Gericht

Bub in Hundebox gesperrt: Mutter bei Prozess teilweise geständig

Der Schwurgerichtssaal des Landesgerichts in Krems.
Der Schwurgerichtssaal des Landesgerichts in Krems. APA / Helmut Fohringer
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Die 33-Jährige bestreitet den Vorwurf des versuchten Mordes. Zu jenen des Quälens und Vernachlässigens sei sie geständig. Eine 40-Jährige gilt als mutmaßliche Komplizin der Frau. Sie muss sich wegen Bestimmung zur fortgesetzten Gewaltausübung verantworten.

Mit zahlreichen Zeugenbefragungen und dem Video der kontradiktorischen Vernehmung des Opfers ist am Dienstag in Krems ein Prozess um einen nunmehr 13-Jährigen fortgesetzt worden, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gepeinigt worden sein soll. Die 33-jährige Hauptangeklagte ist teilgeständig, bestreitet den ihr angelasteten Mordversuch. Einer möglichen Komplizin (40) wird fortgesetzte Gewaltausübung vorgeworfen, was sie teils in Abrede stellt.

Im Video der kontradiktorischen Vernehmung des 13-Jährigen berichtete der Bub über Streit und oftmalige Misshandlungen durch seine Mutter in der gemeinsamen Wohnung. Auch die Zweitangeklagte beschrieb er als „nicht so nett“. Generell zeigte sich das Kind in der rund 45 Minuten dauernden Aufnahme eher wortkarg.

Eindrücklich war am Dienstag die Aussage jener Sozialarbeiterin, die mit ihrem Einschreiten letztlich dafür gesorgt hatte, dass der damals Zwölfjährige im November 2022 ins Krankenhaus kam und überlebte. Die Frau hatte die Kindsmutter einst im Rahmen der ambulanten Elternberatung betreut, danach wurde der Kontakt gehalten.

Am 22. November 2022 hatte die Sozialarbeiterin abends ein „wirres und komisches Telefonat“ mit der Zweitangeklagten geführt, von der sie damals zum ersten Mal gehört hatte. Die 40-Jährige erzählte, dass sie ein Video geschickt bekommen habe, auf dem der Zwölfjährige „in bedenklichem Zustand“ zu sehen sei. Aufgrund anhaltender Nervosität der Anruferin entschied die Sozialarbeiterin, sich umgehend gemeinsam mit der 40-Jährigen zur Wohnung der Erstangeklagten zu begeben.

„Einfach nur surreal und skurril“

Die Situation vor Ort sei „einfach nur surreal und skurril“ gewesen, gab die Zeugin zu Protokoll: „Ich bin sehr erschrocken.“ Der Bub sei nicht ansprechbar gewesen und auf dem Boden gelegen. „Es war definitiv klar, dass er Hilfe braucht.“ Nach mehrmaligem Fordern der Sozialarbeiterin - zuletzt „laut und scharf“ - verständigte die Mutter die Rettung, regelrecht „mechanisch“ und ohne Emotionen.

Ein Kinderarzt, der den Buben auf Antrag der Staatsanwaltschaft Krems nach der Einlieferung ins Krankenhaus im November 2022 untersucht hatte, berichtete von einem vor allem anfangs sehr prekären Gesundheitszustand. Derzeit gehe es dem Buben aber körperlich wieder gut. Bereits am Montag sah eine Gutachterin beim nun 13-Jährigen die „Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird“. Vorliegend sei eine posttraumatische Belastungsstörung.

Nun lebt das Kind bei seinem Vater, der auch die alleinige Obsorge hat. Der Dreizehnjährige gehe gerne in die Schule und sei „der liebste Bub“, führte der 37-Jährige aus.

„Sehr abgemagert“

Eine ehemalige Lehrerin sagte im Zeugenstand, dass in der Schule im Herbst 2022 - trotz zahlreicher Fehltage - sehr wohl aufgefallen sei, dass das Kind „sehr abgemagert“ war. Am 25. Oktober sei seitens der Schule eine Gefährdungsmeldung versandt worden. Wenig später kam eine ebensolche Meldung eines Waldviertler Landesklinikums hinzu.

