Krist Novoselic, Dave Grohl, Kurt Cobain und Pat Smear beim MTV-Unplugged-Konzert in New York, das Nirvanas Vermächtnis wurde. 
Rückschau

1994, Hallelujah, was für ein Musikjahr!

Britpop löste Grunge ab, Punk machte plötzlich Pop, Elektronik und Hip-Hop brachen auf in den Main­stream: Das Musikjahr 1994 war wegweisend – und schenkte uns diese
16 prägenden Alben.

Das Jahr, in dem man den eigenen Musikgeschmack entdeckt hat, hält man für wegweisend, gar epochal. Aber war es wirklich ein besonderes Jahr für die Historie, nicht nur für einen selbst? Die wenigsten Jahre halten einer objektiven Prüfung stand, 1968 auf jeden Fall, aber was ist mit 1994? Es hat sich eingeprägt, allein schon, weil Kurt Cobain am 5. April dieses Jahres starb. Und abseits davon? „Mainstream Alternative’s Greatest Year“, nennt es der „Rolling Stone“. Acht Alternative-Alben toppten die Billboard-Charts – Rekord, so das Magazin. Gar „forever“ habe dieses Jahr die Rockmusik verändert, schreibt das Musikmagazin „Kerrang!“: „Superbe“ Alben hätten Genregrenzen gesprengt und seien zu Klassikern geworden. „LA Weekly“ gibt zehn Gründe an, warum 1994 das beste Musikjahr war. Für das „Billboard“-Magazin ist es zumindest das wichtigste der Neunziger.

Alle diese Zeitschriften küren die besten, wichtigsten Alben dieser zwölf Monate. Was dabei auffällt: Es gibt weniger Überschneidungen, als man meinen möchte, obwohl der „Rolling Stone“ alleine 40 Alben nennt. „Kerrang!“, mit seinem Schwerpunkt auf härtere Musik, jubelt unter anderem über norwegischen Metal. „Billboard“ gibt Hip-Hop mehr Gewicht. Das britische „NME“ feiert patriotisch Britpop und Trip-Hop, den man damals Bristol Sound nannte. Ohnehin gilt: Man kann nicht alle auflisten! Die gemeinsamen Nenner sind andere: Das Musikgeschehen 1994 wirkt sehr männerdominiert, es reüssierten deutlich mehr Bands als Einzelmusiker, und fast alle stammten aus den USA oder aus Großbritannien.

Als Landkarte visualisiert, fängt man links oben an: 1994 sollte der letzte Höhepunkt des Grunge aus Seattle werden. Weiter südlich, in Kalifornien, mischten Green Day und The Offspring Punk mit Pop, sehr erfolgreich. In New York unternahm der Hip-Hop erste Schritte Richtung Mainstream-Dominanz, etwa mit Notorious B.I.G.s Debüt. Die Hip-Hop-Fehde zwischen Ost- und Westküste begann, bei der es tatsächlich Tote gab. Nicht mit Schusswaffen, sondern mit großen Klappen ausgefochten wurde die Rivalität auf der anderen Seite des großen Teiches: mit den Britpop-Boys Oasis und Blur. Der Trip-Hop schlich sich in die Ohren der Radiohörer, Technoides hämmerte hinein.

Warum gerade Musik abseits von klassischem Pop 1994 so dominant war, erklärt sich auch mit Nirvanas Erfolg: Die großen Musiklabels wollten am kommerziellen Erfolg des Grunge mitnaschen und nahmen Bands unter Vertrag, die in anderen Jahren als schwer verkäuflich gegolten hätten. 1994 wirkt damit nach, denn Genregrenzen wurden in diesem Jahr durchlässiger. Wenn ein Punk-Trio wie Green Day die Charts dominieren kann, warum sollte man sich dann auf eine Musikrichtung beschränken? Heute, 30 Jahre später, wundert man sich nicht mehr, wenn Taylor Swift plötzlich Folk-Alben herausgibt. Höchstens noch, wenn Beyoncé Country macht.

