Interview

Kameramann Gschlacht: „Das Ergebnis ist ein Stück Filmgeschichte“

Martin Gschlacht bei der Berlinale
Martin Gschlacht bei der BerlinaleAPA / AFP / John Macdougall
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Bei der Berlinale wurde der Kameramann Martin Gschlacht mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Jetzt läuft „Des Teufels Bad“ im Kino an. Ein Gespräch über heikle Szenen, das Drehen im Dunkeln und seinen Respekt vor dem Auslöser.

Die Presse: In früheren Interviews meinten Sie, Veronika Franz und Severin Fiala brächten Sie „im positiven Sinn an Ihre Grenzen“. Wie war die Zusammenarbeit?

Martin Gschlacht: Sie geht schon auf den Dreh von ihrem ersten Film „Ich seh, Ich seh“ (2014) zurück. Schon da erschien mir ihre Herangehensweise interessant und neu. Die beiden drehen analog, die Schauspieler haben keine Texte, also nichts, das sie auswendig lernen. Sie werden stattdessen in eine Situation versetzt, und und die Inszenierung mit den Darstellern und Darstellerinnen vor Ort entwickelt. Gleichzeitig bemüht sich die Regie um Chronologie im Drehplan, um den Schauspielern die Entwicklung der Rolle zu ermöglichen. 

Auch „Des Teufels Bad“ wurde analog gedreht. Ist das reine Liebhaberei oder macht das für das Publikum einen Unterschied?

Dem Film wurde eine visuelle Verbindung zu alten niederländischen Meistern der Malerei attestiert. Diese Assoziation hat auch viel damit zu tun, dass wir analog gedreht haben. Weil das eine andere visuelle Qualität und Oberflächentextur auf der Leinwand ergibt. Zum anderen ist es teurer, analog zu drehen, weil jeder Meter Film Geld kostet. Das heißt: Du musst mit viel Überlegung diesen roten Knopf an der Kamera betätigen. Einer meiner Kritikpunkte am Digitalen ist, dass man ein wenig den Respekt vor dem Auslöser verliert. Man lässt die Kamera einfach laufen, stellt eine zweite auf. Das ist beim Analogen anders. Es macht inhaltlich viel aus, wenn alle Beteiligten wissen: Jetzt zählt’s.

Dem Team war es ein Anliegen, das ländliche Oberösterreich von 1750 akkurat wiederzugeben. Eine Herausforderung war die Arbeit mit natürlichem Licht …

Wir haben versucht, uns in der Dunkelheit zu behaupten. Das hat mich ans Limit getrieben, denn im Gegensatz zur digitalen Aufnahme ist die analoge in ihrer Lichtempfindlichkeit stark gedeckelt. Da bin ich dankbar, dass ich mein halbes Leben analog gearbeitet habe und diese Erfahrung mitbringe. Dazu kommt: Ich sehe oft erst Tage später das Ergebnis des Drehs. Ich belichte etwas mit meinen Messgeräten, und dann bekomme ich manchmal feuchte Hände und frage mich: Bin ich mit der Dunkelheit einen Schritt zu weit gegangen?

Auch sonst waren Sie am Filmset der Natur ausgesetzt. Hat das die Arbeit erschwert? 

Natur und Wetter sind immer eine Herausforderung. Ich habe gelernt, sie als Freund zu betrachten. Auch die Nebelbilder im Prolog zu „Des Teufels Bad“ sind im Moment entstanden. Es war der erste Drehtag, und wir wollten zeitig starten, aber alles hat sich verzögert. Statt in der Morgendämmerung haben wir um elf begonnen. Dann ist da dieser Nebel aufgezogen, von unten immer höher haben wir ihn kommen sehen. Besser hätten wir es nicht planen können.

Der Kameramann wird gern als Handwerker dargestellt. Wie wichtig ist Ihnen überhaupt der Bezug zum Inhalt? 

Ich bin bis zu einem gewissen Grad auch Handwerker, aber die größte Freude macht es mir trotzdem, Geschichten zu erzählen. Ich mache mich immer früh mit den Autoren über das Drehbuch her. Das ist dann ein sehr fließender Prozess von vielen Kreativen, die gemeinsam etwas erarbeiten.

Wie verhalten Sie sich bei besonders intensiven Aufnahmen, wie dem Dreh der Beichte in „Des Teufels Bad“?

Das hängt von den Darstellenden und ihren Bedürfnissen ab. In dem Fall war es wichtig, Freiraum zu schaffen. Diese Szene sind nur einmal gedreht worden. Es war klar, dass wir sie nicht wiederholen können, weil das für alle Beteiligten an die emotionalen Grenzen geht. Da muss auch technisch auf Anhieb alles funktionieren. Bei der Beichte war technisch ein Rahmen vorgegeben: Zehn Minuten Film haben Platz auf einer Rolle, und der Bildausschnitt wurde während der Aufnahme nicht verändert. Dann war sie mit der Kamera allein im Raum. Das Ergebnis ist ein Stück Filmgeschichte. 

In Ihrer Wahrnehmung, was macht einen guten Kameramann aus? 

Technisches Verständnis und permanente Weiterbildung, weil sich die digitale Welt rasant entwickelt. Medien, mit denen ich heute arbeite, sind ein Jahr später überholt. Was es noch braucht, ist ein Talent dafür, Bilder zu sehen, und der richtige Umgang mit Menschen. Film ist eine Teamleistung, und du bist an der Schnittstelle zu allen Kreativen und auch der Produktion. 

Herrscht mittlerweile mehr Bewusstsein für Ihr Handwerk? 

Ich weiß gar nicht, ob da Bewusstsein dafür herrschen soll. Ich finde es sehr angenehm, diesen Rückzugsort zu haben, an dem ich meinen Job machen kann. Und in dem Moment, da ich mich als Zuschauer dabei ertappe, die Kameraarbeit zu begutachten, ertappe ich mich auch dabei, dass ich beim Film rausgekippt bin.

Mit Barbara Albert, Jessica Hausner und Antonin Svoboda haben Sie Ende der 1990er die Produktionsfirma Coop99 gegründet. Wie kam es dazu?

In der Truppe waren wir auf der Filmakademie und haben dann die Firma gegründet. Wir können sie uns auch nur leisten, weil wir nicht abhängig von der Tätigkeit als Produzenten sind. Es ist ein Husarenritt, sich dem Kinofilm zu verschreiben, wir machen weder Werbe- noch Fernsehproduktionen. Für mich ist das auch eine Betätigung in Zeiten, in denen ich als Kameramann nichts zu tun habe – und davon gibt es genug.

Gerade haben Sie mit David Schalko die Serie „Kafka“ finalisiert, basierend auf einem Drehbuch von Daniel Kehlmann (ab 24. 3., ORF). Was darf man sich erwarten?

David ist ein fantastisch kreativer Filmemacher. Ihm war es wichtig, keinen „kafkaesken Kafka“ zu erschaffen. Man könnte sich eine dunkle, farbentsättigte oder auch Schwarz-Weiß-Optik erwarten. Dem Klischee wollte er nicht entsprechen. Stattdessen entstand eine bunte, helle, fast kolorierte Oberfläche. Eine sehr interessante Herangehensweise, denke ich. 

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