Bruckner zu Ehren. Ein prachtvoller Saal für Konzerte großer, auch internationaler Orchester sollte entstehen.
Das Brucknerhaus

Eine „Linzer Torte aus Stahl und Glas“

Vom Architekturwettbewerb bis zur Eröffnung

Der Bauplatz war herrlich. Der Park, die Donau – wunderschön“ – so urteilte einst der finnische Architekt Heikki Sirén über jenen Ort, an dem das Brucknerhaus nach langen Diskussionen entstehen sollte. Ein weithin sichtbares Zeichen für die Kultur, die Vorwärtsgewandtheit und die Offenheit der Stadt Linz hatte man sich gewünscht. Ein Symbol der Moderne. Und vor allem eine einer Landeshauptstadt würdige Möglichkeit, hochkarätige, groß besetzte Konzerte mit internationaler Beteiligung aufzuführen.

Sirén hatte den Planungswettbewerb 1962 gemeinsam mit seiner Frau Kaija für sich entscheiden können. Das neue Konzerthaus sollte auf dem Areal zwischen Nibelungen- und Eisenbahnbrücke entstehen. Letztlich machte man so aus einem vergangenen Unglück ein Glück, war doch diese Zone nach der verheerenden „Jahrhundert“-Überschwemmung von 1954 als Hochwasserdamm aufgeschüttet worden.

»Der Bauplatz war herrlich. Der Park, die Donau – wunderschön … Aber auch schwierig. Weil der Platz sehr eng ist zwischen der Straße und dem Fluss.«

Heikki Sirén

Architekt

Mit Heikki Sirén hatte man einen Architekten gewählt, der seit 1949 ein eigenes Architekturbüro betrieb und der sich bereits mit Bauten wie der „Tech Town“, also dem Campus der Technischen Universität in Otaniemi, dem Restaurant Servin Mökki, der Gewölbekirche in Orivesi und dem Einwohnermeldeamt in Helsinki einen Namen gemacht hatte. Seine architektonische Intention galt anfangs von Alvar Aalto und Mies van der Rohe beeinflusst. Sirén vereinte auf besondere Weise die Bautradition seiner finnischen Heimat mit der Architektursprache des Brutalismus. Schlicht und elegant war seine Devise. Auch im Kulturbereich hatte er sich bereits Sporen verdient: Nach seinen Plänen waren das Konzertgebäude Lahti entstanden und die Renovierung des Finnischen Nationaltheaters durchgeführt worden.

1962 wurde also der Entwurf Siréns als jener auserkoren, der umgesetzt werden sollte. Insgesamt hatten 38 Teilnehmer 40 Arbeiten eingereicht. Auf dem zweiten Platz konnte sich in diesem Planungswettbewerb ein Linzer Team, Heribert Komlanz, Erich Scheich und Franz Treml, behaupten. Sirén seinerseits arbeitete regelmäßig mit seiner Frau Kaija zusammen. Die Arbeitsteilung hatten sie bereits mehrfach erprobt: Heikki Sirén übernahm die Projektleitung, Kaija Sirén brachte sich vor allem in die Innengestaltung ein. So sollte es auch für Linz geschehen.

„Linzer Torte aus Stahl und Glas“

Doch Heikki Sirén zeigte sich nicht nur – wie anfangs zitiert – begeistert, sondern machte sich auch schnell ein Bild davon, dass der Bauplatz darüber hinaus seine Herausforderungen mit sich brachte: Er nannte ihn „auch schwierig. Weil der Platz sehr eng ist zwischen der Straße und dem Fluss. So haben wir versucht, ein sehr kompaktes Gebäude zu machen. Deshalb ist das Brucknerhaus auch relativ klein“. Durch das parkähnliche Gelände waren die Grundlinien der Planung bereits vorgegeben, wie es auch in „Finnish Architectural Revue“ von April 1974 heißt. Eine geschwungene Glasfront, die den Ausblick auf die Donau ermöglichen sollte, lag auf der Hand. Und nicht nur auf diese, sondern auch auf den Pöstlingberg und Urfahr. Auch Sirén wird zitiert: „Die Glasfassade sollte den Schwung auf den Fluss mitmachen und den Blick darauf freigeben.“

