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Wenn Menschen Affen anstecken

Gefährliche Nähe: Dass er sich abwendet, schützt ihn nur vor Blicken, nicht vor Bakterien und Viren.
Gefährliche Nähe: Dass er sich abwendet, schützt ihn nur vor Blicken, nicht vor Bakterien und Viren. Picturedesk / Suzi Eszterhas / Minden Pictures / Picturedesk.com
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Infektionserreger kommen nicht nur von Tieren auf Menschen wie bei Corona, es geht auch umgekehrt. Das bedroht vor allem Große Affen.

Die größten Plagen der letzten Jahrzehnte – Aids, Vogelgrippe, Corona – sind allesamt von Tieren auf Menschen gekommen, das HI-Virus von Affen, die Vogelgrippe von Geflügel, Corona von Fledermäusen: Sie waren Zoonosen, es wurde ein neues Schreckenswort. Aber es geht auch umgekehrt: 2017 begannen die ersten von 205 Schimpansen im Kibale National Park in Uganda zu husten, bald waren zwölf tot. So war es auch schon „David Greybeard“ 1968 ergangen, dem Schimpansen, mit dem Jane Goodall als erstem freundschaftlichen Kontakt aufnehmen konnte, sie hatte in seiner Gruppe „ziemlich oft“ Erkältungen bemerkt und vermutete deren Ursprung in Menschen (im Buch „The Chimpanzes of Gombe“).

So etwas heißt „Anthropozoonose“ oder auch „reverse Zoonose“, es kann sich auch dahin aufstufen, dass Krankheitserreger von Tieren auf Menschen kommen und von denen wieder auf Tiere – so war es in der Pandemie, als auch Millionen Nerze in nordeuropäischen Pelztierfarmen infiziert bzw. vorsorglich getötet wurden –, oder es kann von Menschen auf Tiere kommen und von denen wieder zurück, so ist es immer wieder mit Hepatitis B, das mit Fäkalien ins Meer gelangt und von Muscheln aufgenommen wird – denen es nichts tut –, die auf Tischen landen und die Krankheit bringen.

Tiere werden in Zoos von Menschen angesteckt, aber auch in der freien Wildbahn

Aber oft geht es eben von Menschen auf Tiere, solche in freier Wildbahn und solche in Zoos, dort ist etwa eine Vogelgrippe in einem Tierpark in Kalifornien 2005 auf Geparden gekommen (Emerging Infectious Diseases18021111245), 2021 geschah das Gleiche in einem Zoo in Japan (Zoonoses Public Health 3: 239), zuvor schon bei einem Panda in einem Zoo Hongkongs, aber freilebende Tiere bleiben auch nicht verschont, Skunks etwa,, selbst Robben (Frontiers in Cellular and Infection Microbiology 5. 1.), Letzteres ist ein lange übersehenes Problem, viele Krankheitserreger kommen vom Land ins Wasser (Hakai Magazine 2. 1.).

Auch die Größten sind nicht gefeit: Elefanten werden relativ häufig mit Tuberkulose infiziert (Frontiers Veterinary Science 1133832), auch an einem Nashorn in Nepal wurde es diagnostiziert (Emerging Infectious Diseases 22, S. 570). Und auch die Entlegensten werden getroffen, Afrikanische Wildhunde etwa von Giardia, einem von Menschen ausgeschiedenen Parasiten (Veterinary Parasitology 174, S. 206).

Aber das Interesse hält sich in Grenzen, die letzte Übersicht – 2014 von Ali Messenger (Florida) – führt 56 Fälle an, die Palette der Tiere ist breit, übertragen werden meist Bakterien, gefolgt von Viren und Parasiten (PLoS One 9 e89055). Aber in einem Fall wächst die Aufmerksamkeit doch, und die Sorgen werden immer größer: Bei unseren nächsten Verwandten, den Großen Affen, etwa den Schimpansen im Kibale Park: 59 Prozent derer, die in den letzten 35 Jahren eines bekannten Todes starben, erlitten ihn durch von Menschen übertragene Viren, die zu Lungenentzündung führten, Tony Goldberg (University of Wisconsin) hat es bilanziert (Royal Society Open Science 180840). Und wie kommen die auf die Schimpansen?

