Experiment

Kinder schaden im Bewerbungsprozess primär den Frauen

Betriebskindergarten der Wiener Städtischen, Kindergarten, Kinder

Foto: Clemens Fabry
Betriebskindergarten der Wiener Städtischen, Kindergarten, Kinder Foto: Clemens FabryClemens Fabry
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Ein Kind zu bekommen und großzuziehen, bedeutet für die Karriere der meisten Mütter einen (kurzen) Einbruch. Die Benachteiligung erleben sie – im Gegensatz zu den Vätern – bereits im Bewerbungsgespräch.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Arbeitswelt sind omnipräsent. Kürzlich wies der Equal Pay Day (heuer in Österreich am 14. Februar) auf die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern hin. Beim Thema Elternschaft spitzt sich die Lage weiter zu. Frauen müssen sich auch 2024 noch zwischen Kind und Karriere entscheiden. Doch wie ist es beim Ein- bzw. Umstieg in einen neuen Job? Ein Experiment unter Personalverantwortlichen, durchgeführt von einer Studentin des Masterstudiengangs Human Resource Management und Arbeitsrecht der FH Burgenland, zeigt: Im Zweifelsfall bekommt bei gleicher Ausbildung und Berufserfahrung ein zweifacher Vater eher den Job als eine zweifache Mutter.

Zwei Gruppen, ein Ergebnis

So erhielten 225 Personalverantwortliche von der Studierenden ein E-Mail mit der Bitte, Bewerbungsgespräch objektiv zu beurteilen. Diese erhielten sie in Form eines niedergeschriebenen Dialogs. Aus diesen Unterlagen und den ergänzenden Lebensläufen des fiktiven Bewerbers sollten sie ihre Schlüsse ziehen. Dass es sich um ein Diversity-Thema handelte, erfuhren die Teilnehmenden erst im Nachhinein. „Ich habe versucht, die Aufgabenstellung so objektiv wie möglich zu gestalten“, so die Absolventin. „Die fiktiven Personen bewarben sich um einen Job in der Buchhaltung, ein weder männlich noch weiblich dominiertes Arbeitsfeld.“

67 HR-Leiter nahmen sich Zeit, um am Experiment teilzunehmen. Dazu wurden sie in zwei Gruppen geteilt. „Die Experimentalgruppe erhielt die Bewerbungen von zwei Personen mit jeweils zwei Kindern, die Kontrollgruppe erhielt Bewerbungen von denselben Personen ohne Kinder.“ Dabei habe sich eindeutig gezeigt: In beiden Gruppen erhielt der Mann eher den Job als die Frau.

Männer erhalten leistungsbezogene Attribute

Für den Mann mit Kindern entschieden sich 81 Prozent der Befragten, für den Mann ohne Kinder mit 74 Prozent etwas weniger Recruiter. Überraschend sei gewesen, dass auch weibliche HR-Verantwortliche im Zweifelsfall den männlichen Bewerber wählen. Sie schließt aus dem Versuch, dass die Entscheidung – trotz ähnlichem Berufs- und Ausbildungshintergrund (und gleicher familiärer Situation) – deutlich auf den männlichen Bewerber fällt. Ihm werden eher leistungsorientierte Attribute wie etwa Entscheidungsfreudigkeit zugeschrieben, während der Bewerberin vorrangig sozio-emotionale Eigenschaften wie Loyalität zugesprochen werden.

Zudem schnüre die Mutterschaft Sorgen bei den Personalverantwortlichen bezüglich der Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Familiensituation werde zwar auch bei Männern erfragt, doch „weit weniger dem beruflichen Umfeld zugeordnet. Die Kinder fallen bei ihm unter Privates.“

HR-Abteilungen diverser aufstellen

Die Studienautorin ist selbst in einer Unternehmensberatung mit Diversity-Schwerpunkt tätig. Eine Möglichkeit, der Ungleichheit entgegenzuwirken sieht sie darin, Entscheidungsgremien in Unternehmen breiter aufzustellen. „Wenn HR-Abteilungen divers aufgestellt sind, gibt es die Chance, Voreingenommenheit in Entscheidungsprozessen zu entkräften. Außerdem darf man den Einfluss der „Hiring Manger“ – also der Personen in den Unternehmen, die den Bewerbenden in ihre Abteilungen aufnehmen, nicht unterschätzen.“ Diversität im gesamten Unternehmen wäre ihren Aussagen zufolge der Schlüssel zu mehr Chancengerechtigkeit in der Arbeitswelt. (ere)

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