Serie

„The Regime“, gedreht in Wien: Die Diktatorin residiert im „Volkspalast“ Schönbrunn  

Kate Winslet brilliert in der Rolle der autoritären, hypochondrischen und paranoiden „Kanzlerin“ Elena.
Kate Winslet brilliert in der Rolle der autoritären, hypochondrischen und paranoiden „Kanzlerin“ Elena.HBO
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Gedreht in Schönbrunn, Palais Liechtenstein und Hofburg, mit Kate Winslet als Hauptdarstellerin und Stephen Frears als Regisseur: „The Regime“ ist starbesetzt, aber der Satire fehlt die Schärfe.

Nicht die sprichwörtliche Krone wurde Schloss Schönbrunn für die HBO-Produktion „The Regime“ aufgesetzt, aber ein computergenerierter Überbau mit zwei, teils drei Stockwerken. Und statt des realen städtischen Panoramas des westlichen Wiens sieht man im Hintergrund schneebedeckte Berge. Immerhin nicht verändert wurde die Freitreppe vor der einstigen Kaiserresidenz, an der die Handlung der sechsteiligen, am Montag auf Sky startenden Serie einsetzt: Hier wird der einfache Soldat Herbert (Matthias Schoenaerts) abgesetzt.

Er hat ein Blutbad mit mehreren Toten in den Kobalt-Minen angerichtet, die dem namenlosen Kleinstaat Reichtum verschafft haben. Nun soll er aus dem Lichte der Öffentlichkeit verschwinden und wird zwangsversetzt. Und zwar, was nicht unbedingt logisch wirkt, in das Machtzentrum des fiktiven Kleinstaates. In jedem Gang, jedem Zimmer des Prunkbaus stehen Luftentfeuchter; Herbert soll die Luftfeuchtigkeit messen, ehe die hypochondrische Kanzlerin Elena einen Raum betritt. Niemals dürfe er sie berühren, wird er von der blassen Palastmanagerin (Andrea Riseborough) angewiesen. Überhaupt gelte in Gegenwart des Staatsoberhauptes: „Nie in ihre Richtung atmen!“ Auftritt Kate Winslet als Kanzlerin.

„The Palace“ war der Arbeitstitel von „The Regime“. Die Serie hätte auch „The Chancellor“ heißen können, würde das der Geschichte nicht einen zu demokratischen Anstrich verpassen. Denn sie dreht und wendet sich rund um diese autoritäre, paranoide und doch faszinierende Führerin, die zwar Kanzlerin genannt wird, aber doch eher Diktatorin ist. Winslet brilliert in dieser Rolle. Sie stellt Elena immer gefährlich nahe der Groteske dar, rutscht aber nie ins Lächerliche. Geschniegelt schön, beherrscht und mit sehr eigenwilliger Sprache, die ein Oberklasse-Akzent sein mag oder ein Sprachfehler (und trotzdem ist sie deutlich verständlicher als Schoenaerts).

Überall stehen Schüsseln voll Erdäpfel

Voller Ernst bleibt Winslet selbst bei den bizarren „Gesprächen“ Elenas mit ihrem Vater, von dem sie den ihre Position geerbt hat: Der Ex-Kanzler ist vor mehr als einem Jahr gestorben und wird seither im Keller unter Glas aufbewahrt (und trotzdem verwest er! Skandal!). Absurd ist auch die spezielle Beziehung, die Elena schnell zum Soldaten Herbert entwickelt: Sie glaubt, dass sie im Schlaf die Träume teilen. Eindringlich empfiehlt sie ihm, er solle „a graceful mind“ haben, einen anmutigen Geist. Was soll das heißen? Bald ist Herbert Elena erlegen und auch sie macht sich immer stärker abhängiger von ihm. Er dient er ihr als Leibarzt, verabreicht ihr schwarzen Rettich und Ringelblumentee – „Landmedizin“ nennt er das. Und überall im Palast stehen anstelle der Luftentfeuchter plötzlich Schüsseln voll dampfender Erdäpfel, die das „Gift“ abwehren sollen.

„The Regime“ rutscht immer stärker ins Absurde. Die Serie von Autor Will Tracy („The Menu“) versteht sich als Satire auf einen autokratischen Staat, und nimmt offensichtliche Anleihen an rechtspopulistischen Politikern wie Donald Trump (seine Phobie vor Krankheiten) und an Autokraten wie Wladimir Putin (Elenas Tische sind fast so lange wie die im Kreml). Die Miniserie überdreht im Gegensatz zu Vorbildern wie der schwarzen Politkomödie „Wag the Dog“ die Geschichte aber nicht genug. So fehlt es „The Regime“ die Schärfe und die Geschichte bleibt unangenehm nahe an der Realität.

Ein Tisch, fast so lange wie im Kreml
Ein Tisch, fast so lange wie im KremlHBO

Möglicherweise ist auch die Realität derzeit unangenehm nahe an der Satire. Dass sich eine Kleinstaaten-Führerin von den USA ab- und China zuwendet (wie Elena), kennt man aus den Außenpolitikspalten. Vor allem die Figuren des Herbert und der Palastmanagerin wirkend jedoch zu ehrlich leidend, um ihr satirisches Potenzial ausschöpfen zu können: Herbert geißelt sich selbst körperlich. Die Managerin sorgt sich um ihren kranken Sohn, auf den die Kanzlerin Anspruch erhebt. „Unser Kind“ nennt Elena den Buben, und reduziert die Rolle der Mutter darauf, dass diese ihn „herausgepresst“ habe, „weil ich das nicht konnte.“ Beängstigend.

Ist dieser Club das U4?

Für Österreich könnte „The Regime“ aber trotz Schwächen wegweisend sein: Die Serie war die erste, die mit der neuen Förderung für Streaming-, Fernseh- und Kinoproduktionen nach Österreich gelockt wurde. Cast und Crew sind starbesetzt, Hugh Grant spielt mit (und Karl Markovics), Regie führten Stephen Frears („The Queen“) und Jessica Hobbs („The Crown“).

Wo genau gedreht wurde, wurde zwar nicht offiziell bekannt gegeben. Doch das Gartenpalais Liechtenstein und die Hofburg sind durchaus erkennbar. Bei dem in der Serie von machthungrigen Männern frequentierten Keller-Club im Achtzigerjahre-Design könnte es sich außerdem um das U4 handeln. Am leichtesten zuzuordnen ist freilich Schönbrunn, ob mit oder ohne Aufstockung. In der Serie wird das Schloss als ehemaliges Hotel beschrieben und „Volkspalast“ genannt. Das geht zumindest in Österreich als witzig durch.

„The Regime“, ab Montag, 4.3., bei Sky, eine Folge pro Woche

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