Länder-Treffen

Bodenstreit zwischen ÖVP und Grünen eskaliert

Die Regierung will den Bodenverbrauch massiv eindämmen, braucht dafür aber die Zustimmung von Ländern und Gemeinden
Die Regierung will den Bodenverbrauch massiv eindämmen, braucht dafür aber die Zustimmung von Ländern und Gemeinden APA / Harald Schneider
  • Drucken

Länder und Gemeinden beschlossen im Alleingang eine Bodenstrategie – ohne das von der Regierung geplante 2,5-Hektar-Ziel. Die Grünen nennen die ÖVP-Ansagen „Fake News“, ein Beschluss könne ohne Bund nicht erfolgen.

Seit vier Jahren steht das Ziel, den Bodenverbrauch in Österreich massiv zu begrenzen, im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen, schon mehrfach fanden dazu – erfolglos – Verhandlungsrunden mit den für Raumordnung zuständigen Ländern und Gemeinden statt. Doch wenige Monate vor dem Ende der türkis-grünen Regierungsperiode kam zuletzt wieder Schwung in die Angelegenheit, die neben dem Klimaschutzgesetz das größte Anliegen der Grünen in der verbleibenden Periode ist. Hintergrund: Im Koalitionsprogramm wurde eine „österreichweite Bodenschutzstrategie für sparsameren Flächenverbrauch“ versprochen – und zwar mitsamt „Zielpfad zur Reduktion des Flächenverbrauchs auf netto 2,5 Hektar pro Tag bis 2030“. Dieser durchschnittliche Wert wird derzeit um ein Vielfaches überschritten, daher wird seitens des Bunds an verbindlichen Zielen für Länder und Gemeinden gearbeitet.

Kogler startete Briefwechsel

Aufgeflammt ist das Thema in der vergangenen Woche, als Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler einen offenen Brief an Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner schrieb: „Ich bitte dich als aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, positiv auf deine Kollegen in den Bundesländern einzuwirken und die Bundesregierung dabei zu unterstützen, das im Regierungsprogramm festgehaltene Ziel der verbindlichen Begrenzung des täglichen Bodenverbrauchs (…) zu erreichen“, so Kogler.

Auch Mikl-Leitner schrieb daraufhin einen Brief an Kogler, in dem sie erklärte, dass er bedenken müsse, dass für Kindergärten, Wohnbau und andere wichtige Anliegen weiterhin neue Flächen verbraucht werden müssten. Darauf antwortete wiederum Kogler, dass man „mit den gewidmeten und brachstehenden Flächen für sozialen Wohnbau, neue Kindergärten und sinnvolle Gewerbe- und Industrieflächen leicht das Auslangen finden“ könne. Neuer Flächenverbrauch sei also nicht nötig. Kogler zu Mikl-Leitner: „Weniger altes Denken und weniger neuen Beton, das müssen auch die Landeshauptleute und zuständigen Landesrätinnen und Landesräte verstehen.“

Grüne ausgebootet

Apropos Landesräte: Die trafen sich am Donnerstag in Linz auf Einladung des oberösterreichischen Landesrats Markus Achleitner (ÖVP) gemeinsam mit Vertretern von Städte- und Gemeindebund zur „ersten gesamtösterreichischen Raumordnungstagung“. Welche Länder für und welche gegen die Umsetzung der fixen Ziele bis 2030 sind, war im Vorfeld unklar; die Grünen erklärten zuletzt immer wieder, dass es aufseiten der Länder auch Unterstützer für ihr Ansinnen gebe. Als Beleg dafür diente vor der Sitzung ein aufgetauchter Brief der Salzburger Landesregierung an die Raumordnungskonferenz, er liegt der „Presse“ vor. In dem Schreiben, das vom Herbst 2023 stammt, ist nämlich unter anderem die Rede davon, dass EU-Ziele für einen Netto-Bodenneuverbrauch von null „auch für die Umsetzung der österreichischen Bodenstrategie (2,5 Hektar pro Tag bis 2030) als positiv erachtet werden“. Und vor allem steht dort: „Aus Salzburger Sicht wird die Ausarbeitung von Zielwerten für die einzelnen Bundesländer ausdrücklich begrüßt.“

Am Donnerstagnachmittag, als Achleitner die Ergebnisse des von ihm einberufenen Treffens verkündete, war davon keine Rede mehr. Der ÖVP-Politiker erklärte nämlich, dass man eine „Bodenschutzstrategie“ beschlossen habe – das 2,5-Hektar-Ziel kommt darin allerdings nicht vor. Dass man dabei den Bund und speziell die Grünen – von denen laut Partei kein Vertreter anwesend war – ausbootete, erklärte Achleitner so: Die Raumordnungskonferenz (Örok) mit Bund, Ländern und Gemeinden, in der die Zielsetzung eigentlich verhandelt wird, sei „ein Verein, der keine verfassungsmäßigen Kompetenzen besitzt“. Diese lägen hingegen bei den Ländern, die seien schließlich für die Umsetzung der Raumordnung zuständig. Sohin habe man nun einstimmig eine neue Strategie beschlossen, die von „Vernunft und Pragmatismus“ geprägt sei – und nicht von „ideologischen Luftschlössern“ der Grünen.

Stephan Pernkopf, ÖVP-Landesrat und Vizelandeshauptmann in Niederösterreich, sekundierte: „Eine absolute Zahl schützt noch keinen Hektar Boden.“ Man würde nun also auf Landesebene mit der Umsetzung der Strategie beginnen, die dem Motto „Boden schützen und Zukunft ermöglichen“ entspreche. Einmal mehr war dabei die Rede von der notwendigen Abwägung zwischen wirtschaftlichen Interessen und Naturschutz. Als Ziele sieht die Strategie der Länder den Schutz von Grünland, eine Unterbindung von Zersiedelung, effiziente Innenentwicklung und bestmögliche Nutzung der Baulandbestände vor.

Grüne: „Fake News“

Die Grünen reagierten am Donnerstag bestürzt auf die Ergebnisse, die sie grosso modo aus den Medien erfuhren. Kogler ließ über eine Sprecherin ausrichten, dass keine Sitzung der Raumordnungskonferenz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden – in der Einstimmigkeitsprinzip herrsche – stattfand und daher „auch kein Beschluss gefasst wurde“. Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer formulierte es deutlich schärfer: „Heute feiert sich Landesrat Markus Achleitner mit Fake News vor den Medien für den Beschluss eines zahnlosen Papiertigers.“ Voglauer: „Er dürfte vergessen haben, dass ein Beschluss der Bodenstrategie ohne die Raumordnungskonferenz gar nicht möglich ist.“ Zudem beklagt sie das Fehlen des „verbindlichen Ziels von 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag“.

Schützenhilfe vom türkisen Koalitionspartner bekamen die Grünen keine – trotz des Bekenntnisses im Regierungsprogramm. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) erklärte: „Es ist erfreulich, dass jetzt überparteilicher Konsens bei den für die Raumordnung zuständigen Akteuren für die erste Österreichische Bodenstrategie herrscht.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.