Interview

EU-Parlamentschefin Metsola: „Haben die Bürger nicht mehr auf unserer Seite“

EU-Parlamentschefin Metsola (li.) mit Kommissionspräsidentin von der Leyen.
EU-Parlamentschefin Metsola (li.) mit Kommissionspräsidentin von der Leyen. APA / AFP / Frederick Florin
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Die Präsidentin des Europaparlaments warnt vor dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien und fordert einen Ausbau des EU-Binnenmarkts.

Wien. Roberta Metsola lässt beim persönlichen Treffen keine Zweifel aufkommen: „Die kommenden fünf Jahre werden für Europa mindestens so schwierig wie die vergangenen fünf.“ Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Nahost-Konflikt, der Klimawandel und die irreguläre Migration sind nur einige der Krisen, die die Union weiter in Atem halten – und eine „konstruktive Zusammenarbeit“ erfordern. Rechtspopulisten, denen sämtliche Umfragen einen regen Zulauf bei der Europawahl Anfang Juni voraussagen, seien keine verlässlichen Gesprächspartner. „Ich hoffe, dass auch in Österreich die Diskussion darüber, welchen Weg die Union einschlagen soll, leidenschaftlich geführt wird“, so die EU-Parlamentspräsidentin mit Blick auf den wahrscheinlichen heimischen Wahlsieger, die FPÖ.

Wohin die Europäische Volkspartei (EVP), Metsolas politische Heimat also, die EU führen will, hat sie bei einem Kongress Anfang März in Bukarest festgelegt. Was sofort auffällt: Das Manifest, knapp 25 Seiten lang, behandelt das einstige Prestigeprojekt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nur noch als Unterpunkt zum großen Themenkomplex „Soziale Marktwirtschaft“: Die Rede ist vom Kampf gegen den Klimawandel, der vielen in der EVP in den letzten Jahren zu ambitioniert – und vor allem: zu wenig wirtschaftsfreundlich – geführt wurde.

Die Christdemokraten bekennen sich zwar weiterhin zum „Green Deal“, der die Klimaneutralität Europas bis zum Jahr 2050 garantieren soll – aber nicht uneingeschränkt. So wurde eine geplante Verordnung zur Verringerung von Pestiziden nach den anhaltenden Bauernprotesten jüngst von der EVP-Spitzenkandidatin von der Leyen zurückgezogen, eine Mehrheit der EVP-Abgeordneten im Europaparlament stimmte zudem gegen das Renaturierungsgesetz zur Wiederherstellung widerstandsfähiger Ökosysteme. „Wir haben die Bürger nicht mehr auf unserer Seite. Der wirtschaftliche und soziale Einfluss der Gesetzgebung darf nicht zu groß sein“, meint die Malteserin Metsola zur „Presse“. Denn: Je mehr der Einzelne unmittelbar von den Maßnahmen betroffen ist, umso geringer ist die Zustimmung.

Sicherheit und Wirtschaft

Der Fokus der EVP in der neuen Legislaturperiode liegt zum einen beim Themenkomplex Sicherheit, zu dem auch die Migration zählt, zum zweiten beim Thema Wirtschaftsstandort Europa: Der gemeinsame Binnenmarkt müsse ausgebaut und verbessert werden, forderte Metsola diese Woche in Wien. Die Klimastrategie soll sich an der Wirtschaft orientieren, nicht umgekehrt. So schweben der 45-jährigen Investitionen in erneuerbare Energien, um Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen, vor.

„Wenn wir uns auf diese Themen konzentrieren, werden wir auch nach der Wahl eine Mehrheit in der politischen Mitte finden“, zeigt sich die Parlamentschefin überzeugt, bevor sie zu einem Treffen mit dem ukrainischen Premier Denis Shmyhal zurück nach Brüssel reist.

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