Junge Forschung

Verwickelte Erbinformation und ihr Einfluss auf das Gehirn

Nico Wahl tüftelt an unseren Zellen, die wahre Verpackungskünstler sind: Zwei Meter DNA passen in den mikrometerkleinen Zellkern.
Nico Wahl tüftelt an unseren Zellen, die wahre Verpackungskünstler sind: Zwei Meter DNA passen in den mikrometerkleinen Zellkern.Thomas Steinlechner
  • Drucken

Der Biotechnologe Nico Wahl untersucht an der Med-Uni Innsbruck, wie ein Protein die 3-D-Faltung der DNA in Nervenzellen verändert: Das beeinflusst gewisse Gehirnfunktionen. 

Es hat tatsächlich alles Sinn gehabt“, beschreibt Nico Wahl den Moment, als er die ersten Ergebnisse seiner Datenanalyse gesehen hat. Er erforscht, wo Proteine an DNA binden und dadurch ihre Raumstruktur verändern. Denn sie ist entscheidend, um in gefalteter DNA Information korrekt ablesen zu können. Tatsächlich sind unsere Zellen wahre Verpackungskünstler: In jeder Körperzelle befinden sich zwei Meter DNA, die all unsere Erbinformation beinhaltet. Ein so langes Molekül muss in den einen hundertstel Millimeter kleinen Zellkern passen. „Gleichzeitig müssen in Neuronen die Gene, die etwa für die Gedächtnisbildung wichtig sind, schnell ablesbar sein“, erklärt Wahl.

Das erfordert eine spezielle Anordnung des DNA-Strangs. Besonders in Nervenzellen, die – anders als etwa Hautzellen – nicht neu gebildet werden. „Falls etwas schiefgeht, kann ein Neuron nicht ersetzt werden. Unsere Nervenzellen müssen also die 3-D-Struktur ihrer Erbinformation ein ganzes Leben lang funktionell halten.“ In seiner Forschungsarbeit konnte er nun ein Protein identifizieren, das wesentlich zur korrekten Faltung der DNA beiträgt: SATB2 oder „special AT-rich sequence-binding protein 2“.

Austausch und Inspiration

Dass Neuronen sehr speziell sind, hat Nico Wahl zur Neurobioforschung gebracht. „Ich fand es spannend, dass man im Gegensatz zu vielen anderen Organen bei Neuronen von der Zellfunktion nicht direkt auf die Funktionen des Gehirns schließen kann. Dazu wissen wir einfach noch viel zu wenig.“

Warum er in Innsbruck forscht, ist einfach zu erklären. Sein erster Besuch in Tirol zum Aufnahmetest für das Biotechnologiestudium an der MCI-Fachhochschule hat ihn überzeugt. „Die Sonne hat geschienen, überall saßen junge Menschen und Studenten am Inn, an der Uni waren alle nett und hilfreich. Da wusste ich: Hier will ich studieren.“ Nach dem Masterstudium am MCI wurde er Teil des Teams von Georg Dechant, Direktor des Instituts für Neurowissenschaften an der Med-Uni Innsbruck.

Assoziiert mit psychiatrischen Erkrankungen

Dort kam er auch auf die Spur des SATB2-Proteins, denn es verursacht eine äußerst seltene neurologische Erkrankung. Nur circa 700 Menschen weltweit fehlt eine Kopie des Gens von SATB2, sie haben einen stark verminderten Intelligenzquotienten (IQ) von nur 40 Punkten und eine oft gänzlich fehlende Sprachentwicklung. Durch spezielle DNA-Sequenzierungsexperimente in Mausneuronen konnten der Forscher und das Team nun zeigen, wo SATB2 an DNA bindet und so die die dreidimensionale Struktur der DNA verändert.

Tatsächlich sind v. a. jene Bereiche betroffen, in denen wichtige Gene für kognitive Funktionen liegen. Ihre Ablesbarkeit war ohne SATB2 stark beeinträchtigt. „Wir konnten auch sehen, dass besonders regulatorische Abschnitte zwischen den Genen verändert waren. Und zwar solche, die mit psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder bipolarer Störung assoziiert sind“, sagt Wahl.

»Unsere Nervenzellen
müssen die 3-D-Struktur ihrer Erbinformation ein ganzes Leben lang funktionell halten.«

Nico Wahl

Möglich wurde die Arbeit, die kürzlich im Fachjournal Molecular Cell publiziert wurde, auch durch die Zusammenarbeit mit Psychiatern aus New York, Humangenetikern aus Irland sowie dem Vienna Scientific Cluster der TU Wien, Österreichs größtem Supercomputer, um die enormen Datenmengen zu analysieren. Das gute wissenschaftliche Umfeld wird Wahl in Österreich halten. Im Rahmen eines Nachwuchsforschungsstipendiums vom Land Tirol forscht er weiter an der Rolle von SATB2 im Menschen und unterstützt gleichzeitig die wachsende neurowissenschaftliche Forschungsgemeinschaft in Tirol.

„Austausch mit anderen Kollegen ist das A und O guter Forschung. Daher haben wir letztes Jahr die Neurodays-Konferenz initiiert, um die lokale Neurobiologie-Community zu verbinden.“ So bleibt auch Zeit, weiterhin in Tirol die richtige Balance zwischen intensiver Forschung und Auszeit zu genießen: „Wenn man nur noch arbeitet, hängt man irgendwann gedanklich fest. Man muss etwas Abstand gewinnen, z. B. in den Bergen, um dann wieder in die Wissenschaft einzutauchen. Dann kommen die besten Ideen.“

Zur Person

Nico Wahl (30) erforscht epigenetische Mechanismen in Nervenzellen, also Veränderungen, bei denen der DNA-Code gleich bleibt. Geboren in Deutschland absolvierte er den Studiengang Biotechnologie an der MCI Innsbruck. Am Institut für Neurowissenschaften der Med-Uni Innsbruck hat er nach seinem Doktorat nun eine Postdocstelle.

Alle Beiträge auf diepresse.com/jungeforschung

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.