Der ökonomische Blick

Kampf gegen Periodenarmut: Sinken die Preise nach einer Steuersenkung wirklich?

Wird der Zugang zu Menstruationsprodukten nach einer Steuersenkung verbessert? 
Wird der Zugang zu Menstruationsprodukten nach einer Steuersenkung verbessert? Alla Rudenko via www.imago-images.de
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Nicht alle Frauen haben die finanziellen Ressourcen, um sich genügend Menstruationsprodukte zu leisten. Die Politik hat dieses Problem erkannt und dazu aufgerufen, Steuern auf Menstruationsartikel zu senken. Aber sinken die Preise nach einer Steuersenkung wirklich?

Die Hälfte der Bevölkerung menstruiert bis zu 500 Mal in ihrem Leben. Zusammengerechnet ergibt das zehn Lebensjahre. Nicht alle haben die finanziellen Ressourcen, um sich genügend Menstruationsprodukte zu leisten. Ein Mangel an diesen Produkten kann sich stark auf die Gesundheit und Lebensqualität auswirken: beispielsweise, wenn Aktivitäten und Verpflichtungen abgesagt werden, oder wenn Menstruationsartikel nicht regelmäßig gewechselt werden und dadurch Gesundheitsrisiken entstehen. Die Politik hat dieses Problem erkannt und das Europäische Parlament die EU-Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, Steuern auf Menstruationsartikel zu senken. Einige Länder sind diesem Appell gefolgt, in der Hoffnung, den Zugang zu diesen Produkten zu erleichtern, vorausgesetzt, dass die Preise entsprechend sinken. In unserer Forschungsarbeit untersuchen wir genau diesen Zusammenhang – sinken die Preise nach einer Steuersenkung wirklich? Und wird damit der Zugang zu Menstruationsprodukten verbessert?

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse“-Redaktion entsprechen.

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In Europa variieren die Steuersätze für Menstruationsartikel erheblich. Wie die Europakarte verdeutlicht, reicht die Spanne von null Prozent in Irland bis zu 27 Prozent in Ungarn. Während in den meisten europäischen Ländern Menstruationsprodukte weiterhin dem regulären Mehrwertsteuersatz unterliegen, haben einige Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren die Steuersätze gesenkt – darunter Frankreich, Belgien, Deutschland und Österreich. Damit wurden Menstruationsartikel in die Liste lebensnotwendiger Konsumgüter, die geringer besteuert werden, aufgenommen.

Die Preise sinken, doch mehr gekauft wird nicht

Die Maßnahme ist in allen vier Ländern – Frankreich, Belgien, Deutschland und Österreich – erfolgreich. Die Steuersenkung wird vollkommen an die Konsumenten und Konsumentinnen weitergegeben. Das bedeutet, dass die Konsumenten und Konsumentinnen von einem niedrigeren Preis profitieren, dessen Differenz zum ursprünglichen Preis die Steuersenkung exakt widerspiegelt. Die linke Grafik zeigt die Preisdifferenz zwischen Ländern mit und ohne Steuerreform. Vor der Ankündigung der Steuerreform (vertikale Linie) sehen wir keine Preisdifferenz. Direkt nach der Ankündigung sanken die Preise im Vergleich zu Ländern ohne Steuersenkung deutlich und blieben dauerhaft niedriger. In Österreich beispielsweise wurde eine Preissenkung von zehn Prozent verzeichnet.

Dennoch blieb die Gesamtnachfrage nach Menstruationsartikeln in den untersuchten Ländern unverändert, wie die rechte Grafik zeigt. Dies liegt daran, dass Menstruationsartikel unelastische Güter sind – das heißt, sie werden nur in dem Ausmaß gekauft, wie sie benötigt werden. Der Mengeneffekt bleibt also insgesamt aus. Jedoch konnten wir eine Veränderung im Kaufverhalten beobachten: Konsument:innen greifen nach der Steuersenkung eher zu Markenprodukten anstatt zu Eigenmarken. Die niedrigeren Preise führen dazu, dass mehr vermeintlich qualitativ hochwertigere Produkte gekauft werden.

Period Poverty – die Motivation hinter der Steuersenkung?

Die Steuersenkung auf Menstruationsartikel ist ein Versuch, das Phänomen der Periodenarmut einzudämmen. Für Haushalte mit geringerem Einkommen stellt der Kauf von Periodenprodukten eine höhere finanzielle Belastung als für jene mit höherem Einkommen dar. Daher werfen wir einen gesonderten Blick auf jene Haushalte, die sich in den unteren 25 Prozent der Einkommensverteilung befinden. Unsere Analysen zeigen, dass diese Haushalte tendenziell andere Produkte kaufen, die stärker auf die Steuersenkung reagieren. Haushalte mit geringem Einkommen profitieren somit stärker von der erzielten Preisreduktion. Darüber hinaus wird ersichtlich, dass der Konsum von Binden in diesen Haushalten steigt. Während die allgemeine Nachfrage gleich geblieben ist, sehen wir hier deutlich, dass die Steuersenkung einkommensschwachen Haushalten zugutekommt.

Ist die Steuersenkung wirksam?

Obwohl die Studie zeigt, dass die Preissenkung durchaus markant war, werden kaum mehr Menstruationsartikel gekauft. Absolut gesehen kostet eine Fünf-Euro-Tamponpackung nach der Steuersenkung 50 Cent weniger. Über das Jahr gerechnet, könnte das den Kauf einer zusätzlichen Packung ermöglichen. In diesem Sinn war die Steuersenkung erfolgreich, doch sie allein reicht nicht aus, um Periodenarmut zu verringern. Dafür braucht es weitere Maßnahmen, beginnend mit der Enttabuisierung der Periode. Darüber hinaus sollten wiederverwendbare Menstruationsprodukte stärker etabliert und die kostenlose Bereitstellung von Periodenprodukten in Toiletten forciert werden. Es ist Standard, dass Toiletten mit Klopapier ausgestattet sind – warum also nicht auch mit Menstruationsartikeln?

Die Autorin

Lukas Pelz

Klara Kinnl macht derzeit ihren PhD in Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie studierte Volkswirtschaftslehre sowie Gender Studies an der Universität Wien und forscht an der Schnittstelle dieser beiden Fächer.

Referenzen

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