Urteil

Kopf auf Asphalt geschlagen: Kritik an Freispruch für Wiener Polizisten

Für Amnesty International können „Freisprüche in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt oft eine abschreckende Wirkung auf die Betroffenen haben“. Auch der von der Amtshandlung betroffene Man zeigte sich ob des Urteils konsterniert.

Für Diskussionen sorgt der am Wiener Landesgericht erfolgte Freispruch für einen Polizisten, der den Kopf eines bereits zu Boden gebrachten und fixierten 19-Jährigen mehrfach auf den Asphaltboden geschlagen hatte. Für das Gericht war weder ein wissentlicher Befugnismissbrauch gegeben, noch überschritt der Beamte das gerechtfertigte Ausmaß an Gewaltausübung. Für den 19-Jährigen ist diese Entscheidung „schwer nachvollziehbar“, auch Amnesty International meldete sich zu Wort.

„Freisprüche in Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt können oft eine abschreckende Wirkung auf die Betroffenen haben, insbesondere dann, wenn auch Video- oder Bildmaterial vorliegt“, meinte Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, am Donnerstag. Grundsätzlich gelte, „dass die Polizei auch in brenzligen Situationen in erster Linie deeskalierend agieren muss“. In Zukunft müssten „gerade solche Fälle von der neu eingerichteten Ermittlungs- und Beschwerdestelle gründlich untersucht werden, um Missbrauchsvorwürfe gegen die Polizei zu klären“, betonte Hashemi auf APA-Anfrage. Und sie appellierte an „alle Betroffenen, sich in solchen Situationen an diese Stelle zu wenden, um sicherzustellen, dass ihre Anliegen angemessen und transparent behandelt werden“.

Mehrere Kameras filmten Amtshandlung mit

Der von der gewalttätigen Amtshandlung Betroffene ist nach der nicht rechtskräftigen Entscheidung des Erstgerichts - die Staatsanwältin legte dagegen umgehend Rechtsmittel ein, sie unterstellte dem vorsitzenden Richter darüber hinaus Befangenheit - konsterniert. Er hatte bei dem Vorfall, der von einem „Puls24“-Kameramann gefilmt wurde, eine stark blutende Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges erlitten. Auch ein Augenzeuge filmte mit seinem Smartphone die gewalttätige Szene mit, die Überwachungskamera eines in der Nähe befindlichen Lokals zeichnete sie ebenfalls auf. „Für ihn ist der Freispruch aufgrund der sehr starken Video-Beweise schwer nachvollziehbar“, meinte Clemens Lahner, der Anwalt des 19-Jährigen, am Donnerstag.

Die Amtshandlung wurde vom Verwaltungsgericht Wien bereits am 7. November 2023 für rechtswidrig erklärt. Lahner hatte dort gegen das polizeiliche Vorgehen eine Maßnahmebeschwerde eingebracht und diese gewonnen, wobei die Landespolizeidirektion auf eine Gegenschrift verzichtete. Ohne dass eine Verhandlung anberaumt werden musste, stellte das Verwaltungsgericht eine Rechtsverletzung durch die Schläge unter Zu-Boden-Drücken des betroffenen 19-Jährigen in Bauchlage fest. Dessen Rechtsvertreter wird auf Basis dieses Erkenntnisses Schadenersatzansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz geltend machen. Ein entsprechendes Aufforderungsschreiben werde demnächst an die Finanzprokuratur ergehen, kündigte Lahner an. (APA)

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