Post aus den USA

Zu gut für den Arbeitsmarkt

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SymbolbildIMAGO/imageBROKER/Oleksandr Latkun
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Beobachtungen der US-Korrespondentin im Wahljahr. Diesmal: Hausfrauenträume.

Dieses Jahr wird für mich ein intensives. Die Wahl steht an, die Wahl, und bis dahin treibt es mich in alle Ecken der USA: Schneestürme, Blitzeis; Februarhitze, Wüstenstaub; Sportarenen, Schulturnhallen. Mein Beruf ist die Nachrichtenbeschaffung, sie ist auch mein Hobby. Ich verspreche Ihnen daher an dieser Stelle, Sie hier auch mit Gossip zu versorgen. Der kommt dieses Mal aus New York. Das Dating-Fieber grassiert dort aktuell in meinem Freundeskreis, und die jüngsten Skurrilitäten werden gern beim Dinner ausgeplaudert. Diesmal, bei Lamm und Tee beim Jemeniten, erstaunte uns ein Freund mit seiner neuesten Eroberung: einer Mitte-20-jährigen Studentin, deren Ziel es ist, wie eine Hausfrau in den 1950ern zu leben. Und das Ziel ist nicht nur das ihre. Alle ihre Freundinnen träumen davon, „tradwives“ zu sein, kurz für „traditionelle“ Ehefrauen. Es ist ein TikTok-Trend, und während die Senatoren in Washington die chinesische Videoplattform aus geopolitischen Gründen verbieten wollen, dürften auch Feministinnen mehrerer Wellen aufatmen.

Dabei hat die ganze Sache eigentlich etwas Kapitalismuskritisches. Diese junge Freundin unseres Freundes ist sich schlicht zu gut für den Arbeitsmarkt, und das ist das Gefühl einer ganzen Generation. New York macht die Lohnerwerbswelt nicht wirklich attraktiver: Selbst die kritischsten Geister werden irgendwann gebrochen und landen in corporate jobs; die besten Künstler sind hier oft hinter den Tresen der Lower East Side zu finden. Die Freundin träumt hingegen von lachenden Kindern, karierten Schürzen, Apfelkuchen. Das Internet inspiriert sie, sich abzuschotten - es ist paradox, aber verständlich; auch wenn die tradwives auf TikTok wohl schwerbezahlte Social-Media-Karrieristinnen sind. Einen Apfelkuchen versuchte sie letztens auch unserem Freund zu backen. Er übernahm nach zehn Minuten. Sie hatte einen Suppentopf als Tortenform verwenden wollen.

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