Alkoholmissbrauch

Ausgangssperre nach Unruhen in australischer Wüstenstadt Alice Springs

Blick über Alice Springs, Northern Territory.
Blick über Alice Springs, Northern Territory.Reuters / Jaimi Joy
  • Drucken

Streitigkeiten zwischen verarmten Aboriginal-Clans spitzen sich zu, am Dienstag zogen randalierende Jugendliche herum, belagerten ein Pub und bedrohten Menschen. Hintergrund sind unter anderem soziale Probleme, Alkohol und missglückte Experimente der Politik.

Alice Springs/Canberra. Nach einem plötzlichen Gewaltausbruch seitens vor allem Jugendlicher ist für die zentralaustralische Wüstenstadt Alice Springs am Mittwoch eine 14-tägige Ausgangssperre für Personen unter 18 Jahren zwischen sechs Uhr am Abend und sechs in der Früh verhängt worden. In der praktischen Umsetzung dürften davon primär junge Ureinwohner (Aboriginals) betroffen sein, denn diese steckten hinter den Unruhen.

Alice Springs im Süden des Northern Territory, einer von der Bundesregierung in Canberra direkt verwalteten Region, hat rund 26.000 Einwohner, ist die drittgrößte Siedlung dort und ein Zentrum des Tourismus. Die indigene Bevölkerung ist mit mehr als 20 Prozent bedeutend, sie lebt indes großteils sozial distanziert von der Mehrheit und in ärmlichen Verhältnissen. Alkoholismus, Gewalt und generelle Verwahrlosung sind enorme Probleme.

Auslöser der Unruhen war ein Verkehrsunfall vor rund einer Woche: Eine Gruppe von etwa zehn jungen Leuten hatte laut Medienberichten einen Geländewagen vom Typ Toyota Hilux gestohlen und war damit herumgefahren. Ein 18-Jähriger fiel mitten im zentralen Geschäftsviertel vom Wagen und kam unter dessen Räder. Die übrigen jungen Leute flohen, ohne ihm zu helfen, er starb am Straßenrand.

Pub belagert, Menschen flohen

Bei der Beerdigung des Opfers am Dienstag eskalierte die Lage, die Verwandten und Clans der Beteiligten gingen aufeinander los, eine Horde von mindestens 70 Personen zog durch Teile von Alice Springs, sie beschädigten Häuser und Autos, bedrohten Passanten und belagerten ein bekanntes Pub im Stadtzentrum, die Todd Tavern. Videos zeigen, wie Kinder und Jugendliche Gegenstände (etwa Steine, Knüppel, Werkzeuge) gegen das Haus werfen und versuchen, Türen einzutreten.

Auch in anderen Gebäuden und Geschäften verbarrikadierten sich Menschen, darunter Touristen. In Australien hat kürzlich der Herbst begonnen, die große Hitze ist vorbei, aktuell hat es in Alice Springs zwischen etwa 18 und 30 Grad.

Nach einem massiven Polizeieinsatz flohen die meisten Angreifer, fünf Verdächtige wurden festgenommen und zahlreiche als Waffen genutzte Objekte eingesammelt. Allerdings gab es auch im Umland Prügeleien, ja regelrechte Gefechte zwischen Aboriginalclans, wobei in einem Fall etwa 150 Menschen beteiligt waren. Dabei kamen laut Polizei Knüppel, Messer und Äxte zum Einsatz. Über die Zahl der Verletzten war vorerst nichts bekannt. Es gab Zeugen zufolge auch sexuelle Übergriffe auf junge Aboriginal-Frauen.

Gedanken an Militäreinsatz

Die Verwaltung des Northern Territory hat mehr als 50 zusätzliche Polizisten nach Alice Springs geschickt, in einigen Berichten war von der Entsendung von Soldaten die Rede, weil es in den Wohnsiedlungen der Aboriginals seit langem extrem gärt und sich Übergriffe und Vandalismus dort und in der Stadt häufen.

