Bayer

Warum der einst wertvollste deutsche Konzern nicht so weitermachen kann wie bisher

Die Aktie des deutschen Pharmakonzerns fiel im Tagesverlauf auf ein 19-Jahres-Tief.
Die Aktie des deutschen Pharmakonzerns fiel im Tagesverlauf auf ein 19-Jahres-Tief. Imago Images
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Der Pharmakonzern fuhr 2023 einen Milliardenverlust ein, an der Börse ist er so wenig wert wie seit fast 20 Jahren nicht. Was sich ändern soll.

Sechs Vorstände – darunter eine Frau – sitzen auf Barhockern, die Präsentationsfläche ist ausgekleidet mit gemütlichen Teppichen und einer Pflanze. Der Vorstandsvorsitzende, gekleidet in grauem T-Shirt und schwarzem Sakko, trinkt (wahrscheinlich) Kaffee und versprüht amerikanische Euphorie. Statt sich hinter schweren Konferenztischen und Laptops zu vergraben, präsentierte sich der deutsche Pharmakonzern Bayer am Dienstag anlässlich seiner Bilanz für 2023 so, wie er sich wohl auch in Zukunft gern sehen möchte. Reduziert, abgespeckt und trotzdem modern. Ob dem seit Juni des Vorjahres amtierenden Konzernchef, Bill Anderson, die Wende gelingen wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Die gravierenden Änderungen müssen vordergründig wahrscheinlich nicht einmal beim Konzernergebnis vollzogen werden, obwohl es für 2023 schlecht ausfiel – der Verlust summierte sich auf immerhin 2,9 Mrd. Euro aufgrund von Wertminderungen im Bereich Pflanzenschutz. Sondern innerhalb des Unternehmens selbst. Und dort an jenen „vier Stellen“, denen Anderson „dringenden Handlungsbedarf“ attestiert. Dazu zählt der Amerikaner Patentabläufe in der Medizinsparte sowie eine zu befüllende Pharmapipeline, US-Rechtsstreitigkeiten, einen hohen Schuldenstand sowie hierarchische Bürokratie.

In Ansätzen kann man bereits sehen, wo die Reise hingehen soll. Statt sich mit zwölf Ebenen zwischen Vorstand und Kunden herumzuschlagen, sollen künftig fünf bis sechs ausreichend sein. Ab dem Jahr 2026 soll dies jährliche Einsparungen von zwei Milliarden Euro bringen. Wie viele Stellen von dem Umbau betroffen sein würden, konnte Anderson am Dienstag nicht beziffern. Er erklärte auch warum: Es sei nicht so, dass man einfach zehn Prozent der Belegschaft streiche und einer bestimmten Anzahl an Jobs hinterherjage. Vielmehr gehe es darum, einen Ansatz zu verfolgen, der auch nachhaltig funktioniert. Die USA liefern bereits einen Vorgeschmack darauf, was noch kommen dürfte. Dort wurden 40 Prozent der Managementposten gestrichen, gleichzeitig sei die Effizienz der Teams aber deutlich gestiegen. Bayer beschäftigt derzeit knapp 100.000 Mitarbeiter weltweit, der Abbau wird wohl erheblich sein.

Keine Aufspaltung

Auch wie es in Sachen Rechtsstreitigkeiten weitergeht, wollte Anderson nicht öffentlich beantworten, da eine ganze (Rechts-)Industrie nur darauf warte. Der Konzern hat sich mit der über 60 Mrd. Dollar teuren Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto im Jahr 2018 einen Rattenschwanz an rechtlichen Problemen ins Haus geholt, der bereits Milliarden verschlungen hat. Und ein Ende der Prozesse scheint noch nicht absehbar. Nach wie vor sind Tausende Klagen wegen des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat anhängig.

Anderson machte am Dienstag dafür klar, was vorerst nicht passieren wird: eine Aufspaltung des Konzerns. Nur weil man diese Idee derzeit verworfen habe, bedeute es aber nicht, dass sie niemals wieder auf den Tisch komme. „Natürlich werden wir für alles offen bleiben“, sagte der Vorstand. Warum sich an der Struktur nichts ändern wird, begründete er mit den Ressourcen, die ein solcher Prozess (Börsengang oder Ausgliederung) über lange Zeit binden würde.

Der Verkauf eines Firmenteils, der wiederum nur für den Bereich der rezeptfreien Produkte (Aspirin, Bepanthen) infrage käme, würde zwar helfen, Schulden zu tilgen – und davon hat Bayer knapp 35 Mrd. Euro –, hätte aber mehrere Nachteile: erhebliche Kosten und Steuereffekte, der Verlust von zukünftigen Einnahmeströmen und eine derzeit unvorteilhafte Bewertung. Nach Gesprächen mit vielen Vorständen sei ihm klargeworden, dass man entweder das operative Geschäft neu aufsetzen oder strukturelle Veränderungen vornehmen könne – nicht aber beides gleichzeitig.

Die Aktionäre zeigten sich am Dienstag jedenfalls nicht ganz überzeugt, auch weil der Ausblick verhalten ausfiel. Die Aktie rutschte am Vormittag um rund drei Prozent ab, das Papier kostete mit knapp 28 Euro so wenig wie zuletzt 2005. Die Zeiten, in denen Bayer der wertvollste deutsche börsenotierte Konzern war, sind lang vorbei. Und sie werden wohl auch nicht so schnell wieder kommen.

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