Kommentar

Eine liberale Partei macht ihren Job – und wird dafür abgewatscht

Die Baumwollpflücker im indischen Khargone stehen am Anfang der Lieferkette in der Textilindustrie.
Die Baumwollpflücker im indischen Khargone stehen am Anfang der Lieferkette in der Textilindustrie. imago images/Joerg Boethling
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Wirtschaftsliberale wie die deutsche FDP oder auch der österreichische Wirtschaftsminister Martin Kocher müssen sich einiges dafür anhören, dass sie das Lieferkettengesetz blockieren. Hätten sie dafür gestimmt, hätten sie ihren Job verfehlt.

Das EU-Lieferkettengesetz liegt auf Eis – und es wird immer unrealistischer, dass es umgesetzt wird. Am Mittwoch stand es auf der Tagesordnung der ständigen Vertreter der EU-Staaten. Deutschland hatte sich auf Druck der FDP enthalten, ebenso Österreich sowie ein paar andere Länder, darunter dem Vernehmen nach Italien. Jedenfalls wurde die Abstimmung einmal mehr vertagt. Bereits im Februar war eine Abstimmung mangels Einigkeit vertagt worden.

Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollen mit der Lieferkettenrichtlinie zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie beispielsweise von Kinderarbeit in Ländern außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssten laut dem aktuellen Entwurf außerdem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell mit der Einhaltung der Klimaziele vereinbar ist.

Haften für Fehlverhalten von Geschäftspartnern

Wirtschaftsminister Kocher begründet die Position Österreichs damit, dass fast alle Betriebe in Österreich Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sind und dass mit dem Lieferkettengesetz viele der Pflichten und Haftungsrisiken auf kleine und mittlere Betriebe überwälzt würden. Laut dem aktuellen Entwurf müssten Unternehmen für Fehlverhalten von indirekten Geschäftspartnern haften, mit denen kein Vertragsverhältnis bestehe und die sie nicht kennen. Der Entwurf sei daher nicht zustimmungsfähig, heißt es aus seinem Büro.

Das Lieferkettengesetz verfolgt ein moralisch schönes Ziel, gegen das zunächst einmal niemand etwas haben kann: Die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in ärmeren Ländern. De facto aber wird hier die Verantwortung von Staaten, denen das nicht gelingt, auf Unternehmen übertragen. Ausufernde Kontrollen und bürokratische Auflagen sind die Folge.

In Deutschland, wo es bereits seit 2023 ein Lieferkettengesetz gibt, zeigen sich bereits die negativen Folgen: In einer Umfrage unter Industriebetrieben sagten 92 Prozent, dass der bürokratische Mehraufwand „sehr hoch“ oder „hoch“ sei.

Ultimative Blockadepartei

Es ist daher nur naheliegend und richtig, dass die wirtschaftsnahe FDP Druck auf die Koalitionsparteien SPD und Grüne gemacht und sie zur Blockade des EU-Lieferkettengesetzes gedrängt hat. Es dürfte nun entschärft werden. Dafür mussten sich die Liberalen so einiges anhören: „Wieder einmal die FDP“, kommentierte etwa Anfang Februar die „Süddeutsche Zeitung“. Die FDP hat sich den Ruf der ultimativen Blockadepartei eingehandelt.

Dabei macht die FDP hier nur ihren Job: Eine wirtschaftsliberale Partei, die dem Lieferkettengesetz in seiner derzeitigen Form mir nichts dir nichts zustimmen würde, würde ihrer Aufgabe nicht gerecht.

Zumal sich bereits abzeichnet, dass das Gesetz nicht einmal seinen Zweck erfüllen würde: In der zitierten Umfrage gab jedes vierte Unternehmen in Deutschland mit mehr als 3000 Beschäftigten an, bereits die Anzahl seiner Zulieferer zu reduzieren. 14 Prozent würden bereits den Rückzug aus risikoreichen Landern erwägen.

Es besteht also die Gefahr, dass genau jene Entwicklungs- und Schwellenländer, die vom Gesetz profitieren sollen, am Ende schlechter aussteigen.

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