Gericht

Kind in Hundebox gesperrt: 20 Jahre Haft für Mutter

Die Verhandlung um den Buben, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt wurde (dieser „Käfig“ war auch im Gerichtssaal zu sehen, siehe Bild) endete am Donnerstag.
Die Verhandlung um den Buben, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt wurde (dieser „Käfig“ war auch im Gerichtssaal zu sehen, siehe Bild) endete am Donnerstag.APA/Ch. Eckl
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In Krems endete am Donnerstag der Prozess gegen jene Mutter, die ihren zwölfjährigen Sohn beinahe zu Tode gequält haben soll. Sowohl die 33-Jährige als auch eine 40-jährige Freundin, die an den Quälereien beteiligt gewesen sein soll, wurden schuldig gesprochen. Sie müssen für 20 und 14 Jahre in Haft.

Krems. „Die beiden Frauen“ hätten den Buben „zerstört – zumindest seelisch“. Das betonte die Staatsanwältin am Donnerstag in ihrem Plädoyer im Landesgericht Krems. Und: „Es hat einige Wochen und Monate gedauert, bis auch wir als Ermittlungsbehörden das volle Ausmaß dieser Tat erkannt haben.“ W., die Mutter des Kindes, habe auch den Tod des damals Zwölfjährigen in Kauf genommen.

Der 33-Jährigen wurden außer Mordversuch auch Kindesmisshandlung und Freiheitsentziehung angelastet. Sie soll ihren Sohn geschlagen, getreten, misshandelt und immer wieder in einer Hundebox eingesperrt haben. Auch soll sie ihn dabei, im November 2022, regelmäßig bei offenem Fenster mit kaltem Wasser übergossen haben. Mitangeklagt war, wie berichtet, eine Freundin der Frau, B. (40). Der mutmaßlichen Komplizin wurde fortgesetzte Gewaltausübung vorgeworfen. B. soll der Mutter immer wieder Anweisungen zu den Quälereien des Buben gegeben haben.

Beide Frauen wurden am späten Donnerstagabend in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Sie müssen für 20 und 14 Jahre in Haft und sollen zudem in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen werden. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Verurteilt wurde die Mutter wegen versuchten Mordes, Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie wegen Freiheitsentziehung. Die Hauptfrage nach versuchtem Mord wurde von sieben der acht Geschworenen nach rund siebenstündiger Beratung bejaht, die beiden weiteren Punkte einstimmig. Die ehemalige Freundin der Waldviertlerin, die Aufträge zu den Misshandlungen des Buben gegeben haben soll, wurde wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin belangt. Hier fiel das Votum der Laienrichter ebenfalls einstimmig aus.

Die Höhe der Strafen sei erforderlich, um deutlich vor Augen zu führen, dass die Beschuldigten „mit ihren Handlungen ein Leben fast zerstört hätten“, führte die vorsitzende Richterin aus. Auf psychischer Ebene sei der Bub, den es vorher gegeben habe, „auf jeden Fall zur Gänze zerstört“ worden. Die beiden Frauen müssen dem Kind zudem gemeinsam insgesamt 80.000 Euro bezahlen.

„Ein Jahrhundertfall“

Ihr tue „schrecklich leid, was passiert ist“, erklärte die Mutter am Donnerstag. Ihre Freundin räumte einen „Fehler“ ein. Und entschuldigte sich weinend bei dem mittlerweile 13-jährigen Buben und bei dessen Vater, der nun die Obsorge innehat. „Warum sollen wir Ihnen ein Wort glauben?“, fragte die Anklägerin rhetorisch. Und auch der Opferanwalt vermisste bei den Frauen echte Reue.

„Es ist einer der schwierigsten Fälle, die man sich vorstellen kann. Es ist eigentlich ein Jahrhundertfall“, führte die Anwältin der Mutter, Astrid Wagner, aus. Ihre Mandantin habe in „verzerrter Wahrnehmung“ nicht erkannt, dass das Kind in Lebensgefahr war. Aber W. habe nicht für möglich gehalten, dass ihr Sohn sterben könne. Daher bekenne sich die Mutter zum Vorwurf des versuchten Mordes nicht schuldig.

Der Verteidiger von B., Sascha Flatz, gab in dem Plädoyer an: „Ich bin überzeugt davon, dass meine Mandantin nicht gewusst hat, dass das in der Form stattfindet.“ Die 40-Jährige habe dem Kind mit ihrem Einschreiten vielmehr sogar das Leben gerettet. Damit sprach Flatz den 22. November 2022 an. An diesem Tag hatte B. eine Sozialarbeiterin verständigt und war mit der Frau zu der im Waldviertel liegenden Wohnung der Mutter gefahren. Davor aber hatte B. Videos von der Mutter bekommen. Auf diesen war zu sehen, dass das Kind regungslos auf dem Boden lag. Als die Sozialarbeiterin den Buben sah, drängte sie die Mutter dazu, die Rettung zu rufen. Der Zwölfjährige war damals abgemagert. Da er zuvor immer wieder mit kaltem Wasser übergossen worden war, betrug seine Körpertemperatur nur noch 26,8 Grad Celsius. Auf der Intensivstation konnte das Leben des Kindes gerettet werden.

„Psychische Störung“

Vor den Plädoyers hatte Gerichtspsychiater Peter Hofmann der Mutter eine „schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung“ attestiert. Das Stadium der Unzurechnungsfähigkeit sei aber nicht erreicht, die Frau habe auch „nicht unter einem Wahninhalt“ gehandelt. Die Steuerungsfähigkeit sei im Tatzeitraum zwar erheblich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben gewesen. W. leide an einer „schweren emotionalen Störung“. Sie habe „kein Empfinden mehr für die Absurdität dieser Situation“ gehabt. Der Sachverständige sprach von einer „monströsen kriminellen Handlung über langen Zeitraum“. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass W. in absehbarer Zeit erneut schwere Körperverletzungsdelikte begehen werde.

„Innerliche Abgründe“

Ähnlich verhalte es sich in Sachen Gefährlichkeit mit der 40-Jährigen, so der Gutachter. Diese Frau sei ebenfalls zurechnungsfähig gewesen. Falls sie sich tatsächlich so wie in der Anklage vorgeworfen verhalten habe, deute das eindeutig auf „innerlich große Abgründe“ und „mangelnde Empathie“ hin.

Im Rahmen einer kontradiktorischen Vernehmung (von dieser gibt es ein Video, das zuletzt im Gericht abgespielt worden war) hatte der mittlerweile 13-jährige Bub von oftmaligen Misshandlungen durch seine Mutter in der gemeinsamen Wohnung berichtet. Auch die Zweitangeklagte beschrieb er als „nicht so nett“. Generell zeigte sich das Kind in der etwa 45 Minuten dauernden Aufnahme wortkarg.

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