Unsere 16 Alben des Jahres 1994

Green Day: »Dookie«

Das Cover zu „Dookie“
Das Cover zu „Dookie“ Label

28. Jänner 1994. Das gezeichnete Cover ist eigentlich total kindisch: ein Wimmelbild mit Tieren, die Kot werfen, und fallenden Bomben, gefüllt mit Fäkalien. Das legt jedenfalls die Aufschrift „dookie“ nahe: amerikanischer Slang-Ausdruck für Kot. So genau ließ sich das damals – ohne Internet – im deutschen Sprachraum kaum nachschlagen, aber man erahnte, was das Wort heißt. Witzig sollte das sein, selbstironisch, Green Day waren aber auch damals nicht oberflächlich. Sie mischten Punk mit Pop wie niemand zuvor (mit rund 20 Mio. verkauften Alben gehört „Dookie“ zu den meistverkauften). 15 Songs in 38 Minuten, jeder ein potenzieller Hit, allen voran „Basket Case“ mit der ewiggültigen Frage: „Am I just paranoid? Or am I just stoned?“ (her)
Anspieltipp: „Burnout“ über die Angst davor, sich als als Erwachsener der Konformität zu unterwerfen.

Tori Amos: »Under the Pink«

Noch engelhaft: Tori Amos am Cover von „Under the Pink“
Noch engelhaft: Tori Amos am Cover von „Under the Pink“Label

31. Jänner. Mit „Pretty Good Year“ hob Amos’ zweites Album an, und es fühlte sich an wie eine Offenbarung, als hätte man nie zuvor jemanden gehört wie sie. Klar gibt es Vorgängerinnen wie Joni Mitchell und Kate Bush, nur waren diese in der Jugendszene (und im Radio) wenig präsent. Wie begraben unter all den Gitarrenbands und Popformationen. Diese junge rothaarige Frau am Klavier (erstmals mit Bösendorfer-Flügel) schien noch halb durch Avalon zu schweben, halb schon im Dreck der Erde gelandet zu sein, den sie auf dem Cover des Nachfolgealbums an den Füßen trug. Eine Zerrissenheit, die man als Jugendliche nachfühlen konnte, noch halb Kind, halb schon Erwachsene. Die Texte waren glücklicherweise im Booklet abgedruckt (nicht selbstverständlich!). Zwar gaben sie nur bedingt Aufschluss darüber, worum es in den Liedern geht, aber man fühlte darin die eigene Sehnsucht nach Liebe und nach einem Platz in dieser Welt. (her)
Anspieltipp: „Cloud on My Tongue“ über die Narben der Liebe.

Soundgarden: »Superunknown«

Soundgarden sangen auf „Superunknown“ über schwarze Tage
Soundgarden sangen auf „Superunknown“ über schwarze TageLabel

8. März. The band I loved (and love) to hate: Soundgarden, natürlich aus Seattle, hatten alles, was Grunge-Rock für einen 30-jährigen, New-Wave-sozialisierten Holzfällerhemden-Verweigerer so unerträglich machte. Die breitbeinigen Gitarren, das pathetische Schlagzeug, der zugleich gepresste und kreischige Gesang. Erinnerte das nicht an Black Sabbath? Gar an Grand Funk Railroad? Tat es. Und das war kein Zufall. Diese Provinzamerikaner machten kein Geheimnis daraus, dass sie Metal der alten Schule liebten, wie Nirvana übrigens auch, deren Sänger, Kurt Cobain, einen Monat nach Erscheinen dieses Albums starb. Über schwarze Tage sangen Soundgarden, über den Untergang, das Suhlen in Blut und Schlamm, die Sonne als Schwarzes Loch. Diese Depression ist ewig und wird aus der Flasche getrunken. (tk)
Anspieltipp: „Black Hole Sun“, was sonst? Eine Strophe reicht, und man ist zurück im 90er-Keller.