Zwei Vertreter der Kinder- und Jugendhilfe führten unangekündigte Hausbesuche bei Mutter und Sohn ins Treffen, datierend vom 28. Oktober und 18. November 2022. Zahlreiche Punkte wurden jeweils thematisiert, mit dem Buben alleine wurde aber nicht gesprochen. Vor allem beim zweiten Termin ortete ein Sozialarbeiter eigenen Angaben zufolge zwar Auffälligkeiten, aber „keine Grundlage für eine Gefahr-im-Verzug-Maßnahme“. Eine mehrere Themen umfassende Niederschrift sei aufgesetzt worden. Aufgetragen wurden darin beispielsweise eine neuerliche ärztliche Abklärung sowie eine Begutachtung durch eine Psychologin des Landes mit Termin am 30. November, zu der es aber nicht mehr kam.

Seitens der Kinder- und Jugendhilfe wurde im Vorjahr betonte, dass eine sofortige Prüfung der internen Abläufe nach Bekanntwerden des Falls ergeben habe, dass „alle Vorgaben eingehalten wurden“. Eine sechsköpfige, unabhängige Expertengruppe wurde eingesetzt. Die Tätigkeit sei in der „finalen Phase“, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro der niederösterreichischen Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Ein genauer Zeitpunkt für die Präsentation des Abschlussberichts stand aber noch nicht fest.

„Beinahe zu Tode gequält“

„Zwei Frauen haben ein Kind beinahe - Gott sei Dank nur beinahe - zu Tode gequält“, hatte die Staatsanwältin beim medial stark beachteten Prozessauftakt am Montag zu dem Fall gesagt. Die 33-jährige Alleinerzieherin soll ihren Sohn zumindest von Juli bis November 2022 u.a. geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben. Zudem soll sie das Kind hungern haben lassen.

Festgenommen wurde die Frau am 24. November 2022. Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige mögliche Komplizin die Handschellen. Sie und die Kindsmutter waren über Jahre hinweg sozusagen ziemlich beste Freundinnen. Die Waldviertlerin soll der Erstangeklagten darüber hinaus wiederholt Anweisungen zur Bestrafung des Buben gegeben haben, was von der 40-Jährigen freilich zum Großteil bestritten wurde.

Körpertemperatur von knapp 27 Grad

Zugespitzt hat sich die Sachlage dann rund um den 22. November 2022, auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vorwurf des versuchten Mordes. Die Mutter dürfte den damals Zwölfjährigen bei geöffneten Fenstern mit kaltem Wasser übergossen haben. Die Körpertemperatur des abgemagerten Burschen senkte sich auf 26,8 Grad ab, für das Alarmieren der Rettung sorgte die am Dienstag befragte Sozialarbeiterin. Das Kind wurde in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt.

Weitere Anklagepunkte in Bezug auf die Mutter des Buben sind Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie Freiheitsentziehung. Für die 33-Jährige wurde außerdem seitens der Staatsanwaltschaft Krems so wie für die Zweitangeklagte die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt. Die Mutter bestritt den Vorwurf des versuchten Mordes, war aber zu den beiden weiteren Punkten geständig. Die Zweitangeklagte bekannte sich schuldig, schränkte diese Verantwortung aber danach bei ihrer Befragung am Montag stark ein.

Lebenslange Haft droht

Die Mutter könnte im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes bis zu lebenslange Haft ausfassen. Die Strafdrohung für die mögliche Komplizin wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin beträgt nach einer am Dienstag erfolgten Ausdehnung der Anklage aufgrund schwerer Dauerfolgen bei dem Buben bis zu 15 Jahre.

Fortgesetzt wird die Verhandlung am Donnerstag. Vorgetragen wird an diesem Tag das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Peter Hofmann, danach dürften die Schlussplädoyers in Szene gehen. Auch die Urteile werden erwartet. (APA)

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