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Spürbare Spurensuche

Vor allem in stadtnahen Wäldern suchen viele Menschen nach Ruhe und Antworten.
Vor allem in stadtnahen Wäldern suchen viele Menschen nach Ruhe und Antworten.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In ihrem Debütwerk beschreibt Susanne Panter, wie sich Tabus atmosphärisch anfühlen. Sie will Mut machen, sich Geheimnissen zuzuwenden, die zugrunde liegenden Themen aufzuarbeiten. Dafür räumt die Herkunftsberaterin mit dem Mythos auf, Ungewisses könne nicht für Unbehagen sorgen.

Sie ist auf der Suche. Als Herkunftsberaterin nach ungeklärten Familienverhältnissen, blinden Stellen, Brüchen oder Wunden im Familiensystem. Als ausgebildete Mediatorin nach einer Methode, um zu vermitteln. Susanne Panter sucht selbst „Ich spüre das, was ihr nicht sagt“ nach Antworten. Wie lässt sich das (Bauch-)Gefühl beschreiben – jenes, dass darauf hinweist, dass etwas nicht stimmt? Dass in der Familie Geheimnisse, Tabus, Lügen präsent sind?

„Man wird daran erinnert. Gelegentlich spürt man es stärker, dann flaut es wieder ab“, beschreibt Panter das Erleben der Disharmonie. „Aber die Betroffenen wissen, oft erst nach vielen Jahren, wenn es einen Fehler im System gibt.“ Am häufigsten sei sie mit Fällen konfrontiert, bei denen nach einem leiblichen Vater oder (Halb-)Geschwistern gesucht werde. Pro Monat begleitet sie durchschnittlich zwei bis drei Personen. Die Prozesse sind zeitaufwendig.

Dennoch habe sie mit der Gründung des Onlineportals nicht nur einen Beruf, sondern ihre „Berufung“ gefunden. Zurückzuführend sei die starke Verflechtung von Job und Privaten auf ihre eigene Biografie. Denn sie habe von ihrer Großmutter, das spürt und behauptet sie: „Den Auftrag bekommen, Väter zu suchen.“ Dementsprechend hat sie ihr auch das Werk gewidmet.

Missbrauch und Alkoholismus

Darin erklärt sie neben Fallgeschichten auch die systemischen Strukturen von Familien und was Menschen davon abhält, ein Tabu aufzudecken. Seit 23 Jahren beschäftigt sie sich bereits mit diesen Themen. „Wenn ich Probleme mit dem Standesamt habe, mit dem ich ständig in Kontakt bin, um Verwandtschaftsverhältnisse zu analysieren, dann frustriert mich das auch im Alltag.“ So komme es vor, dass sie bis spätabends mit ihren Freundinnen – insbesondere einer Juristin und einer Buddhistin – anonymisiert an den Fällen arbeite. Mit Erfolg, schließlich sei ihr bis dato gelungen, 4500 Schicksale zu unterstützen.

„In meiner eigenen Biografie gab es viele Tabus. Missbrauch, nicht eheliche und wortwörtlich totgeschwiegene verstorbene Kinder, Alkoholismus, tabuisierte Euthanasie und einen Suizid in den frühen 1950er-Jahren, dessen Bugwelle sich bis heute auf meine Familie auswirkt“, beschreibt die gebürtige Deutsche den Ursprung des Personensuchdienstes. Irgendetwas müsse wehtun, einen Leidensdruck erzeugen, beschreibt sie, um zu wissen: Ich bin nicht vollständig.

„Einer meiner Klienten sagte mir, er fühle sich wie jemand, bei dem ein Stein nicht in Position gelegen habe, aber nun zurechtgerückt worden sei.“ Vor dem Enthüllen eines Tabus spricht sie sinngemäß davon, „in Gelee gehüllt zu sein“. Erst danach sei es möglich, „mehr Bewegung reinzubringen, luftdurchlässiger zu werden. Neue Energie zu nutzen“. Pointiert versucht sie in ihrem Buch herauszufinden, wo der Knoten verborgen liegt, und welche Daten es zur Auflösung braucht. „Die Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte kann sich zur emotionalen Achterbahnfahrt entwickeln“, ist ihr bewusst. Deshalb mache sie sich zuerst ein Bild über die Gesamtsituation. „Welche Geschichte steht hinter der Suche? Welche Personen sind betroffen, und welche Gefühle sind bei den Beteiligten damit verbunden?“

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