Nine Inch Nails: »The Downward Spiral«

Auch „Hurt“ findet sich auf „The Downward Spiral“
Auch „Hurt“ findet sich auf „The Downward Spiral“Label

8. März. „I wanna fuck you like an animal“: Heute hört man dergleichen auch bei Barockpoppern wie The Last Dinner Party. Doch in den Neunzigern wirkte sexuell Explizites in Songtexten kühn. Zumal Trent Reznor mit dem Hit „Closer“ auf der Schwelle zwischen Industrial-Gegenkultur und Mainstream tänzelte. „The Downward Spiral“, das zugehörige Album seiner Band Nine Inch Nails, bleibt ein Meisterwerk. Die Scheuermittel, mit denen Reznor seine Rock-Psychodramen beizte, lassen den Romantiker, Ästheten und Klangtüftler hinter dem Gruftie-Borstenkleid durchscheinen – nicht nur in der berühmten Selbstverletzungs-Ballade „Hurt“. Kein Wunder, dass Mr. NIN inzwischen als Starkomponist in Hollywood werkelt. (and)
Anspieltipp: „Piggy“: Ein lässiger Groove und Reznors mantrahafter Gesang ertrinken in purzelnder Kakophonie. Tanz den Nihilismus!

Hole: »Live Through This«

Eingängig, energetisch, feministisch: Hole
Eingängig, energetisch, feministisch: HoleLabel

12. April. Heute blickt man etwas gnädiger auf (berühmte) Frauen, klebt ihnen nicht ganz so schnell das Etikett Heilige oder Hure auf. Bei Courtney Love, Sängerin von Hole und Ehefrau von Kurt Cobain, war das noch anders. Sie war Feindbild vieler Nirvana-Fans – so sehr, dass ihr unterstellt wurde (und wird), sie habe Cobain ermorden lassen. Auch musikalisch wurde sie herabgewürdigt: Man munkelte, Cobain habe die Songs für „Live Through This“ geschrieben, das nur wenige Tage nach dessen Tod herauskam. Warum? Weil sie gut sind. Eingängig, energetisch, feministisch: Sie erzählen u. a. von victim blaming und Mutterschaft. Regisseurin Diablo Cody hat einen (Horror-)Film nach einem der Songs benannt: In „Jennifer’s Body“ singt Love aus der Sicht eines Mannes, der eine Frau für sein Eigentum hält. Sorry, selbst Kurt hätte das nicht so hinbekommen. (her)
Anspieltipp: „Doll Parts“: „I want to be the girl with the most cake“. Ja!

Pulp: »His ’n’ Hers«

Unwiderstehlich: „His ’n’ Hers“
Unwiderstehlich: „His ’n’ Hers“Label

18. April. Wovon handelt der ideale Popsong? Vom Jungsein und Erwachsenwerden. Noch präziser: vom ersten Mal (Sex, Drogen, Lokalverbot oder sonst was) und vom sehnsüchtigen Rückblick darauf. Der Slacker-Mod Jarvis Cocker und sein Band-Traumschiff Pulp waren Meister des idealen Popsongs – und damit 1994 die wahren Champions des Britpop, auch wenn das keiner erkannte. Seufz. Gut, ihre größten Party-nach-zwölf-Coups („Common People“, „Disco 2000“) und ihre bitteren Abrechnungen mit Cool Britannia („Cocaine Socialism“, „This Is Hardcore“) kamen erst etwas später, doch auf „His ’n’ Hers“ ist schon alles da, was sie unwiderstehlich macht. Die Beschwörung des Nie-nie-nie-Heimgehens in „Lipgloss“ etwa, die Saturday-Night-Tristesse („Joyriders“), die Träume von Filmküssen („Happy Endings“) oder das Bekenntnis zum Tee unterm Tisch. Wie gesagt: Britpop! (tk)
Anspieltipp: „Babies“: Überzeugender lässt sich ein Kinderwunsch nicht vortragen.

