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Vanille aus Plastikmüll?

Vanilla planifolia: Von dieser Orchidee wird das begehrte Gewürz produziert.   
Vanilla planifolia: Von dieser Orchidee wird das begehrte Gewürz produziert.  ANP KINA / picturedesk.com
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Das erdweit beliebteste Gewürz stammt von einer Orchidee, aber die kann den Bedarf nicht decken. Deshalb ersinnen Chemiker immer neue Ersatzlösungen.

Jeder Mensch auf dem weiten Erdenrund, ganz gleich, in welcher Kultur sein Sensorium geschult wurde, hat den gleichen Lieblingsgeschmack bzw. -geruch, den von Vanille (gefolgt von dem von Pfirsichen), Artin Arshamian (Stockholm) hat es 2022 in unterschiedlichsten Gesellschaften mit Riechtests erhoben (Current Biology 32, S. 2601). Dass das Gewürz irgendjemandem nicht mundet, ist nur von einem spanischen Konquistadoren überliefert, der im Gefolge des Hernán Cortéz war, als der Aztekenherrscher Montezuma seinen Gast und späteren Mörder mit cocoatl begrüßte, einer mit Vanille versüßten Trinkschokolade, der eine Konquistador empfahl, das Zeug den Schweinen vorzuwerfen.

Die anderen Spanier dachten anders, sie schleppten auch diesen Schatz nach Europa, er machte Karriere an den Höfen, in Frankreich popularisierten ihn auch Köche – in Desserts –, und als Thomas Jefferson, der spätere US-Präsident, in den 1780er-Jahren Botschafter in Paris war, kopierte er mit eigener Hand ein Rezept für Vanilleeis, das dann seine Heimat eroberte, das Schriftstück liegt heute noch in der Library of Congress. Entsprechend sprudelten die Einnahmen der Spanier, sie hatten das Monopol, Vanille gab es nur in ihrer Kolonie, mit der rätselhaften Ausnahme des frühen Nahen Ostens, wo es in Mumifizierungs-Mischungen im Tal der Könige einging (Scientific Reports 13: 12477) und in Jerusalem vor der babylonischen Zerstörung 546 v. Chr. Wein beigemischt wurde (PLoS One e 0266085).

Von Natur her trägt die Orchidee, die Vanille liefert, Früchte nur in Mittelamerika

Wie das möglich war, weiß niemand, denn die Orchidee, aus deren Früchten Vanille gewonnen wird – Vanilla planifolia –, gedeiht von Natur her nur in Mittelamerika, sie windet sich Bäume hinauf, kultiviert wurde sie im 12. Jahrhundert von den Totonacen (die von den Azteken unterworfen wurden und Vanille als Tribut bezahlen mussten). Sie hatten einen Entstehungsmythos, demzufolge ein Prinz und eine Prinzessin eine verbotene Liebe eingingen und getötet wurden, bald darauf wuchs ein Baum, an den sich eine Kletterpflanze schmiegte, eng, Vanille leitet sich etymologisch von Vagina ab.

Das interessierte die Spanier nicht, sie wollten ihr Monopol hüten und die Ausfuhr der Pflanzen mit drastischen Strafen verhindern. Um so mehr Abenteurer wagten es, bald waren Schößlinge in Europa und wurden von den anderen Kolonialmächten in ihre tropischen Besitzungen gebracht. Dort wuchsen sie auch und blühten, aber Früchte trugen sie nicht, es lag daran, dass die Vanille nur einen Bestäuber hat, eine Biene, die es nur in Mittelamerika gibt.

Aber weit weg gab es einen findigen Kopf, auf der Insel Reunion (damals: Bourbon), den des Sklaven Edmond Albuis, der 1841 im Alter von 12 Jahren Vanilleblüten mit einem Holzstäbchen öffnete und die Geschlechtsteile – Stempel und Staubblätter – aneinander rieb. Das brach das Monopol, manuelle Bestäubung wird heute erdweit angewandt, sie ist aufwendig und macht Vanille – im großen Schnitt, wozu später – zum zweitteuersten Gewürz, nach Safran, der auch händisch gewonnen wird, aus Blüten.

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