Whitegate, eine Aboriginal-Siedlung am Rande von Alice Springs.
Whitegate, eine Aboriginal-Siedlung am Rande von Alice Springs. APA / Comyan / Grenville Turner

„Wir wollen, dass die Menschen in Alice sicher durch die Straßen gehen können, in Einkaufszentren, dass sie ihre Kinder von der Schule holen und sich dabei nicht um ihre Sicherheit Sorgen machen müssen“, sagte Eva Lawler, Chief Minister (Regierungschef) des Nordterritoriums, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. „Ich habe genug von diesem erschreckenden Niveau an Gewalt und asozialem Verhalten.“ Die Polizeiaktion für die Suche nach den Rabauken werde „schnell“ sein, man werde die Leute vor Gericht stellen, wo sie ihre Taten erklären könnten, sagte der Polizeichef der Outback-Region, Michael Murphy.

Touristen als Bierkäufer geködert

Delikte und Verbrechen seitens Indigener haben in Australien in den vergangenen Jahren wieder zugenommen, wobei ihre ärmlichen Lebensumstände und die lange Entrechtung dieser Menschen, die sich mit einer modernen Gesellschaft nicht nur westlicher Prägung auch aus grundsätzlichen, kulturellen Gründen schwertun, als Mitursachen genannt werden. Gewalt zwischen Gruppen, von Gebrüll über Drohgesten bis hin zu körperlichen Attacken, kann insbesondere in größeren Outback-Orten wie Alice Springs, Cooper Pedy, Kalgoorlie und Mount Isa immer wieder beobachtet werden und verstört Reisende.

Die Rolle des Alkohols ist erheblich. Viele Stammesälteste untersagen ihren Leuten, insbesondere den Jugendlichen, den Konsum von Bier, Wein und Co., was aber oft unterlaufen wird, ebenso wie regionale und lokale Ausschank- und Verkaufsverbote in Supermärkten, Tankstellen, Pubs. Nicht nur in Alice Springs etwa hatten sehr lange solche Verbote gegolten.

Diese Tafel markiert ein Wohngebiet von Indigenen nahe Katherine (Northern Territory) als Alkoholverbotszone.
Diese Tafel markiert ein Wohngebiet von Indigenen nahe Katherine (Northern Territory) als Alkoholverbotszone.Imago / Lukas Coch

Das brachte Aboriginals immer wieder dazu, Touristen auf der Straße freundlich anzusprechen, sie vorgeblich auf „ein Barbecue“ oder sonst einen Plausch einzuladen und ihnen Geld in die Hand zu drücken, um damit im nächsten Bottle Shop (Getränkeladen) Bier für eben dieses Fest zu kaufen; wer nachfragte, wieso die Leute das nicht selbst kauften, bekam Ausreden zu hören — etwa, dass man gerade aufs Auto oder auf Kinder aufpassen müsse, auf jemanden warte und so fort. In den Bottle Shops wurde mit Schildern aufs Verkaufsverbot und solche Tricks hingewiesen; manch ein Gutgläubiger hat mit dem Geld aber Bier für die Leute eingekauft und wurde, wenn der Verkäufer bzw. die Security den Braten roch, streng und peinlich zur Rede gestellt.

Gescheitertes antirassistisches Experiment

Im Vorjahr ist in Alice Springs und Hunderten anderen indigenen Gemeinden im Northern Territory die Aufhebung des Alkoholverbots für Ureinwohner grandios gescheitert. Mitte 2022 hatte die linke Labour-Regierung der wüstenhaften Region mit ihren rund 250.000 Einwohnern auf der 16-fachen Größe Österreichs das Verbot aufgehoben, weil es rassistisch“ und „diskriminierend“ sei. Es folgte schnell eine Explosion von Gewalt und Alkoholmissbrauch mit all seinen Facetten, in Städten wie Alice Springs zogen und hockten Massen angetrunkener Indigener herum und sorgten für Verunsicherung, Ärger und Müll. Bereits in den ersten Monaten 2023 hat man das Verbot erneuert.

>>> Artikel der New York Times über das Alkoholverbot

Vor dessen Streichung 2022 hatte der Führer der Aboriginal-Gemeinde von Palmerston hoch oben an der Küste des Northern Territory nahe der Hauptstadt Darwin noch ausdrücklich und medial verbreitet gewarnt: In diesem Fall werde „die Hölle losbrechen“. Er sollte Recht behalten.

In Kreisen der australischen Politik wird derweil diskutiert, wie man die indigenen Gemeinden selbst zu einer Veränderung des negativen Verhaltens so vieler ihrer Mitglieder bringen kann. Leicht sein wird das nicht, zumal sich ein Netz von Alkoholschmuggelkanälen in weiten Teilen Australiens entwickelt hat. (Reuters/wg)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.