Nas: »Illmatic«

Ghetto-Poesie: Nas mit „Illmatic“
Ghetto-Poesie: Nas mit „Illmatic“beigestellt

19. April. In diversen Hip-Hop-Bestenlisten ist „Illmatic“ ganz vorn dabei, Kritiker überschlagen sich mit Superlativen, Superstars des Genres zählen dieses Album zu ihren Einflüssen (Kendrick Lamar etc.). Als es herauskam, war es kein Hit, selbst in den USA blieben die Verkaufszahlen unter den Erwartungen. Hierzulande schreckten die komplexen Texte ab, überstiegen Englischkenntnisse von Schülern. Denn Nas ist ein Poet, der sich Slangs bedient. Auf YouTube kann man ansehen, wie eine Harvard-Poetik-Professorin „It Ain’t Hard to Tell“ analysiert. „Illmatic“ ist eine Platte zum (Wieder-)Entdecken, weil sich die Sprachkenntnisse dank Internet und Streaming erweitert haben (und man notfalls eben online nachlesen kann). (her)
Anspieltipp: N. Y. State of Mind“: Drogen, Armut, Waffen, Polizeigewalt, alles drin.

Blur: »Parklife«

Irgendwie versteht man den Witz jetzt erst: Blur mit „Parklife“
Irgendwie versteht man den Witz jetzt erst: Blur mit „Parklife“beigestellt

25. April. Die erste große Britpop-Platte! Aber was an „Parklife“ zu wenig gewürdigt wird, ist der Witz dieses Albums. Bissig-schwarzhumorig, britisch eben. Die Beobachtungen im Titeltrack, der (von der LGBTQ-Gemeinde gefeierte) Liebesreigen in „Girls & Boys“, Astronomie als Thema („Far out“). Beneidenswert selbstbewusst wirkten Blur immer, und sie waren so gar nicht Grunge: nicht selbstzerfleischend und misanthropisch, sondern (trotz Melancholie!) lebensbejahend und musikalisch richtig überbordend. Überhit „Song 2“ von 1997 war übrigens kein Zufall: Auch hier gibt es punkige Lieder. (her)
Anspieltipp: „This Is a Low“ ist ideal für verkaterte Spaziergänge.

Weezer: »Weezer«

„Blue Album“ wird Weezers „Weezer“ auch genannt.
„Blue Album“ wird Weezers „Weezer“ auch genannt. Label

10. Mai. Das sollen Rockmusiker sein? Ein Haufen Milchbubis in schlecht sitzenden Hemden? Die subtile Selbstironie merkt man dem Cover des Debüts der US-Band Weezer fast nicht an. Humor bewies die Combo um Sänger und Gitarrist Rivers Cuomo von Anfang an. Doch ihr Erfolg gründet auf der Gefühlsintensität ihrer deftigen Mixtur aus Kaugummipop und Übersteuerung. In der Hit-Single „Buddy Holly“ besingen sie den Rock-’n’-Roll-Nerd schlechthin, ein pseudonaiv unbesorgter Ohrwurm, die Melodien kaschieren den Schmerz. Weezers Zweitling „Pinkerton“ legte das Herzeleid hinter der Hornbrille frei. (and)
Anspieltipp: „Say It Ain’t So“: Cuomo entpackt seinen verzwickten Vaterkomplex – aber man merkt es kaum vor lauter Powerballaden-Seligkeit.

Beastie Boys: »Ill Communication«

Das Video zu „Sabotage“ lief auf und ab.
Das Video zu „Sabotage“ lief auf und ab. Label

31. Mai. Mit 59:37 Minuten und 20 ­Liedern (ohne Bonusmaterial) ist „Ill Communication“ ein vergleichsweise langes Album. Der wichtigste Song darauf hat keine drei Minuten: „Sabotage“ natürlich, dieses punkige Stück Nihilismus mit klassischem Riff. Dazu hat auch das auf MTV in Dauerschleife gesendete Video von Spike Jonze beigetragen, in dem die Bandmitglieder verkleidet mit Sonnenbrillen, Perücken, aufgeklebten Schnauzern und schlecht sitzenden Anzügen durch Los Angeles rennen. Worum es im Lied geht? Es handle von einem nervenden Toningenieur, verriet die Band 24 Jahre (!) später. Das passt zu ihnen: Die Beastie Boys hatten immer wieder was von einem Insiderwitz, an dem man auch gern teilhaben würde. (her)
Anspieltipp: „Sure Shot“: Rap meets Punk meets Flöte. Originell.

