Musikverein

Wenn altes Gold besonders glänzt

Philharmonisches: Bruckners Siebente unter Zubin Mehta und Martha Argerich am Klavier als Messlatte.

Denen, die dabei waren und mit Herz und Hirn gelauscht haben, graben sich solche Erlebnisse ins Gedächtnis. Die sind, wie es etwa Michael Heltau so treffend ausdrückt, „glücklich verdorben“ für den Rest ihrer Tage. Was es da zu erleben gab, als Messlatte für die Zukunft? Maurice Ravels G-Dur-Klavierkonzert, mit Martha Argerich, den Wiener Philharmonikern und Zubin Mehta am Pult.

Stimmt, die Pianistin, die 82 Lenze zählt, und der Dirigent, der Ende April 88 wird, bahnen sich beide mit kluger Vorsicht ihren Weg auf dem Podium. Aber sitzt sie erst einmal am Klavier, dann gibt es für die Argerich nach wie vor keinen ­Sicherheitsgurt. Stimmt schon, Ravels ­jazzig-klassizistisches Werk gehört zu den Leib- und Magenstücken dieser phänomenalen Musikerin. Doch selbst eine so jahrzehntelange Vertrautheit muss bei jedem Auftritt erst wieder aufs Neue bewiesen werden.

Martha Argerich tut das einfach – auch wenn’s alles andere als einfach ist, Ravels Tastenakrobatik mit dieser kapriziösen Lockerheit zum Klingen zu bringen, die erst den rechten Effekt macht. Fantastisch, mit welch freudiger Delikatesse sie dabei die Orchestersoli eben nicht niederklimpert, wie’s minder berufenen Händen nicht selten unterläuft, sondern wie sie sie in höchster Wertschätzung mit grazilen Girlanden umflort. Und das mit Recht: Aus Holz wie Blech steuerten die Philharmoniker unter Mehta glorios ihre eigenen Auftritte bei und glänzten im Rampenlicht. Kein Seil gab’s in diesem zirzensischen Miteinander, auf dem nicht Pirouetten gedreht, und keinen Reifen, durch den nicht noch ein paar Salti gesprungen worden wären.

Lässig brodelnder Elan

Dann der völlig unsentimentale, lyrisch zarte Fluss des Adagios – der letzte Flageolettton der Primgeigen allein ließ sich im Wert nur auf der Goldwaage ermessen. War da im Finale, dessen Sechsachteltakt-Abschnitte Mehta zunächst etwas schwerer nahm als erwartet, zunächst noch ein Restchen Strenge zu erleben? Spätestens bei der Wiederholung des Satzes als Zugabe verflüchtigte sich auch dieser Minieinwand in lässig brodelnden Elan. Wahre Jubelstürme – und die Gavotte aus BWV 808 als Argerichs eigentliches Encore.

Danach? Eine ganz in philharmonischen Goldtönen glänzende Siebte von Anton Bruckner, breit und würdevoll in der Anlage, aber niemals stockend. Mehta weiß, wie genießerisch er sein darf, die Wiener spielen ihm in alter Verbundenheit ihre Herzenstöne zu: bewegend.

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