Heikki und Kaija Sirén schufen ein kreissegmentförmiges Gebilde mit einfachem, klarem Baukörper und einer 130 Meter langen Glasfassade zur Donau hin. Das Gebäude, das später auch einmal als „Linzer Torte aus Stahl und Glas“ tituliert werden sollte, verfügt über ein Gehäuse aus Stahlbeton, warm getöntem Metall und glitzerndem Glas über sechs Ebenen. Aus der traurigen Vergangenheit hatte man gelernt: Damit ein etwaiges Hochwasser dem Haus nichts anhaben könne, ruht es in einer gigantischen Betonwanne mit einer eineinhalb Meter dicken Stahlbeton-Grundplatte, durchzogen mit Stahlgeäder von vielen Tonnen Gewicht – ein Gewebe also, dem nach Meinung zahlreicher Experten kein Wasser ankann. Dazu kam eine Fassade aus bronzefarbenem Aluminium. Als Schmuckstück kann zudem der weiße Marmor bezeichnet werden, der für die Eingangshalle verwendet wurde – heimischer, wohlgemerkt. Die große Wandelhalle im äußeren Bogen zur Donau hin fasst die fächerförmig angeordneten Räumlichkeiten zusammen. Während sich das Brucknerhaus in Richtung Donau also maximal öffnet und über Treppen und Terrassen mit der Landschaft verbunden ist, bleibt die Front zur verkehrsreichen Unteren Donaulände weitgehend verschlossen.

Kaija und Heikki Sirén aus Finnland gewannen im Jahr 1962 den Planungswettbewerb und kreierten die neue Konzerthalle.
Kaija und Heikki Sirén aus Finnland gewannen im Jahr 1962 den Planungswettbewerb und kreierten die neue Konzerthalle. Wikipedia/Kamu Espoo City Museum

Insgesamt schufen die Siréns ein Gebäude, das durch seine dynamische Form und seine ausgewogenen Proportionen beeindruckt. Friedrich Achleitner, Architekt und Architekturkritiker sowie Schriftsteller, beschrieb das entworfene Gebäude im Jubiläumsband „20 Jahre Brucknerhaus“ auf folgende Art und Weise: „Die Siréns haben im Anschluss an die Linzer Altstadt und die relativ integrierten Brückenkopfbauten einen Bau konzipiert, der sich in der Höhenentwicklung der Gipfellinie der Aubäume unterordnet. Das ganze räumliche und städtebauliche Konzept ist von der Uferlage, der Beziehung von Standort und Umraum bestimmt“, schreibt der Experte. Auch die Herkunft manch einer Inspiration weiß Achleitner einzuordnen: „Das Brucknerhaus ist wohl einer der letzten Vertreter jenes ,skandinavischen Klassizismus‘, der in den Dreißigerjahren eine Synthese mit dem Funktionalismus einging und sich durch eine einfache räumliche Disposition, Bescheidenheit in den formalen Mitteln und besondere Gediegenheit in Detail und Materialität auszeichnet.“

Seiner Ansicht nach, so Achleitner, erlaube „die Grundform des Kreissegments im konkreten Fall sowohl die Zuordnung der Säle als auch ein großes, zweigeschoßiges Foyer, das seine Attraktion von dem Kontakt zur Szenerie der Linzer Stadtlandschaft bezieht.“ Und er schreibt in diesem Jubiläumsband auch über die Atmosphäre der Innenräume. Für diese bestimmend sei „die ausschließliche Verwendung von hellem Holz und von Orange bei den Stühlen. Die übrigen Töne auf der Braun-Beige-Skala schaffen eine ,gedämpfte Vornehmheit‘, die weder steif noch lässig wirkt“, beschreibt Achleitner.

Kultur oder Sport?

Nach den jahrelangen Querelen lag also das baureife Projekt vor. Als Bauherr und Auftraggeber fungierte die Landeshauptstadt Linz, die Leitung des Planungsbüros dort übernahm Horst Hedler. Doch abermals verzögerte sich der Baubeginn, hatte doch Bürgermeister Edmund Aigner 1966 festgestellt, dass ob der Linzer Budgetnöte auch 1967 nicht gestartet werden konnte.

Ursprünglich hatte man sich zwischen Stadt Linz und Land Oberösterreich geeinigt, dass beide Partner sich verpflichteten, 57,5 Millionen der vorerst mit 150 Millionen Schilling veranschlagten Kosten zu übernehmen. Dem Bund wollte man 35 Millionen Schilling abverlangen. Zwischenzeitlich hatten zahlreiche Planungsänderungen dazu geführt, dass nun 275 Millionen Schilling benötigt wurden, also umgerechnet rund 20 Millionen Euro.