Portishead: »Dummy«

Beth Gibbons‘ Stimme! Ganz groß auf Portisheads „Dummy“
Beth Gibbons‘ Stimme! Ganz groß auf Portisheads „Dummy“Label

22. August. Man sitzt in einem weiten, hohen, hellen Café, etwa in der Kunsthalle Wien, trinkt Gespritzte mit verdammt wenig Kohlensäure und verfällt dieser körperlosen, grundlos traurigen Stimme, während die Beats unter dem Sessel wegzurutschen scheinen … Dieses typische 1994er-Erlebnis verdankte sich der Band Portishead, die Kenner mysteriöserweise mit sch aussprachen. Trip-Hop heiße der Stil und grassiere in Bristol, erfuhr man. Dort wird also viel gekifft, dachte man. Noch eingerauchter klang Tricky, ein rastalockiger Mann aus derselben Stadt. Aber nicht so verzückt wie Portishead-Sängerin Beth Gibbons. Marihuana braucht man gar nicht, Kohlensäure ist ohnehin überschätzt, die Lokale sind dunkler geworden, aber diese Stimme bleibt. (tk)
Anspieltipp: „Sour Times“. Ist das eine Mandoline? Egal. Man schmeckt den Bitterstoff, von dem sie singt.

Jeff Buckley: »Grace«

„Grace“ sollte Jeff Buckleys einziges Studioalbum bleiben
„Grace“ sollte Jeff Buckleys einziges Studioalbum bleibenLabel

23. August. Was für eine Stimme! Inzwischen gilt „Grace“ als Klassiker (Platz 147 bei den besten Alben „aller Zeiten“ des „Rolling Stone“). Als es herauskam, verkaufte es sich schlecht. Kein Label ließ sich auf den Sohn von Songwriter Tim Buckley picken, sein Debüt wirkte aus der Zeit gefallen, mit jazzigen und bluesigen Anklängen. Geheimtipp war „Grace“ nur kurz, bald hörte man Buckley in Film und TV – vor allem das gefühlvolle Leonard-Cohen-Cover „Hallelujah“ und „Lilac Wine“ (das James Shelton schrieb). „Grace“ blieb einzig, Buckley ertrank 1997, ehe Album Nummer zwei fertig war. (her)
Anspieltipp: Der wendungsreiche Titeltrack „Grace“ ist Buckley in Quintessenz.

Oasis: »Definitely Maybe«

Ziemlich überheblich, ziemlich cool: Oasis mit „Definitely Maybe“
Ziemlich überheblich, ziemlich cool: Oasis mit „Definitely Maybe“Label

29. August. Sympathisch waren sie nie, die beiden Brüder Noel und Liam Gallagher. Wer cool und intellektuell wirken wollte, hörte Blur. Wer cool und überlegen wirken wollte, Oasis. Hier die Londoner Uni-Boys, dort die Arbeiterklasse-Fußballfans aus Manchester. Selbst wer Oasis ablehnte, konnte sich ihrem Appeal nicht entziehen, weder diesem getragenen, klassischen Band-Sound, noch dem wurschtigen Gesang Liams, schon gar nicht Noels poppigen Melodien oder diesem furchtlosen Optimismus („Live Forever“). Die Rivalität mit Blur war nie das Problem. Für die Implosion ihrer „besten Band der Welt“ sorgten die beiden Brüder ganz alleine. (her)
Anspieltipp: „Supersonic“: Textzeilen wie „I know a girl called Elsa, she’s into Alka-Seltzer“ sind eher schlicht? Das hat uns doch nie gekümmert.

