Wasserstoff

Wettrennen der Moleküle

Früh am Start: Toyotas Hydrogen-Racer ist die erste fixe Nennung für die neue H2-Serie in Le Mans ab 2027. Der Energieträger ist Wasserstoff, in dem Fall befeuert er einen Verbrennungsmotor.
Früh am Start: Toyotas Hydrogen-Racer ist die erste fixe Nennung für die neue H2-Serie in Le Mans ab 2027. Der Energieträger ist Wasserstoff, in dem Fall befeuert er einen Verbrennungsmotor. Werk
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Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, aber auch als weiterer technologischer Zankapfel. Forscher in Graz proben deshalb den schnellen Einstieg ins Thema – über den Rennsport.

Den Energiehunger der Welt zu beschreiben, dafür kann man im Kinderbuchvergleich die Raupe Nimmersatt heranziehen. Oder Zahlen. Die müssen aufgrund ihrer Größe abstrakt bleiben; die Nicht-Mathematiker unter uns lernen dennoch gern neue Begriffe oder Maßeinheiten, wie zum Beispiel: die Exawattstunde (EWh).

Sie benennt eine Trillion Wattstunden – eine Zahl mit achtzehn Nullen! –, oder anders gesagt: eine Million mal eine Million Kilowattstunden. Der weltweite Primärenergieverbrauch, und da sind wir beim stattlichen Appetit, liegt bei 125 EWh pro Jahr.

Es hat sehr viel mit Energie zu tun, auf welche Weise wir diese Mengen beziehen: nämlich auf bequeme, billige, eingespielte Weise. Denn das, was uns den geringsten (Energie-)Aufwand abfordert, ist das Verheizen von leicht zugänglichen, gut transportierbaren und immer noch reichlich vorhandenen Kohlenstoffträgern wie Kohle, Erdöl und Erdgas (mengenmäßig in dieser Reihenfolge).

Trotz einiger Anstrengung bei der alternativen Energiegewinnung wird diese Primärenergie zu mehr als vier Fünftel aus fossilen Brennstoffen gewandelt. Dieser Anteil ist in den ersten zwei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts gesunken, aber eher geringfügig: von 86 auf 82 Prozent. Im gleichen Zeitraum hat der globale Konsum fossiler Brennstoffen tatsächlich zugenommen: um 45 Prozent (Prognose bis 2050: plus 25 Prozent). Eine Umkehr der Dynamik ist mit freiem Auge also nicht erkennbar.

Fossiler Konsum steigt stark

Wie wir psychologisch damit umgehen, dass wir auf einer nur zur Hälfte fertiggestellten CO2-Hochschaubahn (die Bergab-Passagen fehlen noch ) streng himmelwärts blicken, und das wohl noch ein Weilchen, vermutlich Generationen lang, ist Feld philosophischer Debatten zwischen Ignorieren, Aktivismus und Techno-Optimismus (und natürlich auch ein Geschäftsfeld für Ablasshandel wie E-Autos und CO2-Zertifikate).

Toyotas Hydrogen-Racer ist noch nicht so fertig, wie es hier aussieht - der Direktverbrenner wird bei den 24 Stunden von Le Mans die Technologie unter Beweis stellen.
Toyotas Hydrogen-Racer ist noch nicht so fertig, wie es hier aussieht - der Direktverbrenner wird bei den 24 Stunden von Le Mans die Technologie unter Beweis stellen. Werk

Die Praktiker, die unverdrossen an Lösungen forschen und arbeiten, werden Ende April in der Wiener Hofburg zum 45. Mal zusammenfinden, um sich über die Zukunft des Kraftfahrzeugs auszutauschen – oder genauer: dessen Antrieb. Schließlich sind die großen Fragen der Welt Energiefragen, und ohne Energie kein Kraftfahrzeug.

Dem gesamten Verkehrssektor, also alles, was aus eigener Kraft fährt, schwimmt und fliegt, kommen 26 Prozent am globalen Primärenergieverbrauch zu. Man dreht also an keinem kleinen Rädchen.