Dennoch forderten die „Oberösterreichischen Nachrichten“ unter Beteiligung zahlreicher Prominenter den Baubeginn im Jahr 1967 – und Hermann Polz schrieb in seinem Leitartikel: „Jeder Hilfsarbeiter beginnt heute sein Haus zu bauen, wenn er über ein Anfangskapital verfügt und die Möglichkeiten weiterer Kapitalbeschaffung abgesichert hat. Jeder Hilfsarbeiter hat also mehr Vertrauen in seine Tüchtigkeit und in seine Kraft, die Zukunft zu meistern, als die Stadt Linz. Sollte das nicht beschämend sein?“ Generell schoben die „Oberösterreichischen Nachrichten“ oft an: „Hört auf mit den Ausreden, baut doch die Brucknerhalle“, lautete ein Titel.

Erschwerend kam hinzu, dass Linz damals auch ein neues Verwaltungsgebäude benötigte, das letztlich dann erst elf Jahre nach dem Brucknerhaus als Neues Rathaus eröffnet werden sollte. Generell entschied man sich aber nach längeren Überlegungen dazu, dass es wichtig sei, zuerst den Status als Kulturstadt zu betonen. Und man schrieb in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ auch: „Es muss endlich eine unverwechselbare Eigenart bekommen, die nicht nur im wirtschaftlichen Fortschritt liegt. Darum darf die Brucknerhalle nicht nur als vordringliches Projekt anerkannt, sondern muss auch als solches behandelt werden.“ Auch kam die Diskussion auf, ob nun eine Stadthalle, die auch für sportliche Ereignisse nutzbar wäre, oder das Brucknerhaus Vorrang habe. Damals gab es sogar die Überlegung, eine Volksbefragung dazu durchzuführen. Und man liest auch von Befürchtungen, das Finanzministerium in Wien könne seinen zugesagten Anteil zurückziehen, wenn nicht rechtzeitig mit dem Bau begonnen wurde.

Es verging wieder einige Zeit – konkret bis zum 6. November 1968 –, bis Bürgermeister Theodor Grill den endgültigen Beschluss über den Baubeginn des Brucknerhauses im Jahr 1969 fasste und verkündete. Nun schrieben die „Oberösterreichischen Nachrichten“: „Jetzt ist es endlich offiziell: Die Brucknerhalle wird gebaut – im Frühjahr 1969 geht es los.“ In der Jahresversammlung des Vereins zur Errichtung der Brucknerhalle am Montag sei die Rede davon gewesen, „dass der Gemeinderat in der ersten oder zweiten Sitzung im neuen Jahr den Baubeschluss verfassen werde, sodass im Frühjahr 1969 (Februar oder März) mit dem Bau begonnen werden könne“.

Und dann war es doch ein klein wenig früher als gedacht so weit. Am 21. Jänner 1969 vermeldeten die „Oberösterreichischen Nachrichten“: „Projekt Brucknerhalle im Baustadium. ‚Nun geht es morgen los! Dazu ein herrliches Glückauf!‘ Mit diesen Worten, die vom Applaus der fünfzig Gemeinderäte begleitet waren, griff Bürgermeister (Theodor, Anm.) Grill gestern dem formalen Beschluss des Stadtparlaments zum Bau der Brucknerhalle vor. Fünfzig erhobene Mandatarshände bekräftigten gleich darauf in demonstrativer Einmütigkeit den Entschluss der Volksvertretung.“

Am 21. Jänner fräste tatsächlich die erste Schubraupe an der Südseite des mächtigen Donau-Hochwasserschutzdammes die erste Erdladung aus dem Boden. Am 16. Mai 1969 fand durch Bundespräsident Franz Jonas und den damaligen Bürgermeister von Linz, Theodor Grill, der offizielle Akt der Grundsteinlegung für das Brucknerhaus statt, wobei eine Kapsel mit tagesaktuellen Gegenständen eingemauert wurde, die sich bis heute in einem Pfeiler des Brucknerhauses befindet.

