Spitäler

Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler: Generaldirektion lenkt in großem Stil ein

Bereits am 6. März protestierte die Belegschaft vor dem Krankenhaus. Mit prominenter Unterstützung wie etwa dem Ärztekammerpräsidenten, Johannes Steinhart.
Bereits am 6. März protestierte die Belegschaft vor dem Krankenhaus. Mit prominenter Unterstützung wie etwa dem Ärztekammerpräsidenten, Johannes Steinhart.APA/APA/Helmut Fohringer
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Der Belegschaft des Unfallkrankenhauses werden weitreichende Zugeständnisse gemacht. Auf dem Gelände soll rasch ein Container-Komplex entstehen. Der Betriebsrat hatte zuvor alle Druckmittel in die Waagschale geworfen und sogar einen Streik in Aussicht gestellt.

Der öffentlich ausgetragene und zuletzt eskalierte Konflikt um die Schließung und Sanierung des Traumazentrums Brigittenau (ehemals Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler), der sich zunehmend zu einem Machtkampf zwischen der Generaldirektion der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) und der Belegschaft des Spitals entwickelte, ist beigelegt. Der vom Betriebsrat angedrohte Streik ist vom Tisch, die Generaldirektion ist der Belegschaft beim zweiten Krisentreffen am Mittwochnachmittag (das erste fand am Montagnachmittag statt) in allen Punkten weitgehend entgegengekommen und will de facto sämtliche ihrer Forderungen erfüllen – auch die nach einem Container-Komplex auf dem Gelände des Lorenz Böhler als Übergangslösung während der Sanierungsarbeiten.

Diese Zugeständnisse waren erwartet worden, nachdem sich die AUVA-Generaldirektion bei der Kommunikation hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise rund um das Lorenz Böhler grobe Schnitzer geleistet und dabei nicht nur das Personal des Spitals, sondern auch die Ärztekammer, die Wiener Stadtregierung und das Gesundheitsministerium vor den Kopf gestoßen hatte. So wurde die Belegschaft in Bezug auf die nächsten zu unternehmenden Schritte teilweise sehr spät oder gar nicht informiert, was zu einem veritablen Vertrauensverlust in die Führungsqualitäten der Generaldirektion führte. Vor diesem Hintergrund blieb ihr nicht viel mehr übrig, als die Forderungen der Belegschaft zu erfüllen, um eine komplette Eskalation inklusive Streik und Versorgungsnotstand zu verhindern.

Keine Kündigungen oder Schlechterstellung

Diese Forderungen beinhalten eine rechtlich verbindliche Vereinbarung zur Absicherung der sozialen und arbeitsrechtlichen Ansprüche des Personals, einen exakten Zeitplan, wann das Lorenz Böhler wieder eröffnet wird und den Regelbetrieb aufnimmt, und die Vorlage aller Unterlagen und Gutachten, auf deren Basis die AUVA ihre jüngsten Entscheidungen getroffen hat.

Bei letzterem Punkt geht es um die Brandschutzbegutachtung eines Sachverständigen, aus der hervorgeht, dass eine sofortige Schließung und Sanierung des Gebäudes unumgänglich ist. Eine Expertenmeinung, die die Belegschaft anzweifelt. Eine Sanierung bei laufendem Betrieb sei sehr wohl möglich, würde nur länger dauern – das gehe aus bisherigen Aussagen desselben Sachverständigen und auch aus anderen, zuvor durchgeführten Begutachtungen hervor.

Dass das Lorenz Böhler bezüglich Brandschutz Nachholbedarf hat, ist im Übrigen seit Jahren bekannt. Erforderliche Maßnahmen sind aber der Belegschaft zufolge fahrlässig oder absichtlich ausgeblieben.

„Größtes Bemühen signalisiert“

Die AUVA habe bei dem Treffen am Mittwoch ihr „größtes Bemühen signalisiert“, sagt Heinz Brenner aus dem Verhandlungsteam der Arbeitnehmer, er ist Unfallchirurg im Lorenz Böhler. Das bedeutet, dass dem Betriebsrat bis Freitag nächster Woche ein detaillierteres Konzept zur weiteren Vorgehensweise des Spitals vorgelegt werden muss. Dass niemand gekündigt oder beruflich schlechtergestellt wird, war schon zuvor zugesichert worden.