Motorensymposium: Wasserstoff im Fokus

Das Wiener Motorensymposium, 1985 ins Leben gerufen, ist das weltweit führende seiner Art. Wie in den Jahren zuvor werden über 1000 Teilnehmer erwartet, aus der ganzen Welt angereiste Kapazunder ihrer Fächer, die in hunderten Vorträgen oft direkt aus dem Labor oder vom Prüfstand berichten. Bei einer Vorab-Pressekonferenz präsentierten die Veranstalter vergangene Woche das Motto der heurigen Ausgabe: „Macht Wasserstoff das Rennen?“

Allzu viele alternative Energieträger gibt es ja nicht, und einige Weichen in Richtung Wasserstoffmobilität, gar Wasserstoffgesellschaft wie in Japan, sind bereits gestellt. Somit lauten die zentralen Fragen, die in Wien verhandelt werden: Wie generiert, transportiert, verteilt man Wasserstoff, und wie setzt man ihn in Bewegung um?

Will man zum Beispiel Zonen hoher Energiedichte auf diesem Planeten zur fossilfreien Produktion heranziehen, wüstenartig und windumtost, so stellt man fest, dass dort naturgemäß nur wenige Menschen leben. Für weite Transportwege sind Stromleitungen aber ungeeignet, so kommt mit Wasserstoff ein molekulares Transport- und Speichermedium ins Spiel, in längerkettigen Molekülen als leicht transportierbares Methanol, Ethanol und Methan.

Wasserstoff muss nicht die Brennstoffzelle befeuern, er kann auch direkt verbrannt werden, was die technische Komplexität des Gesamtsystems etwas niedriger hält. Das ist teilweise schon in Anwendung und wird in schweren Nutzfahrzeugen (und in Flugzeugen) zweifellos eine Zukunft haben. BMW zeigte bereits vor bald 20 Jahren den Hydrogen 7, eine Oberklasselimousine mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor, von der 100 Stück gebaut wurden. Einen Nachfolger fand das Projekt aber nicht.

Ab 2027: Wasserstoff-Racer in Le Mans

Nun könnte der Rennsport als Vehikel zur Beschleunigung dienen. Ab 2027 wird beim Langstreckenklassiker von Le Mans die H2-Prototypen-Klasse am Start sein. Erster fixer Anwärter ist das Toyota-Team, das schon eine Studie zum Maßnehmen gebaut hat.

Aktuell führender Wasserstoff-Rennmotor von AVL in Graz: Bei der Leistung kommt auch Ferrari nicht mit.
Aktuell führender Wasserstoff-Rennmotor von AVL in Graz: Bei der Leistung kommt auch Ferrari nicht mit. Werk

Eifrig entwickelt wird auch bei AVL in Graz, wo der nach Hubraum wohl leistungsstärkste H2-Verbrenner der Welt munter auf dem Prüfstand röhrt: ein Zweiliter-Turbo-Vierzylinder, der über 450 Newtonmeter Drehmoment und eine Literleistung von 150 Kilowatt mobilisiert.

Zum Vergleich: Der 7er-BMW brauchte für seine 192 kW ganze sechs Liter Hubraum. Und bei Ferrari, wo man ebenfalls am H2-Verbrenner forscht, habe man bislang nicht mehr als 140 kW pro Liter herausgeholt, frohlocken die AVL-Ingenieure.

Weil AVL auch Elektrolyseure entwickelt, könne man Wasserstoff direkt an der Rennstrecke herstellen. Sobald jedenfalls der Umgang mit dem extrem reaktiven Energieträger unter Rennsportbedingungen im Griff ist, wären auch die Türen für andere Anwendungen weit aufgestoßen. Und darum geht es im Grunde.

Hochdruck

150 Kilowatt Literleistung ergeben knapp 410 PS aus zwei Liter Hubraum: Bestmarke für den AVL-Rennmotor aus Graz, der Wasserstoff direkt verbrennt.

191 Kilowatt mobilisierte BMW im Hydrogen 7 von 2005 mit sechs Liter Hubraum. Das entspricht einer Literleistung von 32 kW. Ferrari stehe derzeit bei etwa 140 kW Spitzenleistung, hört man in der Branche. Entwickelt wird dort für einen Einstieg in die H2-Klasse in Le Mans ab 2027.

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