Kunst

Russischer Geheimdienst FSB geht massiv gegen Künstler vor

Anatoly Osmolovsky
Anatoly OsmolovskySergei Fadeichev via www.imago-images.de
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Es soll die größte russische Geheimdienstoperation gegen zeitgenössische Künstler seit der Wende sein: Der FSB hat die Häuser von dutzenden Künstlern durchsucht und sie verhört. Darunter war auch einer der renommiertesten, Anatoli Osmolowski.

Mit zumindest 30 Hausdurchsuchungen in ganz Russland hat der Inlandsgeheimdienst FSB am Dienstag für Schockwellen in der russischen Kunstszene gesorgt. Offiziell ging es um Ermittlungen gegen Pussy Riot-Mitglied Pjotr Wersilow, insgesamt klopfte der FSB unter anderem bei Aktionskünstlerinnen und -künstlern in acht russischen Städten an. Betroffen war auch eine Museumsdirektorin aus Perm sowie mit Anatoli Osmolowski einer der renommiertesten Künstler Russlands.

Viele Details dieser größten russischen Geheimdienstoperation gegen zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler seit dem Zerfall der Sowjetunion wurden am Dienstag und Mittwoch erst langsam publik: Denn obwohl sie in allen bekannten Fällen als Zeugen geführt wurden, beschlagnahmten die Behörden bei vielen Betroffenen elektronische Geräte und erschwerten damit ihre Kommunikation. Einige Künstler zogen es zudem vor, aus Sicherheitsgründen nicht in die Öffentlichkeit zu gehen und ersuchten um Diskretion. Auch der Austria Presse Agentur ist ein diesbezüglicher Fall aus Moskau bekannt.

Pussy Riot-Mitglied kämpft für die Ukraine

Offizielle Grundlage der Ermittlungsmaßnahmen war nach übereinstimmenden Berichten ein Ermittlungsverfahren gegen Pjotr Wersilow: Der Künstler, der als Mitglied der Gruppe „Krieg“ und später als Produzent des feministischen Punkkollektivs Pussy Riot für einige der spektakulärsten Protestaktionen gegen die russische Staatsmacht mitverantwortlich gewesen war, hatte im vergangenen Oktober erzählt, sich der ukrainischen Armee angeschlossen zu haben. Ankläger in Moskau klassifizierten dies als Landesverrat. Der 36-Jährige selbst hat Russland 2020 verlassen und ist für die russische Justiz nicht greifbar.

Viele der betroffenen Personen seien jedoch mit Wersilow nicht einmal bekannt gewesen, erläuterte am Mittwochabend das auf staatlichen Repressionen in Russland spezialisierte Internetmedium Mediazona: „Daher gibt es Grund zur Annahme, dass dieses Ermittlungsverfahren nur ein Vorwand dafür ist, Vertreter der zeitgenössischen Kunst in Angst zu versetzen und sie aus dem Land zu treiben“, schrieb das Fachmedium, das selbst 2014 von Wersilow und seinen Pussy Riot-Mitstreiterinnen gegründet worden war.

Fokus auf Aktionskünstler und Streetart

Interpretiert wurde der Geheimdiensteinsatz aber auch im Zusammenhang mit den laufenden russischen Präsidentschaftswahlen, bei denen künstlerische Störaktionen jedenfalls vereitelt werden sollen. Denn unabhängig von ihrer Bekanntschaft mit Wersilow lag der Fokus der Hausdurchsuchungen auf Künstlerinnen und Künstlern, die aktionistisch oder mit Graffitis im öffentlichen Raum tätig sind. Abgesehen von im Russland verbliebenen von Pussy Riot oder der Petersburger Gruppe mit Namen Partei der Toten kam der Geheimdienst auch zum erfolgreichen Streetart-Vertreter Artjom Filatow in Nischni Nowgorod oder dem Perfomancekünstler Denis Mustafin.

Nach einer Hausdurchsuchung zum Verhör geführt wurde auch Anatoli Osmolowski: Der Patriarch des Moskauer Aktionskunst, dessen Werk seit den frühen 90ern auf einigen Venedig-Biennalen und auf der Documenta in Kassel zu sehen war, betreibt mit Basa auch eine der wichtigsten privaten Kunstschulen der russischen Hauptstadt. Neben dieser Fortbildungseinrichtung hätten sich die Ermittler für Kontakte zu Wersilow sowie für ein vom Moskauer Galeristen Marat Gelman initiiertes Kulturprojekt in Montenegro interessiert, schrieb die traditionell gut informierte Kulturbloggerin Ksenija Korobejnikowa am Mittwochnachmittag.

»Alle schweigen.«

Anonymer Künstler über die FSB-Aktion

Offener Protest galt als unmöglich und selbst kritische Stellungnahmen zu den Vorgängen waren in Russland indes kaum zu vernehmen. Er glaube nicht, dass Vertreter russischer Kunstinstitutionen die Causa öffentlich kommentieren würden, sagte ein Vertreter einer solchen Institution. „Alle schweigen“, schilderte ein in Russland lebender Künstler, der selbst nicht betroffen war. Zu subtilem Protest kam es lediglich am Mittwochabend bei einer Verleihung des „The Art Newspaper Russia“-Preises in Moskau: Einen Tag nachdem bei der Museumsdirektorin Nailja Allachwerdijewa in Perm eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, erklärte die Jury dieses renommierten russischen Kunstpreises ihr Museum zeitgenössischer Kunst PERMM zum „Museum des Jahres“. (APA)

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