Zudem – das war bis zuletzt einer der Knackpunkte der Verhandlungen – ist für die Phase während der Sanierung in unmittelbarer Nähe, also auf dem Gelände des Lorenz Böhler, ein Container-Komplex geplant. Dieses soll als Ersatz für Pflegestationen dienen, sodass die Infrastruktur des Spitals – auch während der Sanierungsarbeiten – weiterhin genutzt wird. Somit könnte das Personal am selben Standort weiterarbeiten und müsste nicht vorübergehend – auf Anordnung der AUVA – ins Traumazentrum Meidling und ins AKH ausweichen. Dagegen hatte sich das Personal bis zuletzt gewehrt, weil in Meidling und im AKH mit einer anderen medizinischen Infrastruktur gearbeitet werde, mit der sich die Ärzte und Pflegekräfte erst vertraut machen müssten.

Die Errichtung eines solchen Container-Komplexes auf dem Gelände des Lorenz Böhler, die der Belegschaft zufolge in einigen Wochen realisierbar wäre, wird derzeit erarbeitet, Gespräche mit Anbietern wurden schon angebahnt. Zuvor hatte die AUVA geplant, ein komplettes Container-Spital auf dem künftigen Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahngelände zu errichten, das ab 2025 in Betrieb gehen sollte. Bis dahin hätten alle Operationen (rund 2500 Akutoperationen pro Jahr) in Meidling und im AKH stattfinden sollen. Ebenso wie nicht akute, planbare Operationen wie etwa nach einem Kreuzbandriss, für die neue Termine vergeben werden sollten. Dieser Plan ist somit nicht mehr aktuell.

Vollbetrieb ab 2030

Bis der Container-Komplex am Standort des Lorenz Böhler errichtet ist, werden die akuten und planbaren Operationen am Standort in der Brigittenau durchgeführt – jedenfalls bis 25. März. Danach sollen die Eingriffe (aus heutiger Sicht 379) in Meidling, im AKH und einem weiteren Wiener Privatspital stattfinden. Welches, ist noch unklar, Gespräche sind im Gange. Für Patienten, die das Lorenz Böhler selbst aufsuchen, also nicht mit der Rettung gebracht werden, bleibt die Erstuntersuchungsambulanz (wie auch die Nachsorgebereiche) ohnehin weiter offen. Eingeschränkt wäre das Spital also in jedem Fall in Betrieb geblieben. Lediglich stationär wäre niemand mehr aufgenommen worden. Die endgültige Wiedereröffnung im Vollbetrieb ist im Übrigen für 2030 vorgesehen.

„Wir sind sehr froh darüber, dass wir nach mehreren intensiven Gesprächsrunden einen Abschluss erzielt haben, der einerseits unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die von unserer Seite stets zugesicherte Arbeitsplatzgarantie nun auch in schriftlicher Form gibt, andererseits unseren Patientinnen und Patienten auch nach der Leistungsverlagerung medizinische Versorgung auf höchstem Niveau garantiert“, sagt Alexander Bernart, Generaldirektor der AUVA. „Ich freue mich sehr über die Einigung, die wir gemeinsam für unsere Kolleginnen und Kollegen des Standortes Brigittenau erzielt haben“, ergänzt Erik Lenz, Zentralbetriebsratsvorsitzender der AUVA.

Arbeits- und Freizeitunfälle

Das Lorenz Böhler, in dem jährlich rund 65.000 Patienten behandelt werden, sowie das Traumazentrum Meidling sind die beiden Standorte der AUVA in Wien. Die AUVA wird mit Beiträgen der Arbeitgeber (1,1 Prozent der Lohnsumme) finanziert und wurde gegründet, damit Arbeitnehmer nach Arbeitsunfällen umfassend versorgt werden – Reha, eine allfällige Rente bei Arbeitsunfähigkeit und Haftungsansprüche inklusive. Später kam auch Prävention hinzu. Bis dahin hafteten nämlich die Arbeitgeber für anfallende Kosten nach Arbeitsunfällen – bis hin zu Rentenansprüchen, was kleinere Unternehmen, etwa eine Tischlerei, rasch in den Ruin treiben konnte.

Behandelt werden in AUVA-Spitälern aber dennoch nicht nur Arbeits-, sondern auch Freizeitunfälle. Letztere machen sogar die Mehrheit der Behandlungen aus. Dafür zahlt die Sozialversicherung, also etwa die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), einen Pauschalbeitrag pro Patient an die AUVA – es gibt zwei Pauschalbeträge, einen für stationäre und einen für ambulante Behandlungen. Die Sozialversicherung wird bekanntlich von Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert.

Umgekehrt zahlt die AUVA einen jährlichen Fixbetrag (derzeit 140 Millionen Euro) an die Sozialversicherung. Denn natürlich werden auch in Gemeindespitälern Arbeitsunfälle behandelt. Dieser Fixbetrag wird alle paar Jahre adaptiert. Eine Vereinbarung, auf die sich die Verantwortlichen vor Jahrzehnten geeinigt haben.

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