Für Menschen sind die Infektionen oft harmlos – unsere Immunsysteme sind, anders als die der Schimpansen, mit ihnen vertraut – und haben einen milden Verlauf. Und selbst wer Symptome hat und etwa hustet oder niest – wer will schon deshalb auf das (teuer bezahlte) Erlebnis verzichten, Schimpansen in der Natur gegenüberzustehen? Und welcher Guide widersteht schon einem Trinkgeld, mit dem von ihm Geführte so nahe wie möglich an die Tiere kommen wollen?

2008 dokumentierte Fabian Leendertz (Greifswald) erstmals, dass Erkältungskrankheiten bei Schimpansen in einem Nationalpark der Elfenbeinküste diese Ursache hatten (Current Biology 18, S. 260), später bemerkte man das Phänomen auch an Berggorillas (Eco-Health 15, S. 148), es versetzte nicht nur Biologen in Unruhe, sondern auch Touristiker, die ihre Schätze nicht verlieren wollten.

2015 publizierte die Internationale Naturschutzorganisation IUCN Empfehlungen, denen zufolge erkrankte Touristen sich nicht auf den Weg machen sollten und gesunde bei Begenungen mit Großen Affen einen Mindestabstand von sieben Metern halten und Atemmasken tragen. Na ja: Die sieben Meter werden so gut wie nie eingehalten, das dokumentierte Gladys Kalema-Zikusoka, Tierärztin und Gründerin eines Tierschutz NGOs, 2020 an 53 Trecks zu Berggorillas in Uganda (Frontiers in Public Health 8, 00001). Oft dokumentieren es auch die Touristen selbst: Auf 282 You-Tube-Videos von Berggorilla-Touristen waren 40 Prozent der Besucher auf Reichweite zu den Tieren oder hatten physischen Kontakt (PLoS One 15, e0232085). Zudem husteten nach Beobachtungen von Darcey Glaser (New York) auf dem Weg 88 % der Touristen, 73 % mussten niesen, 37 % urinierten (PLoS One 15 e0232085).

Touristen tragen Erreger in den Dschungel, aber auch Menschen, die dort arbeiten, tun es

Die IUNC will ihre Empfehlungen verschärfen, vor allem – wegen und seit Corona – mit stärkerer Betonung auf Masken, helfen wird es wenig, und die Reisedestinationen wollen das Thema lieber unter dem Teppich halten, die Uganda Wildlife Authority etwa beantwortete entsprechende Anfragen von Nature nicht (625, S. 443).

Allerdings ist dieser Tourismus nicht die einzige Quelle reverser Zoonosen, das zeigte schon Goodalls Greybeard, damals kamen noch keine Besucher von weit. Aber Bewohner von nah kamen immer schon, und Goldberg sah ein eigenartiges Muster: Die Großen Affen werden oft von den Viren befallen, die Kinder aus der Schule mit nach Hause bringen. Deshalb ließ er Studenten den 203 Schulkindern in der Nähe des Kibale-Parks monatlich Nasenabstriche nehmen, denen von ihren Eltern, die im Wald arbeiten, auch, verglichen wurden die Erreger mit denen in Fäkalien von Schimpansen: Sie waren identisch: Ausbrüchen in Schulen folgten Ausbrüche im Wald, nur einmal hatten die Schimpansen Ruhe: Als im Sommer 2020 die Schulen wegen Covid geschlossen wurden.

„Wenn wir die Schimpansen retten wollen, müssen wir die Kinder gesund machen“, schloss Goldberg (Nature 625, S. 443). Daraus wuchs eine Initiative – „Healthy Children, Healthy Apes“ –, mehr als mildern kann sie nicht, auf der ganzen Erde tragen Kinder nach Hause, was ihnen in der Schulde zufliegt.

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