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„The Persian Version“ im Kino: Provozieren auf persische Art

Ein buntes amerikanisch-iranisches Familienporträt mit Niousha Noor als tougher Mutter Shireen im Zentrum: „The Persian Version“ ist der bisher persönlichste Film der Regisseurin Maryam Keshavarz.
Ein buntes amerikanisch-iranisches Familienporträt mit Niousha Noor als tougher Mutter Shireen im Zentrum: „The Persian Version“ ist der bisher persönlichste Film der Regisseurin Maryam Keshavarz.Sony Pictures
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„The Persian Version“ ist ein wunderbar chaotischer persisch-amerikanischer Familienfilm – und dabei so zerrissen wie seine Protagonistinnen. Dahinter steckt eine wahre Mutter-Tochter-Geschichte. Ab Freitag im Kino.

Leila eilt in einem interessanten Outfit durch die Straßen New Yorks: oben Gesichtsschleier, unten beinfrei, im Arm ein Surfbrett. Der Niqab-Bikini-Mix ist ihr Halloween-Kostüm – und Ausdruck ihrer konfliktbeladenen kulturellen Identität als iranische Migrantentochter in einer sexualisierten westlichen Welt, erklärt sie.

Und natürlich sieht es witzig aus, wie Leila da im halb vollendeten Polyesterlappen durch die Stadt schlapft. Der Film „The Persian Version“, ab Freitag im Kino, ist nicht nur von Widersprüchen erfüllt und beseelt, er nähert sich ihnen auch stets von der lustvollen, schrägen Seite. Und so kommt es, dass sich Leila (Layla Mohammadi), eigentlich doch lesbisch, auf der Party von einem Mann im Frauenkostüm schwängern lässt. Keine Dragqueen, stellt der knuffige Typ klar: Er steckt nur noch gerade in seiner Arbeitskluft, er ist nämlich Theaterschauspieler. Für Leilas Mutter Shireen (Niousha Noor) ist die Schwangerschaft in erster Linie eine weitere Provokation – und das ist es, was Leila seit ihrer Kindheit tut, meint sie: provozieren!

Regisseurin ist im Iran nicht mehr willkommen

„The Persian Version“ will viel sein: Mutter-Tochter-Streitstück, Culture-Clash-Posse, Einwanderer-Erfolgssaga, dazwischen kurz Musical – und dann noch neorealistisches Drama, das einem Familiengeheimnis nachspürt. 80er-Pop, Queerness und Western-Einflüsse treffen auf Romcom-Motive und politische Satire. Es ist ein wilder, zerfranster, chaotischer Film, der angesichts seiner formalen Zerrissenheit (wie passend zum Thema!) mitunter fröhlich-experimentelle Studentenfilm-Energie verströmt. Und dabei stets mitreißend und tief persönlich wirkt.

Beim Indiefilm-Festival Sundance staubte Regisseurin Maryam Keshavarz damit den begehrten Publikumspreis ab. Das schaffte die in den USA Aufgewachsene zuvor bereits mit ihrem Debütfilm „Circumstance“ (2011), einem lesbischen Teenie-Drama, das ihr ein Einreiseverbot in den Iran bescherte. „The Persian Version“ basiert nun auf ihrer eigenen Familiengeschichte. Hauptfigur Leila, die einzige Tochter neben acht Brüdern, ist angehende Filmemacherin – was für ihre Mutter ebenfalls eine Provokation ist. Rückblenden erzählen vom harten Aufstieg der Familie, der von der Mutter gestemmt wird: Als der Vater wegen eines Herzleidens beruflich ausfällt, macht sie sich auf, ohne Qualifikationen oder überhaupt ein Schulzeugnis, als geschäftstüchtige Immobilienmaklerin die Karriereleiter zu erklimmen.

Als Teenie-Braut im Bergdorf

Diese Disziplin erwartet Shireen auch von ihrer Tochter, die ein gutes persisch-amerikanisches Mädchen sein soll. Leila, eine verpeilte, sarkastische Frau mit großem Freiheitsdrang, hat indessen das Gefühl, weder als Perserin noch als Amerikanerin gut genug zu sein: „You smelly terrorist“, schimpfte man sie hier, „you smelly imperialist“ dort. Als sie erfährt, dass auch die Geschichte ihrer Mutter komplexer ist, als sie gedacht hat, taucht „The Persian Version“ in die Vergangenheit von Shireen ein und macht zwischendurch diese zur Hauptfigur der Erzählung. Plötzlich sind wir in einem iranischen Bergdorf, das nur auf dem Rücken von Eseln erreichbar ist und wo sie als 13-jährige Braut hingeschickt wurde. Und wo sie die vierte Wand ebenso kess bricht, um die Hoheit über ihre Erzählung zu erlangen, wie es Leila macht. Es ist, stellt sich heraus, nicht die einzige Sache, in der Mutter und Tochter einander ähnlicher sind, als sie anfangs zugeben.

Getanzt wird immer: Layla Mohammadi als Tochter Leila, Niousha Noor als Mutter Shireen.
Getanzt wird immer: Layla Mohammadi als Tochter Leila, Niousha Noor als Mutter Shireen.Sony Pictures

Seine ausufernden, oft lose hängen bleibenden Handlungsstränge verzeiht man dem Film, der einem dafür wunderbare Familienszenen schenkt. In denen am Esstisch 14 Leute gleichzeitig reden (was einen erstaunlich flüssigen Dialog ergibt). Oder die persische Großfamilie im sonnengeküssten Innenhof zur ins Land geschmuggelten Kassette von Cyndi Lauper tanzt: Es gibt sie ja doch, die amerikanisch-iranische Harmonie.

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