Literatur aus China

Fang Fang: Wie die brutale Version einer Doku-Soap

Steht in China unter immensem politischen Druck wegen ihres Pandemie-Tagebuchs aus Wuhan: Fang Fang, geboren 1955 in Nanjing.
Steht in China unter immensem politischen Druck wegen ihres Pandemie-Tagebuchs aus Wuhan: Fang Fang, geboren 1955 in Nanjing.Foto: Wu Baojian
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Bei Fang Fang wird gesoffen, ­geprügelt, aufbegehrt und geliebt. 1987 erschienen, wurde ihr Roman „Glänzende Aussicht“ nun neu übersetzt.

Eine „Glänzende Aussicht“ ist das Letzte, was die jeweiligen Figuren im 1987 in China erschienenen Roman dieses Titels der Autorin Fang Fang haben. Weder sprichwörtlich noch tatsächlich. Das einzige Fenster der Einzimmer­wohnung ist von den Küchenkästen nahezu verstellt, die zwölfköpfige Familie lebt im Dämmerlicht und beim Vorbeidonnern der Züge. Nur elf dieser zwölf Köpfe sind am ­Leben, der zwölfte, „Bruder Acht“, ist bereits als Säugling verstorben und liegt in einer ­Kiste vor dem Fenster vergraben. Dort schämt er sich fast dafür, dass er ein besseres Leben hat als seine Geschwister – friedlich, warm, ohne Hunger.

Vater schmetterte die Schnapsflasche auf den Boden

Das schmale Buch über die zehn Kinder einer Dockarbeiterfamilie machte Fang Fang damals schlagartig berühmt – damals, als das zeitliche Ende der Geschichte nah am Erscheinen des Textes lag, damals, vor Tiananmen 1989. Heute wird das Buch in China nicht mehr neu aufgelegt. Während sich eine neue Generation an Schriftsteller:innen Ende der 1970er- und bis Mitte der 1980er-Jahre als Reaktion auf den davor staatlich verordneten Sozialen Realismus mit Dingen wie Obskurer Lyrik (Nebeldichtung) beschäftigte, eroberte sich Fang Fang die Realität in der Literatur ihres Heimatlandes neu: Es wird gesoffen, geprügelt, geträumt, vergewaltigt, aufbegehrt, verführt, gehofft, gestorben und grundlos geliebt. Gelernt wird wenig. Menschliches eben.

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