Sportgerät

Zu billig für eine Laufuhr? Performance statt Posing

Das „Look and Feel“ bleibt hinter den inneren Werten zurück.
Das „Look and Feel“ bleibt hinter den inneren Werten zurück. Tom Rottenberg
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Obwohl seit 2016 auf dem Markt, kennt bis heute kaum jemand die Laufuhren von „Coros“. Zu unrecht: Für ziemlich wenig Geld bekommt man mit der „Pace“ richtig viel Sport-Uhr. Bloß zum Protzen taugt das unscheinbare Gerät nicht.

Mit welcher Uhr läuft eigentlich Eliud Kipchoge? Und falls Sie jetzt sagen, dass das eine unsinnige Frage ist, weil Kipchoge – der erste Mensch, der die Marathondistanz von 42,2 Kilometern in weniger als zwei Stunden gelaufen ist –, sicher mit superaufwendiger und zum einen wohl unerschwinglicher und zum anderen für „Normalos“ wohl unnützer, weil vollkommen überzüchteter Raketentechnik unterwegs ist: falsch, ganz falsch.

Ja, die Lauf-Weltelite trägt Schuhe, die – wenn überhaupt im Handel erhältlich – 400 und mehr Euro kosten, obwohl sie gerade einmal 100 oder 200 Kilometer halten. Bei den Uhren ist das aber anders: Da zählt Leichtigkeit und Einfachheit – und Reduktion auf das Wesentliche. Die fetten „Prater“, diese Wunder-Wecker, die neben der Trainingsaufzeichnung und -analyse auch Mondphasen und Gezeiten, Atemübungen und Stress-Analyse „können“, die beim Golfen ebenso wie beim Fallschirmspringen helfen und darüber hinaus noch Zyklus, Eisprung und Wetter vorhersagen, Musik machen und sogar bezahlen können, sucht man bei Spitzenläufern und -läuferinnen vergebens.

Ohne Mondphasen, Wetterprognose und Bezahlfunktion

Im Gegenteil: Mitunter sieht das, was – speziell die afrikanische – Elite am Handgelenk trägt aus, als wäre es vom Wiener Mexikoplatz, vom Altwarenhändler oder aus dem Kaugummiautomaten. Nur: Allem Anschein nach genügt das auch, um grandios zu laufen. Denn es gibt gerade bei den Sporttrackern einen Unterschied zwischen „Performance“ und „Posing“ – und Spitzenathleten achten darauf achten, Ballast zu vermeiden. So lustig der auch sein mag: In die Verlegenheit, die Uhr als Taschenlampe verwenden zu müssen, kommen zwar auch Amateure so gut wie nie – aber wenn man schon 800, 900 oder mehr Euro für einen Sportwecker ausgibt, will man mit dem, bitte, schon auch ein bisserl auftrumpfen können. Und zwar auch Leuten gegenüber, die von Laufen und Sport keine Ahnung haben: Denen zeigt man dann per fetter Sportuhr auch im Alltag, aus welchem Holz man geschnitzt ist.

Doch mit Eliud Kipchoges Uhr geht das so gar nicht. Der kenianische Ausnahmeläufer ist nämlich mit Hardware unterwegs, die – zumindest in ihren ersten Versionen – tatsächlich eher nach Kaugummiautomat denn nach Weltmeister aussah. Kipchoge trug ein unscheinbares, mageres, schmales Ührchen am Handgelenk. Mit einem unauffälligen, fast langweilig, eigentlich ja sogar billig wirkenden Plastikuhrband. Einer Uhr mit nur einem einzigen Druckknopf – über dem aber ein klobiger Knebel saß. Doch bevor man darüber spötteln konnte, wozu dieser Dreh-Knopf (muss man das Ding etwa noch aufziehen?) dienen könnte, tauchte meist eine ganz andere Frage auf: die nach der Marke.

Eliud Kipchoge bei seiner Ankunft zur Verleihun des Princess-of-Asturas-Awards im Oktober 2023 in Oviedo.
Eliud Kipchoge bei seiner Ankunft zur Verleihun des Princess-of-Asturas-Awards im Oktober 2023 in Oviedo.APA / AFP / Miguel Riopa

Sportuhren – also ernstzunehmende Sport-Tracker – kommen nämlich von drei, vielleicht ja dreieinhalb, Marken: Garmin, Polar und Suunto. Eventuell auch noch Fitbit. Und ja, Apple, Samsung und Co. versuchen, mit ihren Smartwatches in diesem Markt Fuß zu fassen. Aber das Teil, mit dem Kichpoge läuft, würde die Marketingabteilung aller Tech-Marken den Designer umgehend zurückschmeißen: Mit diesem „Look and Feel“ macht man in den relevanten Lifestyle-Märkten nämlich keinen Fitness-Meter.

Doch dort will die knapp 30 Gramm leichte, nur 11 Millimeter dünne Uhr gar nicht hin. „Coros“, so heißt die Marke, ist im Lifestyle-Universum nach wie vor unbekannt. Und obwohl neben Eliud Kipchoge auch Traillegende Kilian Jornet die Uhren aus Kalifornien trägt, hat auch in der Masse der Hobbysportlerinnen und -sportler die satte Mehrheit vermutlich noch nie von Coros gehört.

