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Der neue „Kurier“-Chefredakteur kommt mit 40 Kündigungen

Martin Gebhart.
Martin Gebhart.APA/Kurier/Christandl
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Martin Gebhart wird mit 1. März Martina Salomon ablösen. Der Aufstieg des stark im politmedialen System Niederösterreichs verankerten Journalisten markiert tiefgreifende Veränderungen in der Tageszeitung: In der Redaktion gibt es ein heftiges Sparpaket mit Stellenabbau.

Es war ein schmerzhafter Tag für die Belegschaft des „Kurier“. Am Mittwochvormittag wurde bei einer Versammlung darüber informiert, dass 40 Mitarbeiter der Redaktion beim Frühwarnsystem des AMS zur Kündigung angemeldet worden waren. Mit den Betroffenen werde es im Laufe des Tages die jeweiligen Gespräche geben. Gleichzeitig wurde verkündet, dass die Zeitung einen neuen Chefredakteur bekommt: Martin Gebhart, der bisherige Leiter der Innenpolitik.

Es war bereits darüber spekuliert worden, dass auf die Kündigungswelle im vergangenen Jahr noch etwas folgen würde. Nun wies die Geschäftsführung auf die wirtschaftliche Bedrängnis hin: sinkende Verkaufserlöse, weniger Abonnements auf der einen Seite, steigende Rohstoff-, Energie- und Gehaltskosten auf der anderen. Auch wenn die Kündigungen die Redaktion betreffen würden, werde der Prozess der Umstrukturierung alle Abteilungen des Medienhauses treffen, hieß es. Gebhart sei in dieser Phase „eine perfekte Besetzung“, hieß es von Richard Grasl, der seit Jahresbeginn Geschäftsführer ist.

Wer ist nun der Mann, dessen Aufstieg von Dutzenden Kündigungen begleitet wird? Jedenfalls jemand, der tief verwurzelt ist im politmedialen System Niederösterreich. Er verbrachte den größten Teil seiner Laufbahn, nämlich mehr als 30 Jahre, bei den „Niederösterreichischen Nachrichten“. Zuerst als Reporter, dann als Chef vom Dienst. 2001 wurde er stellvertretender Chefredakteur, ab 2016 dann alleiniger Chefredakteur. Mit Gudula Walterskirchen als Herausgeberin gab es „divergierende Ansichten“, er verließ das niederösterreichische Pressehaus. Und Helmut Brandstätter holte ihn zum „Kurier“, wo er erst das Ressort Chronik und ab 2022 die Innenpolitik leitete. Der Vielschreiber ist bestens vernetzt und gilt als leutselig. Auch der Redaktionsausschuss lobte ihn am Mittwoch als „besonders fleißigen, umgänglichen und kompetenten Kollegen“.

Der „Kurier“ hat derzeit mit über 100.000 Stück die drittgrößte Verkaufsauflage aller Tageszeitungen im Land, nur „Kronen Zeitung“ und „Kleine Zeitung“ liegen davor. Mehrheitseigentümer des „Kurier“ ist Raiffeisen (die übrigen Anteile gehören der deutschen Funke-Gruppe).

Dass nun Gebhart mit 62 Jahren einer 63-jährigen Frau nachfolgt, ist nicht unbedingt ein klares Signal der Erneuerung. Man könnte über eine strategische Entscheidung dahinter spekulieren: Ist er jemand, der den Personalabbau auf sich nimmt, um den Weg für einen späteren Neustart zu ermöglichen?

Zuvor stimmt allerdings noch die Redaktion über Gebhart ab. Sie könnte ihn theoretisch noch verhindern: wenn sich zwei Drittel der Stimmberechtigten gegen ihn stellen. Diese Abstimmung dürfte wohl erst im April auf dem Plan stehen. Gebhart startet mit Anfang März. „Der erneute Stellenabbau schmerzt uns sehr und wird die Redaktion weiter schwächen“, verlautete der Redaktionsausschuss am Mittwoch – noch ohne genaue Kenntnis darüber, wer nun tatsächlich das Haus verlassen muss.

Salomon bleibt aktive Schreiberin

Verwiesen hat man darauf, dass die Neuaufstellung nicht auf Kosten der journalistischen Qualität gehen dürfe. Wobei klargestellt wurde, dass „der eingeschlagene Weg hin zu einem multimedialen Medienhaus“ schwierig, aber „unbedingt notwendig“ sei, um auf dem Markt bestehen zu können. Dafür brauche es aber auch die nötigen Ressourcen. Derzeit gibt es rund 200 Mitarbeiter in der Redaktion des „Kurier“.

Und Martina Salomon? Sie wird als Herausgeberin auch eine aktive Schreiberin bleiben, wie sie ankündigte. Etwa bei Leitartikeln und großen Interviews.

Die Umbrüche in der Medienbranche werden in diesem Jahr wohl auch noch bei anderen Zeitungen zu spüren sein. Eines stellte Grasl am Mittwoch aber noch klar: Bei der Redaktion des „Profil“, dessen Geschäfte er ebenfalls führt, ist eine Stellenreduktion derzeit nicht geplant.

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