm aber nicht die Fakten mitgeliefert worden. Die Verbringung der Museumsstücke war natürlich keine „Nacht-und-Nebel-Aktion“, als die sie – offenbar ungeprüft – auch einige ORF-Redakteure darstellten. Vielmehr war die Rettungsaktion eine Woche vorher dem Obmann des Gedenkvereins Merkwürdig, Alexander Hauer, kommuniziert worden. Wurde diese Nachricht vielleicht nicht an alle Beiratsmitglieder und Kuratoren weitergeleitet? Besagter Obmann und einige Kuratoren waren jedenfalls bei der Sicherstellung anwesend. Dieser Ausdruck ist deshalb angemessen, weil die Raumluft im Museum schwer schimmelbelastet war. Allein schon aus konservatorischen Gründen bestand Handlungsbedarf.

Soweit die Gegenstände im Museum Niederösterreich in St.Pölten landen, sind sie dort ohnehin besser aufgehoben. In dessen Haus der Geschichte fand man bereits 2017 in der Eröffnungsausstellung „Die umkämpfte Republik“ einen ausgewogenen Zugang. Im Zentrum des betreffenden Ausstellungsraums wurden die unterschiedlichen Bewertungen der Kanzlerdiktatur präsentiert. An den Wänden rings­um wurde der Weg von der Demokratie zu einem autoritären Regime ausführlich dargestellt. So blieb den Besuchern genug Raum für eigene Überlegungen.

Antifaschistischer Karneval?

Dieses Bemühen um Ausgewogenheit konnte man bei dem Projekt in Texingtal nicht beobachten. Ohne den Beiratsmitgliedern und Kuratoren nahetreten zu wollen, ließ deren Auswahl durch den Obmann des Vereins Merkwürdig bereits eine ideologische Schlagseite vermuten. Diese Annahme wurde umgehend durch öffentliche Äußerungen aus diesem Personenkreis bestätigt. Es wurde bald klar, dass das Ziel nicht eine differenzierte Auseinandersetzung mit der historischen Persönlichkeit Engelbert Dollfuß war, sondern das Verfolgen einer eigenen Agenda.

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So gesehen war die Idee, das Projekt auf fünf Jahre anzulegen, geradezu grenzgenial. Damit hätte man die Medien über diesen langen Zeitraum mit „Informationen“ versorgen und so sich und seinen eigenen historischen Ansichten entsprechende Aufmerksamkeit sichern können. Einige Kostproben bietet Carlo Moos in seinem Gastkommentar in der „Presse“ (16. 2. 2024). Dass er das Regime, das Dollfuß begründet hat, „Austrofaschismus“ nennt, überrascht nicht. Originell ist aber seine Begründung: Danach genügt das Auftreten zur selben Zeit wie der reale Faschismus, um den Ausdruck zu rechtfertigen. Zu Ende gedacht, spart das natürlich eine detaillierte Analyse – eine Konsequenz, die der Autor selbstverständlich bestreiten würde.

So verwundert auch der Ausdruck „Hitler-Faschismus“ nicht, der die Gefahr einer Verharmlosung des Nationalsozialismus in sich birgt. Damit lässt sich der Wortteil „-sozialismus“ vermeiden, was wohl die Absicht sein dürfte.

Besser im Haus der Geschichte in St. Pölten

Das Ende des Projekts in Texingtal ist nicht als Verlust zu betrachten, vielmehr hätte es der pointiert formulierende Philosoph Rudolf Burger als „antifaschistischen Karneval“ bezeichnet. Lassen wir also die österreichische Zeitgeschichte im Haus der Geschichte in St. Pölten. Dort finden wir einen entspannten Blick auf die Epoche und eine differenzierte Benennung komplexer Zusammenhänge. So heißt dort die Zeitspanne 1933/34 bis 1938 eben „Dollfuß-Schuschnigg-Regime“.

Paul Mychalewicz ist Historiker und Anglist sowie Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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