„Schwechater“ (1958) von Peter Kubelka, zu sehen im „Was ist Film“-Programm 63 des Österreichischen Filmmuseums.
Filmkultur

Drei Leitfiguren des Filmmuseums im Gespräch: Wie steht es um das Kino, Herr Direktor?

Das Österreichische Filmmuseum wird 60. Aus diesem Anlass haben wir alle drei lebenden Leitfiguren der Institution zu Themen befragt, die die Filmwelt bewegen.

Die Presse: Im 20. Jahrhundert war der Kinofilm das populäre Bildmedium schlechthin. Heute steht das infrage: Der Konsum von Bewegtbildern auf digitalen Endgeräten ist die derzeit dominante Form audiovisueller Unterhaltung. Warum soll man noch ins Kino gehen, wenn man sich die meisten Filme auch gemütlich zu Hause ansehen kann?

Peter Kubelka: Für die Leichtlebigkeit des digitalen Mediums ist das Patschenkino sicherlich ein bequemer Ort, aber auch dieser weicht zunehmend dem allgegenwärtigen Ort des mobilen Telefons: Ein Film am Handy, parallel zu den Tagesereignissen, in Stückerl zerteilt oder gleichzeitig wie Hintergrundmusik. Leicht wird da der erlebte Tag zu einem Müllkübel. Das Schattenspiel des analogen Films funktioniert nicht bei Tageslicht. Es braucht den verdunkelten Raum. Dieser Defekt bescherte uns den großartigsten Begegnungsplatz mit dem Denken eines Mitmenschen: Das Publikum sitzt im Kopf des Autors. Es sieht und hört sich um in dessen Welt, mit dessen Augen und Ohren. Es gibt keine Ablenkung, keine Zerstreuung, keine parallelen Tätigkeiten und keinen frühzeitigen Aufbruch aus dem Geschehen. Die schwarzen Kinoräume sind die Kathedralen unserer Zeit.

Alexander Horwath: Niemand „soll“. Aber jede und jeder „darf“ – solange in demokratischen Gemeinwesen noch ein Konsens darüber vorhanden ist, dass wie auch immer definierte „dominante“ Formen nicht die einzigen Formen sein sollen, welchen Konsums auch immer.

Michael Loebenstein: Für mich spielt hier die Temporalität des Erlebens die wichtigste Rolle. Unsere Geräte fügen sich so reibungslos und effizient in einen Alltag ein, der von Leistungsdruck, ständiger Erreichbarkeit und fragmentierter Aufmerksamkeit geprägt ist. Da ist das Kinoerlebnis ein kostbarer Luxus, das Erleben von Geschichten, Menschen, Orten in Echtzeit, ohne Ablenkung durch Eindrücke außerhalb des Erfahrungsraums „Kino“. Wir installieren Apps, um „Achtsamkeit“ zu üben oder unseren Medienkonsum zu kontrollieren, um „digital zu entgiften“. Film im Kino ist all das: Wir begeben uns freiwillig in seine sanften Hände, schenken dem Film das Kostbarste, was wir haben: unsere ungeteilte Aufmerksamkeit und Lebenszeit. Und, ganz wichtig: weil eben nicht „alles“ digital verfügbar ist!

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