Korn: »Korn«

11. Oktober. Die Blüte des New-Metal-Genres, das Rock im ausgehenden Millennium bestimmte, war 1994 nicht absehbar: Gitarrenmusik war noch in Punk und Grunge verhaftet. Doch wer das beeindruckende Debüt der kalifornischen Band Korn hörte, konnte den Paradigmenwechsel bereits erahnen. Sänger Jonathan Davis gemahnt noch an James Hetfield, aber der Ton ist ein anderer. Keine stolze Zornes­pose, keine Soli, dafür Inwendigkeit und Selbstquälerei, ins Monumentale gesteigert: ungeschlachte Riffs, windschiefe Klangkulissen, vokale Teufelsaustreibung als Trauma-Soundtrack. (and)
Anspieltipp: „Blind“: Leiser, nervöser Auftakt, dann pandämonische Eruption – New Metal in nuce. Are you ready? and

Nirvana: »Unplugged in New York«

Ewig traurig ob dieses Anblicks: „Unplugged in New York“ von Nirvana
Ewig traurig ob dieses Anblicks: „Unplugged in New York“ von NirvanaLabel

1. November. Fanatikerinnen hatten sich längst den Mitschnitt des Konzertes besorgt, das im November 1993 stattgefunden und seitdem auf MTV des Öfteren ausgestrahlt worden war. Auf VHS, samt Werbung. Manche ließen sich sogar die grünbraune Wollweste von Kurt Cobain nachstricken (die echte ist 2019 für 334.000 Dollar versteigert worden). In ähnlicher Kleidung stecken, um sich dem entschwundenen Idol nahe zu fühlen. Man studierte die Aufnahme, interpretierte jede Kleinigkeit als Anzeichen seines nahenden Todes. Sang er darum, eine Textzeile abändernd, Jesus wolle ihn nicht als Sonnenstrahl haben? Immer noch löst jedes Lied ein Gefühl der Trauer aus. (her)
Anspieltipp: Um die Cover wie David Bowies „The Man Who Sold the World“ hatte er gekämpft. Er hat gewonnen. her

Pearl Jam: »Vitalogy«

Überschattet von Kurt Cobains Tod: Pearl Jams „Vitalogy“
Überschattet von Kurt Cobains Tod: Pearl Jams „Vitalogy“Label

22. November. Als „commercial suicide“ galt das dritte Album von Pearl Jam, die wider Willen als Konkurrenz zu Nirvana gehandelt wurden. Es ist die sperrigste Platte der Band, mit einigen ihrer am schwersten hörbaren und einigen ihrer schönsten Lieder. Grunge in Reinform, er hat es einem nie leicht gemacht. Trotzdem und deshalb wird das Album geliebt. Cobains Tod schwingt mit, vom Opener „Last Exit“ bis zur Ballade „Immortality“ (dem letzten richtigen Lied des Albums). Darin folgt auf Eddie Vedders „some die just to live“ eine optimistische Gitarrenmelodie: Man kann Grunge auch überleben. (her)
Anspieltipp: Vedder schrieb „Better Man“ schon in der High-School. Hier gelangt der Song zur Perfektion.

Was noch?

Noch mehr Alben. Ganz vorn in den Album-Charts landeten in Österreich auch Mariah Careys „Music Box“, Pink Floyds „The Division Bell“ und Bryan Adams’
„So Far So Good“.
In den USA immens erfolgreich war eine schwedische Gruppe: Ace of Base mit „The Sign“ (das 1993 erschienen war).

Lieder. Die Liebe dominierte die Single-Charts: Mariah Carey mit „Without You“, Wet Wet Wet mit „Love Is All Around“ und Bryan Adams, Rod Stewart & Sting mit „All For Love“.

Dauerbrenner. Im September 1994 kam „Over the Hump“ von der Kelly Family mit dem Hit „Angel“ in die Charts und blieb (mit Unterbrechungen) bis November 1996.

Soundtracks. Ein Hit war „Der König der Löwen“ mit Songs, die Elton John schrieb. Auch die Soundtracks von „The Crow“ (u. a. mit The Cure), „Natural Born Killers“, „Pulp Fiction“ und „Philadelphia“ (mit Bruce Springsteen) waren groß.

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