Wort der Woche

Aufforstung hat geringeren Effekt

Wachsende Wälder binden große Mengen CO2. Ein Teil dieser abkühlenden Wirkung wird aber durch andere Folgeerscheinungen einer stärkeren Bewaldung wieder zunichtegemacht. 

Wie alle Pflanzen entziehen Bäume beim Wachstum der Luft CO2 und binden den Kohlenstoff in der Biomasse. Eine stärkere Bewaldung gilt daher als hochwirksame und zugleich kosteneffiziente Klimaschutz-Maßnahme. Allerdings gibt es auch Nebenwirkungen, die den Nutzen wieder etwas in Frage stellen. So geht eine Ausdehnung von Wäldern auf Kosten von Agrarflächen und damit der Ernährung der Menschheit. Wälder haben überdies auch auf das Klimasystem unliebsame Folgewirkungen: Zum einen emittieren Bäume flüchtige organische Substanzen (VOC), die zur Bildung von hochwirksamen Klimagasen, wie etwa Ozon oder Methan, sowie von Schwebeteilchen (Aerosolen) führen. Zum anderen vermindert die dunklere Farbe der Bäume die Rückstrahlung von Sonnenlicht ins Weltall (Albedo), was ebenfalls eine erwärmende Wirkung hat.

Diese Zusammenhänge haben sich nun britische und US-Forschende um James Weber (University of Sheffield) genauer angesehen. Untersucht wurde, was geschehen würde, wenn alle biophysikalisch geeigneten Flächen der Erde wiederbewaldet würden (ohne dabei Äcker, Weiden und Siedlungsflächen zu reduzieren). Das wären 750 Mio. Hektar mehr Wald – bei einer derzeitigen globalen Waldfläche von rund vier Mrd. Hektar.

Die Forschenden haben berechnet, dass die zusätzlichen Bäume bis zum Ende des 21. Jahrhunderts jährlich fünf bis 6,5 Mrd. Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen würden. Das hat einen kühlenden Effekt: Der CO2-Gehalt der Luft (derzeit 419,3 ppm) sänke um 84 ppm, der Strahlungsantrieb („radiative forcing“) läge bei minus 0,66 Watt pro Quadratmeter (W/m2); dies entspricht einer Abkühlung um rund 0,3 Grad. Dem gegenüber gestellt wurden die erwärmenden Wirkungen der stärkeren Bewaldung: Die Produktion klimarelevanter Substanzen durch die Bäume und die verminderte Reflexion summieren sich auf plus 0,1 bis 0,19 W/m2.

Die erwärmenden Effekte machen also ein Sechstel bis ein Drittel der Abkühlung durch die CO2-Bindung wieder zunichte (Science, 23. 2.). Dabei geben die Forschenden zu bedenken, dass eine stärkere Bewaldung noch weitere Folgewirkungen hat – etwa vermehrte Waldbrände, Vegetationsschäden durch Ozon oder Veränderungen der Verdunstung –, die man derzeit nicht beziffern könne.

Aus der Studie lässt sich jedenfalls eine klare Lehre ziehen: Die Sache ist – wie so vieles im Leben – um einiges komplizierter, als man bisher dachte.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
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