Affäre

Causa Wien Energie: Die noch offenen Fragen

Die Wien Energie schlitterte 2022 beinahe in die Insolvenz. Ein Rechnungshofbericht eröffnet nun neue Fragen.
Die Wien Energie schlitterte 2022 beinahe in die Insolvenz. Ein Rechnungshofbericht eröffnet nun neue Fragen. Clemens Fabry
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Vor wenigen Tagen wurde der Rohbericht des Rechnungshofs zur Causa Wien Energie bekannt. Die Details des Berichts werfen neue, durchaus unangenehme Fragen auf.

Der Rechnungshof hat in einem Rohbericht zur Wien-Energie-Affäre vor wenigen Tagen heftige Kritik geübt. „Die Presse“ hat sich jetzt den Rohbericht auch in den kleinen Details angesehen. Und die eröffnen einige Fragen.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2022 schlitterte die städtische Wien Energie, nach einer Explosion der Gaspreise durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, beinahe in die Insolvenz. Bürgermeister Michael Ludwig hatte den Energieversorger mit städtischen Garantien in Milliardenhöhe gerettet, wobei die Öffentlichkeit nicht über die Probleme informiert worden war. Als der Gaspreis am „Black Friday“ nochmals explodierte, reichten selbst die Sicherheitsleistungen der Stadt Wien nicht mehr aus – die Affäre flog auf und der Bund musste kurzfristig Milliarden Euro an Haftungen übernehmen, die allerdings nicht schlagend wurden.

Die Notkompetenz

Bürgermeister Ludwig hatte (im Namen der Stadt) am 15. Juli 700 Millionen Euro an Haftungen für die Wien Energie per Notkompetenz übernommen. Diese besagt, dass der Bürgermeister bei Gefahr in Verzug eine Entscheidung treffen kann, für die eigentlich der Gemeinderat oder Stadtsenat zuständig ist. Als das bekannt wurde, hatten der Bürgermeister, die SPÖ und die zuständigen Beamten (auch) im Untersuchungsausschuss zur Wien Energie argumentiert, dass diese Vorgangsweise alternativlos gewesen sei – es sei Gefahr im Verzug gewesen sei, man habe innerhalb von Stunden entscheiden müssen, wurde sinngemäß argumentiert. Der Rechnungshof sieht das allerdings anders.

Nach Ansicht des RH handelt es sich beim ersten Ziehen der Notkompetenz nicht um einen Notfall, sondern um den Aufbau einer „vorsorglichen Liquiditätsreserve“ (Quasi-Schutzschirm). Am Tag, als die Notkompetenz gezogen wurde, habe es weder einen Liquiditätsengpass noch fällige Sicherheitsleistungen an unmittelbar folgenden Handelstagen gegeben. Damit steht im Raum, dass der Bürgermeister die Notkompetenz zu Unrecht gezogen hat – selbst wenn der RH zugibt, dass ein Aufbau an Liquiditätsreserven für die Wien Energie sinnvoll und notwendig war. Es eröffnet sich die Frage, warum weder die Öffentlichkeit noch der Stadtsenat informiert worden waren, obwohl (laut RH) keine Gefahr im Verzug war. Denn damit hatte die SPÖ begründet, dass niemand von der Notkompetenz informiert worden war.

Das Risikomanagement

Fragen eröffnen auch die Ri­si­ko­stra­te­gie und das Geschäftsmodell der Wien Energie. Das Unternehmen verfolgte laut RH zwar eine „risikoaverse Risikostrategie“, was für einen kommunalen Energieversorger grundsätzlich positiv ist. Allerdings ist die Aussage der Wien Energie, dass ihr Handeln an der Energiebörse „alternativlos“ und der „Black Friday“ absolut nicht vorhersehbar war, hinterfragenswert. Immerhin hatte die Wien Energie (als Reaktion auf die Turbulenzen) ab 2023 ein Frühwarnsystem eingeführt. Dazu kommt, dass der RH festhält: Vom Jänner bis November 2022 sei auf Sitzungen des Risikokomitees verzichtet worden, das sei kritisch zu bewerten.

Keine Reaktion

Eine weitere Frage, die sich die Wien Energie gefallen lassen muss: Wieso veranlassten selbst Preissteigerungen an den Energiemärkten, eine zunehmende Preisvolatilität und der russische Angriffskrieg das energiewirtschaftliche Risikomanagement zu keiner Reaktion?

Warnzeichen ignoriert

Eine zentrale Frage: Warum wurde nicht reagiert, obwohl es bereits vor dem „Black Friday“ Hinweise auf sich abzeichnende Probleme gab? Als dazu der Liquiditätsbedarf der Wien Energie zu steigen begann, hat das ebenfalls zu keiner Reaktion geführt. Das Unternehmen benötigte immer mehr Geld aus dem sogenannten Cash Pool des Mutterkonzerns (Wiener Stadtwerke), es wurden nur die Limits immer weiter nach oben gesetzt.

Die Aufsichtsräte

Aufsichtsräte haben die Aufgabe, die Geschäftsführung zu kontrollieren. Bei der Wien Energie hat das nicht funktioniert, weil die Aufsichtsräte ihrer Funktion „nicht umfassend“ nachgekommen sind, deren Verhalten wird als „kritisch“ bezeichnet. Hier stellt sich die Frage, warum nicht externe Experten in den Aufsichtsräten sitzen, sondern Beschäftigte der Stadt Wien, die oft in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen.

Wien Energie reagiert

Wie reagiert die städtische Wien Energie darauf? „Wie schon der Stadtrechnungshof Wien festgestellt hat, bestätigt auch der Rechnungshof Österreich, dass die Handelsgeschäfte von Wien Energie am europäischen Energiemarkt branchenüblich sind. Beide Rechnungshöfe schließen Spekulation dezidiert aus“, wurde der „Presse“ mitgeteilt. Und: „Unser Ziel war und ist die zuverlässige Versorgung der Wienerinnen und Wiener mit Energie. Der ‚Black Friday‘ war ein Tsunami, der in dieser Größenordnung nicht vorhersehbar war und die ganze Branche über Österreich hinaus erschüttert hat. Wir nehmen die Kritik des Rechnungshofs Österreichs in der Nachbetrachtung der Ereignisse im letzten Jahr ernst und werden diese gewissenhaft evaluieren und umsetzen. Vielen Empfehlungen sind wir bereits nachgekommen.“

Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung, erklärt zu der Rechnungshof-Kritik: „Wir haben in der damaligen Situation nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Heute wissen wir aber, dass auch solche Extremereignisse eintreten können. Genau deshalb haben wir unsere Schutzmauern noch höher gebaut. Es ist natürlich in unserem Interesse, uns laufend zu verbessern.

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