Femizide

Fünf Frauen in Wien innerhalb von einem Tag tot aufgefunden

Drei Frauen sind am Freitagabend in einem Rotlicht-Lokal in Wien-Brigittenau tot aufgefunden worden.
Drei Frauen sind am Freitagabend in einem Rotlicht-Lokal in Wien-Brigittenau tot aufgefunden worden.APA / APA / Georg Hochmuth
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Am Freitag wurden eine 51-Jährige und ihre 13 Jahre alte Tochter tot in einer Wohnung im dritten Wiener Bezirk entdeckt. Samstagabend wurden drei erstochene junge Frauen in einem Rotlicht-Lokal im 20. Bezirk vorgefunden. In diesem Fall wurde ein Tatverdächtiger gefasst.

Insgesamt fünf gewaltsam ums Leben gebrachte Frauen sind am Freitag in Wien von der Polizei aufgefunden worden. In der Früh stieß die Exekutive in einer Wohnung in der Erdbergstraße in Wien-Landstraße auf eine tote 51-Jährige und ihre ebenfalls getötete 13 Jahre alte Tochter. Am späten Abend wurden in einem Rotlicht-Lokal in der Engerthstraße in Wien-Brigittenau drei erstochene junge Frauen vorgefunden. In diesem Fall wurde ein dringend Tatverdächtiger gefasst.

In dem Rotlicht-Lokal dürfte sich ein regelrechtes Blutbad abgespielt haben. Die getöteten Frauen wiesen massive Schnitt- und Stichverletzungen auf, so dass den Einsatzkräften schon beim Betreten des Tatorts klar war, dass für die Opfer jede ärztliche Hilfe zu spät kam. Das Tatgeschehen hatte sich auf mehrere Räumlichkeiten erstreckt - die Leichen wurden in unterschiedlichen Zimmern gefunden, sagte der Sprecher der Landespolizeidirektion, Philipp Haßlinger. Die Tat ist von einer Kollegin der Opfer mitangehört worden. Diese vierte Mitarbeiterin des Asia Studios hatte sich in einem Zimmer eingesperrt.

Dass gegen die Opfer mit ungemein heftiger Gewalt vorgegangen wurde, zeigt sich auch daran, dass ihre Identitäten nach wie vor nicht geklärt sind. Die Landespolizeidirektion machte vor Ort vorerst weder Angaben zur Nationalität noch dem Alter der Opfer. Diesbezüglich liefen die Erhebungen, hieß es seitens der Polizei.

Dringend Tatverdächtiger in Polizeigewahrsam

Dringend tatverdächtig ist in diesem Fall ein 27-jähriger Mann, der vis-a-vis des Rotlicht-Lokals in einem Gebüsch von Beamten der Bereitschaftseinheit und des Stadtpolizeikommandos Brigittenau aufgespürt wurde. Der 27-jährige hat sich bei seiner Festnahme aggressiv verhalten. Das erklärte der Sprecher der Landespolizeidirektion, Philipp Haßlinger, am Samstagvormittag. Er sei daher mit einem Taser außer Gefecht gesetzt, überwältigt und in Gewahrsam genommen worden. Er wies leichte Schnittverletzungen auf udie er sich bei der Tatausführung selbst zugefügt haben dürfte, und wurde zunächst in ein Spital verbracht.

Erst Samstagfrüh wurde er in den Polizeiarrest überstellt, wo mit der Beschuldigteneinvernahme begonnen wurde. Angaben zur Verantwortung des Verdächtigen und einem möglichen Motiv gab es vorerst keine, da die Befragung des Mannes im Laufen war. Vermutlich war er der letzte Besucher in dem Club - ob er dort Dienstleistungen in Anspruch genommen hatte oder sogleich mit einem Messer auf die Frauen losgegangen war, ist zur Stunde völlig unklar.

Die Polizei war um 21.00 Uhr von einem Passanten bzw. Anrainer alarmiert worden, dem eine Blutspur aufgefallen war, die sich vom Eingangsbereich des Lokals bis auf die gegenüberliegende Straßenseite zog. Dort stießen die Einsatzkräfte auf den 27-Jährigen. „Er wollte sich in einem Busch verstecken und hatte ein Messer in der Hand“, berichtete Haßlinger.

Die Verletzungen, deretwegen er in die Unfallabteilung eines Spitals eingeliefert wurde, dürfte er sich bei den Kampfhandlungen mit den Frauen, die sich zumindest teilweise gewehrt haben sollen, selbst zugefügt haben. Die drei Frauen dürften nach ersten Erkenntnissen das einzige Personal gewesen sein, dass sich zum Tatzeitpunkt in dem Etablissement aufgehalten hatte. Außer dem 27-Jährigen dürfte sich keine weitere noch lebende Person in dem Asia Studio befunden haben.

