Interview

ORF-Chefredaktion: „Bei uns kann man sich nichts wünschen“

ORF-Chefredakteure: Sebastian Prokop, Gabriele Waldner und Johannes Bruckenberger (v. l.).
ORF-Chefredakteure: Sebastian Prokop, Gabriele Waldner und Johannes Bruckenberger (v. l.).H. Leitner/ORF
  • Drucken

Die ORF-Chefredakteure Sebastian Prokop, Gabriele Waldner und Johannes Bruckenberger über Interventionen, die Zukunft von „Im Zentrum“ und einen Besuch vom Bundeskanzler.

Die Presse: Jetzt gibt es drei Chefredakteure. Bei wem von Ihnen rufe ich als Politiker an, wenn ich mir etwas wünsche?

Gabriele Waldner: (lacht) Das ist ja das Ziel, dass niemand weiß, wo er anrufen soll.

Johannes Bruckenberger: Ich schaue vielleicht aus wie der Weihnachtsmann, aber bei mir kann man sich nichts wünschen. Und sonst gibt es auf allen Ebenen, auch in den Ressorts, Kontakte zu politischen Öffentlichkeitsarbeitern, die zum professionellen Umgang dazugehören. Ich kenne es aus der APA. Der Unterschied zum ORF ist gering.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker hat getwittert, Bundeskanzler Karl Nehammer wäre in den Newsroom „geschneit“, um den „Rundfunk auf Linie zu bringen“. Worum ging es?

Waldner: Wir haben alle Parteichefs und Parteichefinnen eingeladen, uns im Newsroom zu besuchen. FPÖ-Chef Herbert Kickl und Christian Hafenecker wollten nicht kommen. Wir haben sie dann in ihrem Parlamentsbüro besucht und uns mit ihnen ausgetauscht. Nichts anderes haben wir auch mit dem Bundeskanzler gemacht.

Der neue FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler kritisiert den ORF als „Propagandamaschinerie“. Hat er schon angerufen?

Waldner: Mich nicht. Vielleicht hat er meine Nummer nicht.

Bruckenberger: Westenthaler ist einer von 35 Stiftungsräten. Er macht seinen Job. Unser Job ist unabhängiger, objektiver, faktenbasierter Qualitätsjournalismus. That’s it.

Woran werde ich als Zuschauerin merken, dass Sie drei jetzt im Amt sind?

Waldner: Sie merken es etwa daran, dass Ihnen bestimmte Reporternamen aus dem Radio vertraut sind, die sie jetzt immer öfter als Inserts in der „ZiB“ sehen werden. Da tut sich jetzt beim multimedialen Arbeiten einiges. Die Ressorts fangen an, sich mit Begeisterung und Neugierde den jeweils anderen Mediengattungen anzunähern. Und Sie werden es bei der EU-Wahl merken, wo wir ein tolles multimediales Projekt planen.

Was wird das sein?

Waldner: Eine unserer jungen Mitarbeiterinnen, Verena Sophie Maier, wird unter dem Namen @eurosophie für den Hörfunk, aber auch für die „ZiB“ auf TikTok durch Europa reisen und eine neue, jüngere Zielgruppe über die EU und die Hintergründe der EU-Wahl informieren.

Sebastian Prokop: Und wir werden den Bereich Social Media im Newsroom stärken. Wir wollen junge Leute erreichen. Die „ZiB“ auf TikTok ist ein Massenmedium geworden, wo wir von einer Zielgruppe wahrgenommen werden, die wir mit analogen Angeboten nicht erreichen könnten.

Plant der ORF auch etwas auf YouTube?

Prokop: Wir wollen dort ORF-Informationsinhalte präsentieren. Das werden wir heuer angehen. Da gibt es schon ein Konzept von Armin Wolf gemeinsam mit der Social-Media-Redaktion. Man muss schauen: Welche Inhalte produzieren wir, die auch für YouTube funktionieren? Was könnte man extra für YouTube machen? Wie übersetzen wir Inhalte für das YouTube-Publikum? Ein Erklärstück dort muss man natürlich anders machen als eine Analyse in der „ZiB 1“.

Die ORF-Chefredaktion

Sebastian Prokop (Stv.: Inka Pieh) verantwortet den Bereich Newsteams, Gabriele Waldner (Stv.: Christian Braun-Staudinger) die multimedialen Fachressorts und Johannes Bruckenberger (Stv.: Eva Karabeg) die Sendungs- und Plattformteams. Alle drei sind gleichberechtigt. Sie verantworten die ORF-Information in TV, Radio, online, im Teletext und auf Social Media.

Was ist im Wahljahr im Bereich der Diskussionsformate geplant?

Bruckenberger: Wir haben begonnen, am Sonntagvormittag „Die Runde“ zu etablieren, um dem Publikum mehr Einordnung und Hintergrundinformation zu liefern. Und wir planen eine Mischung aus Elefantenrunden, großen Interviews in Form der „Sommergespräche“ und vor der Wahl Zweiergespräche jeder gegen jeden.

Hat die Evaluation der politischen Diskussionssendungen schon begonnen, allen voran von „Im Zentrum“?

Bruckenberger: Sie läuft. Ergebnisse wird es im Spätsommer oder Herbst geben, sodass wir gegen Jahreswechsel sehen, wie wir weitermachen.

Worum geht es bei dieser Evaluation? Um die Quote?

Bruckenberger: Es geht um Fragen wie: Haben wir die richtigen Sendeplätze? Liegen wir thematisch richtig? Welche Formate wollen wir fortsetzen, adaptieren oder neu schaffen? Das übergeordnete Ziel ist, gute Diskussionsformate für den politischen Diskurs zu liefern. Natürlich ist immer auch ein Ziel, damit eine möglichst hohe Publikumsakzeptanz zu erzielen, weil das unsere Daseinsberechtigung und die Basis für die Gebührenlegitimation ist. Für Konkretes ist es noch zu früh.

Macht die Evaluation jemand außer Haus?

Bruckenberger: Die machen wir in der Chefredaktion.

Wie ist der aktuelle Stand in der Ukraine-Berichterstattung? Hat Christian Wehrschütz schon eine Akkreditierung für die Kriegszone?

Waldner: Christian Wehrschütz wartet noch immer auf diese Spezialakkreditierung.

Gefühlt ist die Ukraine-Berichterstattung allein von Wehrschütz abhängig.

Waldner: Es gibt drei Kolleginnen und Kollegen, die diese militärische Akkreditierung haben und jederzeit aus der Ukraine berichten können. Das haben sie auch schon gemacht. Darüber hinaus gibt es eine ständige freie Mitarbeiterin, die sehr viel für den Hörfunk macht. Die Basis für die Ukraine-Berichterstattung ist breit aufgestellt.

Wie wird orf.at seit der Reform angenommen? Werden die Videos auch geschaut?

Prokop: Wir müssen das Publikum von unseren Videos überzeugen. Das ist ein Prozess. Die Zugriffe auf die Videos nehmen stark zu, allerdings sind wir bekanntlich bei null gestartet. Die Nutzung der Videos ist im Vergleich zu jener der Artikel gering. Das Gros der Zugriffe geht auf aktuelle Meldungen zurück. Wir werden im Videoangebot noch einiges ausprobieren und wollen in den nächsten Monaten auch neue Inhalte anbieten.

Gibt es sonst noch Pläne?

Waldner: Ja, wir wollen uns einem seit Jahren vorgebrachten Publikumswunsch widmen: Constructive News – also auch über Positives berichten. Aber nicht in einem eigenen Sendeformat. Vielmehr sollen solche Constructive News wie selbstverständlich Teil der Berichterstattung werden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.