Die Bauarbeiten zogen sich über vier Jahre und dauerten bis 1973.
Die Bauarbeiten zogen sich über vier Jahre und dauerten bis 1973.Archiv der Stadt Linz
Das Brucknerhaus entstand dort, wo man wegen Überschwemmungen einen Damm aufgeschüttet hatte.
Das Brucknerhaus entstand dort, wo man wegen Überschwemmungen einen Damm aufgeschüttet hatte.Archiv der Stadt Linz
Für das Gehäuse wählte Architekt Sirén Stahlbeton.
Für das Gehäuse wählte Architekt Sirén Stahlbeton.Burgi Eder
Die geschwungene Glasfassade ist weithin sichtbar und ermöglicht den Blick auf die Donau, den Pöstlingberg und Urfahr.
Die geschwungene Glasfassade ist weithin sichtbar und ermöglicht den Blick auf die Donau, den Pöstlingberg und Urfahr.Burgi Eder

Die Bauzeit nahm vier Jahre in Anspruch, sie sollte sich also bis 1973 erstrecken. Für den Betrieb wurden drei Säle errichtet: Der Brucknersaal mit seinen 1400 Sitzplätzen für Symphoniekonzerte, konzertante Opern und andere Großveranstaltungen mit seinen 22 Reihen, respektive drei optionalen Zusatzreihen, sowie fünf Sitzreihen auf der Galerie. Bis zu 220 Mitwirkende finden außerdem im Brucknersaal Platz.

Als mittelgroßer Saal wurde der Stiftersaal, auch Kammermusiksaal, errichtet. Er ist nach dem oberösterreichischen Dichter Adalbert Stifter benannt und bietet 300 Plätze. Hier sollte später so manche Karriere beginnen. Auffällig ist der an der Wand hängende, handgewebte Teppich der koreanischen Künstlerin Anne Tredjan, der als Symbol der Interkulturalität gelten kann, er ist 42 Quadratmeter groß, in ihm ist Sisal mit Seide verwebt und er erfreut die Augen der Zuschauer an der Bühnenrückseite des Stifter-Saals. Ebenfalls nach einem berühmten Oberösterreicher, Johannes Kepler, ist der dritte Saal benannt. Er bietet für 150 Personen und für Symposien, Vorträge und Lesungen Platz. Insgesamt wurden im Brucknerhaus 180 Kilometer Starkstromkabel, 57 Kilometer Schwachstromkabel, 25 Kilometer Drähte und 2000 Leuchten eingebaut.

Im Herbst 1973 wurde schlussendlich der Probebetrieb aufgenommen, die LIVA (Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH), die 1971 gegründet worden war, zog ein. Erprobt wurde der Veranstaltungsalltag bereits vor der eigentlichen Eröffnung, tagte doch beispielsweise der Kongress der Anästhesisten 1973 im Brucknerhaus, auch eine imposante Lichtshow war Teil desselben.

Karajans Anteil an der Akustik

Sorgfältige akustische Planungen mit finnischen und österreichischen Experten waren selbstredend Teil des Konzepts des Brucknerhauses. Auch Ultraschallprüfreihen, die im schalltechnischen Labor der Technischen Universität Dresden an einem Modell durchgeführt wurden, spielten eine Rolle bei der akustischen Planung der Halle.

An der Akustik hatte aber auch Herbert von Karajan seinen Anteil. Horst Stadlmayr, seit Mai 1970 Generalmanager der LIVA, hatte ihn gebeten, das Eröffnungskonzert zu dirigieren. Der international renommierte Maestro sollte das Haus quasi durch seine Mitwirkung adeln. Stadlmayr soll zu Karajan gesagt haben: „Wenn Sie nicht dirigieren, wird das Haus nicht eröffnet.“ Der Maestro sagte zu, knüpfte sein Engagement aber an eine Bedingung: Er wollte ein halbes Jahr vor der Eröffnung nach Linz kommen, um die Akustik zu überprüfen. Das Bruckner Orchester Linz musste bereitstehen und Anton Bruckners „Siebente“ spielen. Karajan ging während der Probe anfangs im Saal herum, wie man sich erzählt. Auch unterbrach er die Probe mehrfach und hörte sich das Spiel von unterschiedlichen Positionen im Raum aus an. Er klatschte auch drei Mal im Mittelgang in die Hände und horchte auf den Klang. Immer wieder unterhielt und beriet er sich mit seinem mitgebrachten Akustiker. Als das Orchester den ersten Satz beendet hatte, kam Herbert von Karajan mit einem schwungvollen Sprung aus dem Publikumsbereich ans Pult, wie man sich erzählt, bat, den Taktstock übernehmen zu dürfen, und leitete die Musiker weiter. Wenn das nicht ein Ritterschlag war! Ein paar Wünsche, die Akustik betreffend, äußerte er im Anschluss. Auf seinen Rat hin wurden beispielsweise noch die markanten, offenen Kugeln eingebaut, die als Schallwellenbrecher dienen.

