Literatur

Danya Kukafka: Verliebt in einen Serienmörder?

Devon Munoz
  • Drucken

Danya Kukafka zeichnet in ihrem Roman „Notizen zu einer Hinrichtung“ das beklemmende Bild eines Menschen, der mit wenigen Chancen auf die Welt kommt.

Ansel Packer sitzt in einer Zelle. Er wartet auf die Vollstreckung seiner Hinrichtung, die in zwölf Stunden stattfinden soll. Er ist ein Serien-Frauenmörder. Packer hat es dennoch geschafft, bei einer Vollzugsbeamtin Emotionen zu erwecken: Mitleid? Verliebtheit? Ein nicht seltenes Phänomen. Die beiden haben jedenfalls den Plan, dass Ansel während des Transfers von der Vollzugsanstalt zum Hinrichtungsort fliehen soll.

Danya Kukafka zeichnet das beklemmende Bild eines Menschen, der mit wenigen Chancen auf die Welt gekommen ist. Drei Frauen sind es, deren Geschichte erzählt wird, und das Psychogramm Packers vervollständigen. Eine davon ist Lavender, seine Mutter, die Ansel als Siebzehnjährige bekommen hat, in einer Scheune, nur mit Johnny, dem Vater, als Geburtshelfer, ohne ärztliche Hilfe, ohne Hebamme, ohne irgendeine Frau, die eine Ahnung von Geburten gehabt hätte. Eine beunruhigende Situation, die nicht erklärt wird, aber die Geburt geht gut, Mutter und Kind überleben.

Johnny bestimmt, wer wann was essen darf

Auf sich allein gestellt bringt die Kleinfamilie die nächsten Jahre auf der Farm zu, die Johnnys Heimat ist. Lavender kommt nicht mehr weg, Johnny schottet sie von allem ab, er offenbart recht rasch sein wahres Wesen: herrschsüchtig, besitzergreifend, gewalttätig. Bald beginnt er auch die Lebensmittelkästen zu versperren. Er allein bestimmt, wer wann was essen darf. Ein weiteres Kind kommt auf die Welt, und Lavender zieht nach ein paar Monaten die Reißleine. Sie bringt Johnny dazu, mit ihr wegzufahren, die Kinder bleiben zu Hause, Johnny hält an einer Tankstelle, und da gelingt es Lavender, die Polizei zu rufen.

Als die Polizisten auf die Farm kommen, ist das Baby tot und der vierjährige Ansel höchst verstört. Das ist seine Ausgangsgeschichte, er muss folglich in ein Kinderheim, dort ist schon Saffy untergebracht, ein jüngeres Mädchen, das viele Jahre später die Laufbahn einer Polizistin einschlagen und einem Frauenmörder auf die Spur kommen wird – es ist Ansel.

Aus der Perspektive Ansels, dessen Kapitel mit den Stunden, die noch bis zur Hinrichtung bleiben, beziffert sind, Lavenders und Saffys erstellt Danya Kukafka mit mosaikartigen Splittern die Schicksale von Menschen, die auf schreckliche Weise miteinander verbunden sind. Die Autorin wertet nicht, sie erzählt nur, verbindet die Lebensstränge, löst durch Rück- und Vorschauen die Rätsel, die sie zuvor den Lesern aufgibt, und und das auf großartige und Gänsehaut erzeugende Weise. Verstörend und notwendig.

Danya Kukafka: „Notizen zu einer Hinrichtung“, ü. v. Andrea O‘Brian, Blumenbar, 348 S., € 23,50
Danya Kukafka: „Notizen zu einer Hinrichtung“, ü. v. Andrea O‘Brian, Blumenbar, 348 S., € 23,50

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.