Getötete Mutter und Tochter: Ehemann bzw. Vater gesucht

Noch keine Festnahme gibt es im Fall der getöteten Mutter und deren 13-jähriger Tochter in der Erdbergstraße. Die Mutter der 51-Jährigen hatte sich Sorgen gemacht und die Polizei verständigt, weil sie ihre Tochter nicht mehr erreichen konnte. Beamte öffneten Freitagfrüh die Wohnung und fanden die Frau und das Mädchen leblos im Vorraum vor. Als Todesursache gilt in diesem Fall stumpfe Gewalt, die beiden Opfer wurden womöglich erstickt oder erdrosselt. Gesucht wird der Ehemann bzw. der Vater, der seither von der Bildfläche verschwunden ist und insofern als möglicher Täter in Frage kommt. Er gilt nun als „Hauptverdächtiger“. Die Fahndung laufe „auf Hochtouren“, sagte Haßlinger.

SPÖ fordert Krisensitzung und nationalen Aktionsplan

SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner reagierte mit einem Appell an die Bundesregierung auf die jüngsten Femizide - am Freitag wurden in Wien an einem einzigen Tag fünf gewaltsam ums Leben gebrachte Frauen sowie ein ebenfalls mit Gewalt getötetes Mädchen von der Polizei aufgefunden. Holzleitner forderte in einer Aussendung eine Krisensitzung und einen Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz: „Wir trauern um die ermordeten Frauen, sind in Gedanken an die Hinterbliebenen und rufen auf, endlich einen Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz umzusetzen, um Frauenleben in Österreich zu schützen.“ Jede dritte Frau in Österreich sei von Gewalt betroffen, die Anzahl der Betretungsverbote steige jährlich, die Anzahl an Femiziden sei die höchste in Europa: „Es besteht dringender Handlungsbedarf.“

Ziel dieses Nationalen Aktionsplans Gewaltschutz müsse es sein, „einen permanenten Krisenstab von Justiz-, Frauen- und Innenministerium gemeinsam mit den Opfer- und Gewaltschutzeinrichtungen zu installieren und darüber hinaus flächendeckend Gewaltschutzambulanzen und regelmäßige multi-institutionelle bundesweite Gefährdungskonferenzen einzurichten“, sagte Holzleitner. Die von Österreich ratifizierte Istanbul Konvention müssten ernst genommen und die darin festgelegten Maßnahmen umgesetzt werden. „Der gestrige Tag ist ein schwarzer Tag für Frauen in Österreich“, meinte Holzleitner abschließend. (APA)

Hilfe und Unterstützung für Frauen

Hier finden Sie eine gesammelte Übersicht der Telefonnummern, die Frauen in Gewaltsituationen helfen. Sie wurden vom Wirtschaftsministerium zusammengestellt. Der Polizeinotruf ist 133. Die Rettung erreichen Sie unter 144. Internationaler Notruf ist 112.

Bei akuten Gewaltsituationen (kostenlos und 24/7 erreichbar)

Frauenhelpline: 0800/222 555
Hier sind Expertinnen rund um die Uhr erreichbar und bieten Ersthilfe und Krisenberatung. Bei akuter Gefahr wird rasch für Hilfe gesorgt.

Opfernotruf: 0800/112 112
Hier gibt es für von Gewalt Betroffene anonyme Hilfe durch Psychologen und professionell ausgebildete Helfer. Zudem wird Rechtsberatung angeboten.

Anlaufstellen und BeratungGewaltschutzzentren Österreich

Tel: 0800 / 700 217

www.gewaltschutzzentrum.at

Frauen und Kinder, die Gewalt in der Familie erleiden, können hier kostenlos und vertraulich mit Beratern sprechen.

Frauenhäuser

·        www.frauen-familien-jugend.bka.gv.at/frauen/anlaufstellen-und-frauenberatung/frauenhaeuser (Übersicht des Frauenministeriums)

·        www.aoef.at (Autonome Österreichische Frauenhäuser)

·        www.frauenhaeuser-zoef.at (Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser)

Frauenhäuser bieten Frauen, die Gewalt in der Familie erleiden, und ihren Kindern eine sichere Wohnmöglichkeit. Insgesamt gibt es rund 30 Frauenhäuser in Österreich, die in zwei Verbänden vernetzt sind (siehe Links). Die Häuser stehen allen von Gewalt betroffenen Frauen offen. Einkommen, Nationalität oder Religion spielen keine Rolle.

Notruf Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen: 01/523 22 22

www.frauenberatung.at

Diese Wiener Beratungsstelle steht Mädchen und Frauen offen, die von sexueller Gewalt betroffen sind. Sie richtet sich auch an Familienangehörige, Kollegen, Lehrer oder Freunde Betroffener, die Rat brauchen. Auch rechtliche Schritte können besprochen werden.

Weißer Ring

www.weisser-ring.at

Die Verbrechensopferhilfe Weißer Ring bietet kostenfreie Rechtsberatung, schwerpunktmäßig bei Fragen zu Schadenersatz, Opferrechten und zum Verbrechensopfergesetz.

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