Ein Wunsch anderer Natur wurde Karajan jedoch nicht gewährt: Eigentlich war es sein Vorschlag, mit den Berliner Philharmonikern die Eröffnung zu spielen, deren Chefdirigent er damals war. Die Wiener Philharmoniker hatte er seit seinem Rücktritt als Direktor der Wiener Staatsoper im Inland weit weniger als zuvor dirigiert. Doch hier ließ sich Stadlmayr nicht umstimmen, er wollte die „Wiener“ für die Eröffnung.

Letztlich war Karajan als Eröffnungsdirigent fix – und reiste mit seinem Privatjet zu den Feierlichkeiten an. Horst Stadlmayr holte ihn selbst vom Flughafen ab. Und auch zum Konzert selbst gelangte Karajan wie ein Superstar. Obwohl er nur 50 Meter entfernt im heutigen Arcotel wohnte, ließ er sich mit dem Taxi zum Brucknerhaus-Haupteingang bringen. Als er dann den Taktstock zu Bruckners „Siebenter“ erhob, war ein jahrzehntelanger Traum vieler wahr geworden.

Von „überragender Schönheit“

Das Inaugurationskonzert fand am 23. März 1974 statt. Vormittags gab es einen Eröffnungsakt mit dem Bruckner Orchester Linz unter Kurt Wöss sowie Solisten wie Agnes Baltsa und Chören aus Oberösterreich. Abends folgte dann das Festkonzert zur Eröffnung mit der „Siebenten“ Bruckners unter Karajan mit den Wiener Philharmonikern sowie vier Motetten von Anton Bruckner („Locus iste“, „Os justi“, „Christus factus est“ und „Ave Maria“), Letztere mit dem Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien unter Helmuth Froschauer.

Am Vormittag der Eröffnung am 23. März 1974 spielte das Bruckner Orchester Linz unter Kurt Wöss.
Am Vormittag der Eröffnung am 23. März 1974 spielte das Bruckner Orchester Linz unter Kurt Wöss.Votava/picturedesk.com
Bundeskanzler Bruno Kreisky (Mitte) mit Landeshauptmann Erwin Wenzl (links) und Bürgermeister Franz Hillinger (rechts) bei der Eröffnung.
Bundeskanzler Bruno Kreisky (Mitte) mit Landeshauptmann Erwin Wenzl (links) und Bürgermeister Franz Hillinger (rechts) bei der Eröffnung.Votava/picturedesk.com
Die Wiener Philharmoniker spielten unter der Leitung von Herbert von Karajan am Abend der Eröffnung Bruckners Siebente Symphonie.
Die Wiener Philharmoniker spielten unter der Leitung von Herbert von Karajan am Abend der Eröffnung Bruckners Siebente Symphonie.

Karajan nannte das Klangerlebnis selbst eines „von berauschender Schönheit“. Horst Stadlmayr, der sich gleich von Beginn an und bis 1987 als Direktor etablieren konnte und anfangs Margareta Wöss als seine Musikdirektorin an seiner Seite hatte, konnte sich über ein ausverkauftes Haus freuen und die „Oberösterreichischen Nachrichten“ schrieben: „Seit dem 16. Jahrhundert gab es in Linz kein solches Fest.“

Vom Eröffnungstag an gab es Uraufführungen, darunter Gottfried von Einems „Bruckner Dialog“, eben am 23. März 1974, sowie dann im April jene der Kurzoper „Penelope und der Landstreicher“ von Bert Rudolf und jene der nun im Rahmen der Gesamtausgabe vorgelegten frühen f-moll-Symphonie, die man zum ersten Mal zu klingendem Leben erweckte. Die Orgel wurde in einer eigenen Uraufführung dem Publikum vorgestellt, und zwar mit einem weiteren Auftragswerk der Stadt Linz, der „Konzertanten Musik für Orgel und Bläser“ des Stiftsorganisten von St. Florian, Augustinus Franz Kropfreiter.

