Vienna’s English Theatre

Da staunt der Page: Es gibt auch Sex im Alter!

Ahmed Al-Taai als Page, Amanda Osborne als Ehefrau.
Ahmed Al-Taai als Page, Amanda Osborne als Ehefrau.VET
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Das Kammerspiel „America’s Sexiest Couple“ erweist sich als gute alte angelsächsische Boulevardkomödie.

Warum hat Susan vor einem Vierteljahrhundert ihre Hauptrolle in einer höchst erfolgreichen Ärzte-Sitcom so abrupt beendet? Damals, in den Neunzigerjahren, bildeten sie und Craig im Fernsehen „America’s Sexiest Couple“. Doch nach fünf Serienstaffeln schmiss sie hin. Seither haben die beiden einander nie mehr gesehen. Nun treffen sie sich beim Begräbnis eines Kollegen von damals wieder, in ihrem Hotelzimmer in Syracuse, unweit von New York. Gut sechzig Jahre sind sie inzwischen, also fast doppelt so alt. Längst schon wurden sie von anderen aus dem Scheinwerferlicht gedrängt. Wieder drängt sich die Frage auf, warum Susan auf die Fortsetzung des Kassenschlagers verzichtet hat. Vor allem um sie geht es offenbar dem Verfasser dieses Kammerspiels, Ken Levine. Der Emmy-Gewinner hat ausreichend Erfahrung mit dem Genre und Milieu. Das führt er in eineinhalb Stunden stringent vor.

Früher ein Traumpaar

Ein Hotelzimmer, ein mehrmals assistierender Hotelpage. Sonst nur das eine: Zwei Menschen, die als Traumpaar gegolten haben, arbeiten sich daran ab, warum sie einst keine Affäre gehabt haben. Sie erproben zugleich, ob sie noch eine gemeinsame Zukunft haben könnten. Just vor dem Begräbnis des Kollegen eröffnet der Sender den beiden, dass ein Revival ihrer Serie möglich wäre. Werden Susan und Craig sich wieder für „Residents“ erwärmen? Das kann man derzeit in Vienna’s English Theatre bei der europäischen Erstaufführung von „America’s Sexiest Couple“ erfahren. Regie führt Philip Dart, der in Wien schon mehrfach bewiesen hat, ein Händchen für Komödien zu haben.

Das ungleiche Paar wird von Amanda Osborne und Mark Elstob mit viel Witz und rasanten Dialogen dargestellt. Selbst peinliche Entblößungen, platte Viagra- und Gleitcremewitze vollführen sie mit Charme. Sie mit mehr Differenziertheit bis zur Verbiesterung, er mit lockerem Hang zur Übertreibung. Die Rolle der Boomer, die sich langsam dem letzten Lebensabschnitt nähern, nahm ihnen das Premierenpublikum dankbar ab. Es weiß offenbar genau, welche Probleme diese Generation inzwischen plagen.

Seltsame Bräuche der Boomer

Der dritte, kleinere Part wurde von Ahmed Al-Taai mit Bravour gemeistert. Den Pagen gibt er als erfrischenden Kontrapunkt: Einer aus der Enkelgeneration wundert sich über die seltsamen Bräuche der Alten, die ihn beide für sich vereinnahmen wollen, quasi als Schiedsrichter. Der erste Teil lässt kaum ein Klischee aus, das man von eitlen Schauspielern, der Scheinwelt dieser Branche und den Plagen des Alters kennt. Ja, auch Sex in reifen Jahren kann zugleich nervös, komisch und für wenige Momente leidenschaftlich sein.

Nach der Pause wird das Tempo etwas langsamer. Man könnte sagen, die Luft ist raus. Das liegt aber auch daran, dass es nun fast ernst wird. Ein Hauch von #MeToo liegt in der Luft. Wurde zuvor über die Lebenslügen noch gelacht, kommt jetzt so etwas wie Rührung, wenn nicht Bestürzung auf. (Nicht wegen des Begräbnisses, das dient bloß als Auslöser fürs Lachen, wie man es aus TV-Serien kennt.) Fazit: Gute alte angelsächsische Tradition des Boulevardstücks. Sie wurde mit herzlichem Applaus bedacht.

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