Aus Kickstarter-Programm entstanden

Daher nur kurz und knapp: 2016 entstand die Marke im Rahmen einer Kickstarter-Kampagne für einen Fahrradhelm. Ab 2018 fokussierte man auf leistbare, aber hochwertige und GPS-fähige Sportuhren. Mit der „Pace“ stellte man ab Beginn der 2020er-Jahre den etablierten Mitbewerb vor eine echte Herausforderung – zumindest was Performance und Preis anging. Denn für (damals) deutlich unter 200 Euro konnte die Coros Pace schon so gut wie alles, was man zum Sporteln tatsächlich braucht: Pulsmessung am Handgelenk, GPS, Zeitnehmung und Trägheitssensoren – und davon abgeleitet auch schlaue Funktionen, Apps und Widgets, mit denen man neben Laufen und Radfahren auch Schwimmen und etliche andere (anfangs waren es „nur“ um die 15) Sportarten tracken und analysieren kann. Trainingsplanung, Intervalle & Co. inklusive. Unterschiedliche „Gesichter“ und Einstellungen wurden, über die App geladen, die Daten via Bluetooth (oder daheim per WiFi) laufend upgedatet – und die „Pace 2“ beherrschte dann auch schon „gehobene“ Features wie das Erfassen der Laufleistung. Auch die „smarte“ Anbindung ans Handy, also das Empfangen von Nachrichten in Echtzeit, ging klaglos.

Doch trotz Kleinheit und minimalem Gewicht war der Akku stark genug, weit mehr als einen Marathon durchzuhalten. Auch wenn man dafür drei oder vier Mal so lange wie Eliud Kichpoge brauchte.

Das „Aber“ war dann eben der Look. Das Styling. Die Farben waren mau, das Display strahlte nicht, die Haptik wirkte billig. Dass die „Pace“ hart im Nehmen war, wollte man dem fragil wirkenden Ding nicht zutrauen – schon gar nicht, wo Tracker der Konkurrenz, die in etwa so viel konnten, nicht nur deutlich dicker, schwerer und robuster daherkamen, sondern auch locker das Doppelte kosteten.

Anbindung an Strava & Co. klappt klaglos

Hinzu kam: Auch wenn die Anbindung der Coros-App an die gängigen (markenübergreifenden) Trainings- und Sportplattformen wie Strava oder TrainingPeaks seit jeher klaglos funktionierte, hatte Coros immer damit zu kämpfen, dass man als Newbie erst einmal alles beweisen muss. Gleich gut wie die Platzhirsche zu sein, hilft nicht viel: In dieser Welt ist die Markentreue hoch ist. Dafür sorgen die Brands unter anderem dadurch, dass sie es Usern möglichst schwer machen, das „Ökosystem“ der jeweiligen Marke zu verlassen, ohne die eigene, oft jahrelange Trainingsdokumentation zu verlieren.

Und da war noch etwas: Der Knubbel an der Zwei-Uhr-Position. Der ist tatsächlich das, wonach er aussieht: Eine heute fast antik wirkende Dreh-Krone. Natürlich muss man die Pace nicht aufziehen. Aber auch wenn die Idee, sich mit dem Krone durch Menüs und Funktionen statt nicht zu klicken/tippen, sondern zu rollen, schlau ist und nach einer kurzen Umgewöhnung super funktioniert: Das bricht mit lange eingeübten Traditionen. Noch eine Hürde.

Der Preis: zu klein?

Bei alledem hilft der günstige Preis nicht wirklich. Im Gegenteil: Der schürte bei Vielen auf den ersten Blick sogar Skepsis.

Eliud Kipchoge als Marken-Testimonial war ein Geniestreich. Wieviel der Superstar für sein Bekenntnis bekommt, wird aber natürlich nicht kommuniziert. Aber: Das mittlerweile als „Pace 3“ auch in einer „Eliud Kipchoge“-Edition verfügbare Leichtgewicht ist farblich und ästhetisch deutlich gefälliger als die Vorgängerin. Und wurde um ein paar zentrale Sport- (Navigieren per „Bread-Crumbs“, also Richtungsanzeigen, etwa) und Lifestyle-Features (zum Beispiel Musik direkt ab Uhr auf kompatible Bluetooth-Kopfhörer) erweitert. Freilich: Bezahlfunktion gibt es nach wie vor keine auf der Uhr.

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Auch wenn die „Pace 3“ mittlerweile um die 250 Euro kostet, ist sie immer noch signifikant günstiger als so gut wie alle annähernd in dieser Leistungsliga spielenden Uhren der „Großen“. Heute kann man mit der „Pace“ in ambitionierten Läuferkreisen auch schon ein anerkennend-verschwörerisches „Ah, du kennst also mehr als nur die 0815-Brands“-Nicken einheimsen. Eines aber ist der Uhr weiterhin nicht möglich: Abseits der Trainingsreviere, in Bars, Clubs und Restaurants oder im Office, damit bei jenen Leuten Eindruck schinden, die keine Ahnung von Sport, Laufen und Eliud Kipchoge haben.

Aber: Wer will das schon?

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