Konzertkritik

Die neuen Majestäten aus England, The Last Dinner Party in Wien

Bevor The Last Dinner Party ihre Tour in Wien beschloss, bespielten sie noch Mailand.
Bevor The Last Dinner Party ihre Tour in Wien beschloss, bespielten sie noch Mailand.IMAGO/Mairo Cinquetti /SOPA Images
  • Drucken

Die Bühnenpräsenz der britischen Band The Last Dinner Party passt zu ihrem schwindelerregenden Aufstieg. Sie ist betont theatralisch – und trotzdem nicht gekünstelt.

Mit Puffärmeln oder Corsage war man gut ausgestattet, als die britische Band The Last Dinner Party ihre Tour in Wien beendete. Die hohe Dichte napoleonischer Stil-Merkmale deutete am Montagabend auf eine eingefleischte Fan-Gemeinde hin – was Sinn macht, denn das Konzert des Quintetts in der Grellen Forelle war schon ausverkauft, bevor der Hype um die Band über Großbritannien hinaus schwappte. Ihr Erstlingswerk „Nothing Matters“, hat sie im Frühling letzten Jahres veröffentlicht, im Februar folgte das Debüt-Album „Prelude to Ecstasy“.

Statt der geläufigen Last-Minute-Ticket-Verkäufer sah man vor dem Club ein paar traurige Gesichter, mit jeweils einem Stück Karton und der Aufschrift „Suche Ticket“. Locker hätten The Last Dinner Party ihr Konzert in eine größere Location hochverlegen können: Die Grelle Forelle fasst gerade einmal 550 Menschen, auf Spotify zählt die Band mittlerweile mehr als fünf Millionen Hörer. In so einem intimen Rahmen wird man Sängerin Abigail Morris und den Instrumentalistinnen Emily Roberts, Lizzie Mayland, Georgia Davies, Aurora Nishevci (auf Tour war auch noch eine Schlagzeugerin dabei) wohl nicht mehr begegnen. Und Morris wird keinerlei Mühe haben, auch große Hallen einzunehmen, das bewies sie einmal mehr in Wien.

Mäuschenstill vor der Ekstase

Zu majestätischen Klängen beschritt die Mittzwanzigerin im Brautschleier den Raum, begleitet vom Kreischen der mehrheitlich weiblichen und jungen Menge. Von da an gab sie das Zepter keine Sekunde mehr aus der Hand, regierte den Club mit Charme und einer Prise Zynismus. Sogar eine unerwartete Pause wusste sie keck zu füllen, als einmal kurz die Technik streikte: „The holy ghost is here“, witzelte sie, wedelte theatralisch mit den Armen, fast als wäre es einstudiert.

Wenn die Instrumente einmal aussetzten und Morris allein ins Mikrofon hauchte, etwa beim textlich findigen „Beautiful Boy“ (eingeleitet durch ein Flötensolo, aufgebauscht mit ätherischen Chören) oder der Herzschmerz-Ballade „On Your Side“, war auch das Publikum mäuschenstill. Dann konnte man die Stimme erst richtig vernehmen, die sonst im Instrumenten-Gemisch zu verschwinden drohte, was mehr an der ausbaufähigen Anlage als an der Darbietung selbst lag. Das Changieren zwischen trällerndem Operngesang und einer dreckigeren Version von Lana del Rey liegt Morris nämlich ausgesprochen gut. Ähnlich ambivalent sind auch die Blicke, mit denen sie das Publikum bezirzt.

In Umkehr wusste das Publikum bei biblischen Bezüglichkeiten („Burn Alive“) und modischen Maximen („Feminine Urge“) mitzubrüllen – die Mehrheit war auffallend textsicher– , wenn die Band in Ekstase geriet, Morris sinnenfroh Pirouetten drehte und um sie herum das Haar gewirbelt wurde. Bravourös wurden auch die vielen Akkord- und Rhythmuswechsel umgesetzt, Leadgitarristin Emily Roberts wusste durch die Songs zu tragen, mit zweierlei Rocksoli beeindruckte sie einmal mehr. Man hört die vielen Stunden, die sie – tatsächlich! – in einer Queen-Coverband verbracht hat. Im Aufbau erinnert etwa „Caesar on a TV Screen“ ein wenig an Queens „Doing Alright“, wie auch „Sinner“, das wie Abba beginnt, und gegen Ende mehr nach Nirvana klingt.

Nach knapp fünfzig Minuten war Schluss. Auch zur Zugabe ließ sich das Londoner Quintett nicht bitten, vielleicht mangels mehr Material. Stattdessen dröhnte „Money For Nothing“ von den Dire Straits aus den Boxen. Ganz nach alter Bühnenmaxime: „Always leave them wanting more.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.