Langzeitfolgen

„Echtes“ Long Covid kommt sehr selten vor

Vom Post-Covid-Syndrom Betroffene leiden an einer Reihe von Symptomen wie etwa leichte Erschöpfbarkeit, Herzrasen und Kurzatmigkeit, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen sowie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.
Vom Post-Covid-Syndrom Betroffene leiden an einer Reihe von Symptomen wie etwa leichte Erschöpfbarkeit, Herzrasen und Kurzatmigkeit, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen sowie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.Reuters / Susana Vera
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Nur 1,4 Prozent der Infizierten haben auch drei Monate nach der akuten Erkrankung relevante Beschwerden. In absoluten Zahlen ist das dennoch viel. Eine kausale Behandlung gibt es nicht, bekämpft werden die Symptome.

Wer am Post-Covid-Syndrom leidet, also an „echtem“ Long Covid mit Beschwerden, die auch drei Monate nach der akuten Erkrankung vorhanden sind, kann häufig weder einer geregelten Arbeit nachgehen noch den Alltag ohne Hilfe bewältigen. Diese Personen werden brutal aus dem Leben gerissen. Rund 200 Symptome kann dieses Syndrom umfassen, von leichter Erschöpfbarkeit, Herzrasen und Kurzatmigkeit über Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen bis hin zu Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.

Aber: Die wenigsten, die sich mit Sars-CoV-2 infizieren, entwickeln dieses Syndrom. Nach bisherigen Erkenntnissen, die insbesondere auf Zahlen aus Finnland basieren, sind es 1,4 Prozent der Erkrankten – im Wesentlichen unabhängig davon, wie schwer die akute Erkrankung verlief. Alle anderen Infektionen heilen vollständig ab. Auch wenn die Genesung mehrere Wochen andauern und individuell sehr mühsam sein kann. Darauf wies Susanne Rabady, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin sowie Leiterin des Kompetenzzentrums Allgemein- und ­Familienmedizin an der Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, bei einem Pressegespräch am Mittwochvormittag hin. „Es ist nicht nötig, ängstlich zu sein“, sagt die Hausärztin. „Wir sind hier, um den Patienten die Angst zu nehmen.“

Unangenehm und belastend

Symptome, die auch acht oder zehn Wochen nach der akuten Erkrankung nicht verschwunden sind, seien natürlich unangenehm und belastend, bedeuteten aber nicht, dass sich daraus ein Post-Covid-Syndrom entwickeln wird. Kritisch werde es erst ab den genannten zwölf Wochen. Und ab rund sechs Monaten könne davon ausgegangen werden, dass die Beschwerden sehr lang, also mehrere Jahre anhalten werden.

Umso wichtiger sei eine frühzeitige ­Diagnose inklusive vorgegebenem Versorgungspfad, der alle relevanten Fächer einschließt, also interdisziplinär konzipiert ist. Und da die meisten Patienten zunächst ihre Hausärzte aufsuchen, wurde für sie schon vor längerer Zeit eine Leitlinie erarbeitet, die ständig erweitert wird. Mittlerweile hilft dieses Online-Tool den Hausärzten nicht nur bei der Differenzialdiagnose, also beim Ausschließen von beispielsweise psychosomatischen oder anderen medizinischen Problemen, die nichts mit der Corona-Infektion zu tun haben, sondern auch bei der Behandlung. Diese kann in Ordinationen ebenso erfolgen wie in Spitälern – je nachdem, an welcher Stelle im Gesundheitssystem die beste Betreuung möglich ist. Infrage kommen symptomatische Behandlungen, denn eine kausale Behandlung von Post Covid gibt es nicht. Eine der wichtigsten Behandlungsformen ist das sogenannte Pacing, also das konsequente Schonen bzw. Niedrighalten des Pulses mittels Pulsmesser, weil ein erhöhter Puls die genannten Long-Covid-Symptome verstärkt.

Vieles noch immer ungeklärt

Die Frage, wie viele von den 1,4 Prozent vollständig genesen werden, könne derzeit nicht seriös beantwortet werden, dazu gebe es schlichtweg zu wenig Evidenz, sagt Rabady. Und verweist darauf, dass das Phänomen der Spätfolgen nicht nur auf Covid-19 beschränkt ist, sondern auch bei anderen Viren wie etwa dem Influenza- und Epstein-Barr-Virus (löst das Pfeiffersche Drüsenfieber aus) vorkommt. Wahrscheinlich sei das Risiko für Spätfolgen bei Sars-CoV-2 auch nicht wesentlich höher als bei den genannten und anderen Viren, ergänzt Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte. Aber weil sich so viele Menschen mit dem Coronavirus anstecken, vor allem wegen seiner hohen Ansteckungsfähigkeit, sei die absolute Zahl dann doch recht hoch, bisher dürfte es in Österreich mindestens 110.000 Menschen getroffen haben.

Wutscher fordert daher einmal mehr, dass sowohl Impfungen als auch Schnelltests sowie antivirale Medikamente wie etwa Paxlovid und Tamiflu noch einfacher und nach Möglichkeit kostenlos in Ordinationen abgegeben werden können, damit Patienten so schnell wie möglich bzw. schon präventiv (Impfung) versorgt werden. Gemeint ist also vor allem der Ausbau von ärztlichen Hausapotheken und die (derzeit nicht bestehende) Möglichkeit, sich in Ordinationen kostenlos auf das Influenza- und RS-Virus zu testen.

Was hinter Post Covid steckt, ist noch immer nicht restlos geklärt. Eine gängige These lautet, dass sich Rückstände von Viren in den Atemwegen oder im Magen-Darm-Trakt befinden, die das Immunsystem stimulieren und schwelende Entzündungen nach sich ziehen, die lange Zeit keine Beschwerden verursachen, aber im Verborgenen Schaden anrichten. In der Lunge ebenso wie in anderen Organen wie etwa der Leber, der Niere, im Magen-Darm-Trakt (Durchfall als typisches Symptom) und im Herz mit Herzmuskelentzündungen als Folge. Der Hintergrund ist jedenfalls immer eine unkontrollierte Immunantwort. Diese als Zytokinsturm bezeichnete Entzündung ist in allen Altersgruppen beobachtbar, auch bei Kindern.

»Es ist nicht nötig, ängstlich zu sein. Wir sind hier, um den Patienten die Angst zu nehmen.«

Susanne Rabady

Hausärztin und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin

»Ein niederschwelliger Zugang
bedeutet: keine unnötigen Wege beim Impfen.«

Edgar Wutscher

Hausarzt und Vizepräsident der Ärztekammer

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