Die Weihe der Orgel fand rund einen Monat nach der eigentlichen Inauguration statt. Das Instrument war von Alois Forer konzipiert worden. Auch wenn diese 2018 abgebaut und durch eine Orgel der Vorarlberger Firma Rieger Orgelbau ersetzt wurde, lebt sie gewissermaßen in Teilen noch heute weiter, konnten doch Interessierte damals Orgelpfeifen käuflich erwerben.

»Linz wird attraktiv. … 
Der heutige 23. März 1974 bedeutet einen Wendepunkt der Musikpflege in unserer Stadt, 
ja im ganzen Lande, dessen einschneidende Wirkung zwar nicht vorausberechnet, jedoch geahnt werden kann. «

Oberösterreichische Nachrichten 

Die Etablierung des Brucknerhauses wurde nicht nur als Konzertereignis gefeiert. Das Brucknerhaus wurde als Beginn einer Transformation von der Industriestadt zur Kulturstadt angesehen, die „Oberösterreichischen Nachrichten“ schrieben: „Mit dem Brucknerhaus jedoch erhält Linz eine Chance, nicht mehr als möglichst zu meidende ‚Provinz‘ angesehen zu werden: Das Interesse der musikalischen Weltelite erwachte. Linz wird attraktiv.“ Und weiter hieß es da: „Mit der Eröffnung des Brucknerhauses tritt das Linzer Konzertleben in eine neue Phase. Der heutige 23. März 1974 bedeutet einen Wendepunkt der Musikpflege in unserer Stadt, ja im ganzen Lande, dessen einschneidende Wirkung zwar nicht vorausberechnet, jedoch geahnt werden kann, zumal in verschiedenen Details die Ausstrahlung des neuen Hauses bereits deutlich erkennbar wurde. Sie manifestierte sich bisher in zwei Punkten: Das Interesse an Linzer Konzerten stieg einmal beim Publikum, zum anderen auch bei den ausübenden Künstlern“, so schrieb Gerhard Ritschel in dieser Tageszeitung. Und er wusste auch von der Einstellung so mancher Linzer zu berichten: „Die Reaktion der Linzer Musikfreunde auf die Frage, was sie über das Brucknerhaus denken, läßt sich in zwei Kategorien teilen. Die eine deutet auf Freude und Genugtuung (‚Endlich!‘, ‚Gott sei Dank!‘, ‚s’war höchste Zeit‘ …) , die andere auf Enttäuschung und manchmal auch Verärgerung (‚Und wer kommt da hinein? ...‘)“. Nicht nur eine Stimme ließ sich auch hören, die besagte, dass jene recht gehabt hatten, die einen Fassungsraum des großen Saals von 2000 Personen vorgeschlagen hatten, konnte man doch bei manchen Veranstaltungen der Nachfrage nicht gerecht werden.

Und auch die Künstlerinnen und Künstler dachten nun durch die Eröffnung des Brucknerhauses anders über Engagements in Linz, zeigten sich die „Oberösterreichischen Nachrichten“ überzeugt. Soll Anneliese Rothenberger, so schrieb man, zuvor anlässlich eines Auftritts in der Diesterweghalle gesagt haben: „Wenn ich gewusst hätte, wie dieser Saal ausschaut, wäre ich nicht gekommen“, so war man nun sicher, dass Linz durch die Eröffnung des Brucknerhauses „eine erstrebenswerte Station“ für viele international tätige Künstlerinnen und Künstler sei, „die man zumindest auf der Durchreise nach Wien oder München ‚mitnehmen‘ kann.“ Und es dürfte wohl auch nicht nur Herbert von Karajans Anwesenheit bei der Eröffnung, sondern auch das von ihm überlieferte Zitat gewesen sein, das schmeichelte und namhafte Kolleginnen und Kollegen in der Folge anlockte: Der Saal sei „groß in der Auffassung“ – und vor allem „von überragender Schönheit“.

Das Magazin

Ein gemeinsames Magazin für zwei Jubiläen: 50 Jahre Brucknerhaus, 200 Jahre Anton Bruckner.

Das Magazin ist im Brucknerhaus Linz, im Handel oder unter diepresse.com/geschichte zum Preis von 14 Euro erhältlich.

Dieses Magazin wurde von der „Presse“ in Unabhängigkeit gestaltet. Es ist mit finanzieller Unterstützung der LIVA - Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH möglich geworden.

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