Interview

„Zuerst bringen wir ihre Feinde um, und jetzt sind es uns zu viele Gänse?“

Die Gänse erkennen sich am Gesicht (z.B. sind die weißen Federn um den Schnabel individuell) und an der Stimme.
Die Gänse erkennen sich am Gesicht (z.B. sind die weißen Federn um den Schnabel individuell) und an der Stimme.Brigitte Weiß
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Die Graugänse im Almtal sind berühmt: Sie sind clever und sozial, mit Influencerinnen und Followern.

Seit 2018 leitet Sonia Kleindorfer (58) die Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau im Almtal (OÖ). Aufgewachsen in den USA, hat Kleindorfer zuvor in Australien, Tansania und auf Galápagos geforscht. Jetzt präsentiert sie „Die erstaunliche Welt der Graugänse“.

Die Presse: Wo Graugänse in Massen auftreten, sind sie nicht sehr beliebt.

Sonia Kleindorfer: Ja, die Art ist nicht vom Aussterben bedroht (lacht). Ich wundere mich, warum sie bei manchen Ärger auslösen. Graugänse sind ein wunderbares Symbol für Artenvielfalt und Ökologie.

Wie meinen Sie das?

Graugänse bevorzugen kurzes Gras als Futter und brauchen mehrmals täglich frisches Wasser. Früher lebten sie an Flüssen und Seen. Sie haben durch ihr häufiges „Geschäft“ Mikrobiota in die Gewässer und Wiesen gebracht, waren eine Verbindung der Mikrobiome von Wasser und Land. Sie befestigen durchs ständige Knabbern die Gräser und Wurzeln am Ufer. Früher hatten Gänse viele natürliche Feinde: Fuchs, Uhu, Steinadler, Wolf. Der Mensch hat aber viele Fressfeinde umgebracht. Jetzt ärgern wir uns, dass die Graugänse zu viele werden?!

Wir sind selbst schuld, dass Gänse Felder, Golfplatz und Badeteich einnehmen?

Die Menschen haben Flusslandschaften zugemauert, die Feinde der Gänse vertrieben. Dafür bieten wir auf Golf- und Badeplätzen mit kurzem Gras und frischem Wasser ideale Bedingungen. Zudem profitieren Graugänse vom Klimawandel: Unsere Langzeitstudie zeigt, dass im Almtal die Temperatur in 30 Jahren um 1,5 bis 2 Grad gestiegen ist. Bei weniger Schnee und mehr Gras gedeihen die Gänse: Sie legen mehr Eier pro Nest, der Schlupferfolg steigt.

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