Der ökonomische Blick

Wie Klimaschutz und Wohlstandsgewinne Hand in Hand gehen

Nur mehr sechzehn Jahre bleiben uns, um das im aktuellen Regierungsprogramm festgesetzte Ziel der Klimaneutralität in Österreich rechtzeitig zu erreichen.
Nur mehr sechzehn Jahre bleiben uns, um das im aktuellen Regierungsprogramm festgesetzte Ziel der Klimaneutralität in Österreich rechtzeitig zu erreichen.Imago/Imago
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Klimaneutralität bis 2040 ist möglich und zentraler Faktor für Wohlstandsgewinne.

Nur mehr sechzehn Jahre bleiben uns, um das im aktuellen Regierungsprogramm festgesetzte Ziel der Klimaneutralität in Österreich rechtzeitig zu erreichen. Bricht man diese Aufgabe konkret auf österreichische Emissionsmengen herunter, so zeigt sich, dass wir in den kommenden Jahren die Emissionen von Treibhausgasen kontinuierlich in der Größenordnung der letzten beiden Jahre reduzieren müssen (Reduktion um 4,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2022 [Umweltbundesamt, 2024a] und 3,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2023 [Umweltbundesamt, 2024b]), um insgesamt auf einem adäquaten Zielpfad zu bleiben.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Auch wenn die jüngsten klimapolitischen Erfolge der letzten beiden Jahre maßgeblich von der Energiekrise mit hohen Energiepreisen und relativ milden Wintern geprägt waren, zeigen jüngste Forschungsergebnisse, dass wir auch im Jahr 2024 noch genügend Spielraum haben, um unsere Klimaziele zu erreichen. Dies wurde erst kürzlich durch die Evaluierung der in den Stellungnahmen zum österreichischen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) vorgeschlagenen Maßnahmen, die von 55 Wissenschaftler:innen durchgeführt wurde, bestätigt (Steininger et al., 2024a).

Viele Wege führen zur Klimaneutralität

Um aufzuzeigen und abzuschätzen, welche Möglichkeiten zur Reduktion der Treibhausgase bestehen, können die entsprechenden Maßnahmen gebündelt und in sektorübergreifenden Szenarien zusammengefasst werden. In Bezug auf die Klimatransition ist für uns als Forscherinnen und Forscher dafür vor allem relevant, wie sich unser Energiesystem in Zukunft verändert und welche Kosten mit den notwendigen Umstellungen verbunden sind.

Eine der Fragen, die wir uns dabei als Ökonom:innen in Anbetracht der verschiedenen Optionen und Unsicherheiten stellen, ist vor allem, welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen sich daraus ergeben und inwiefern sich diese je nach eingeschlagenem Weg unterscheiden. In einer jüngst veröffentlichten Studie, die im Auftrag vom Verein Mutter Erde durchgeführt wurde, wurden wichtige weitere Schritte in einer solchen Analyse für Österreich gesetzt (Steininger et al., 2024b).

Konkret werden in dieser Studie zwei mögliche Pfade zur Klimaneutralität verglichen, die sich in ihrer Strategie deutlich unterscheiden. Das erste Szenario orientiert sich an einem Transformationspfad, der einen im Vergleich mit heute relativ konstanten Energiebedarf unterstellt (317 TWh im Jahr) und der vor allem durch weitreichende Elektrifizierungsmaßnahmen in der Industrie und im Verkehr geprägt ist. Um den wachsenden Bedarf an Strom zu decken, setzt dieses Szenario einerseits auf den heimischen Ausbau der Erneuerbaren (67 TWh) und andererseits auch auf die starke Ausweitung der (erneuerbar gewonnenen) Stromimporte (netto 63 TWh). Das zweite analysierte Szenario orientiert sich in seiner Zusammensetzung an dem im letzten Jahr vom Umweltbundesamt veröffentlichten „Transition-Szenario“. Dieses zeichnet sich durch viel weitreichendere Energiebedarfsreduktionen (auf insgesamt 192 TWh) und einen noch ambitionierteren Ausbau der heimischen Strombereitstellung aus (auf insgesamt 120 TWh). Indem die Unterschiede in der Energienachfrage und in der Energiebereitstellung in die volkswirtschaftlichen Modelle einfließen, schätzten wir volkswirtschaftliche Effekte dieser möglichen Transformationspfade ab.

Klimaschutz und Wohlstand sind keine Gegensätze

Die erste gute Botschaft dieser Analysen vorab: Klimaneutralität und Wohlstandsgewinne schließen einander nicht aus. Wenn wir an die langfristigen Auswirkungen der Klimakrise (auch in Österreich!) denken, dann könnte man sogar noch weiter gehen und sagen, dass diese einander in Wirklichkeit bedingen. Der Vergleich der Simulationsergebnisse der beiden erwähnten Szenarien zeigt, dass sich aus Reduktionen des Energiebedarfs, zum Beispiel durch Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie sowie durch die Elektrifizierung des Verkehrs, durch die Sanierung von Gebäuden und die Etablierung kreislaufwirtschaftlicher Produktionsprozesse, deutlich positive volkswirtschaftliche Auswirkungen ergeben können.

Diese Ergebnisse begründen sich vor allem dadurch, dass ein geringerer Energieeinsatz zu deutlichen Effizienzgewinnen in der Wertschöpfung führt. Dass kreislaufwirtschaftliche Produktionsprozesse zum Beispiel durch höhere Recycling- und Reparaturquoten deutlich arbeitsintensiver sind, hat zudem weitere relevante makroökonomische Auswirkungen. Einerseits sorgt der größere Anteil der Arbeit an der Wertschöpfung nämlich für positive Beschäftigungseffekte, andererseits aber auch für progressive Verteilungseffekte, also eine Begünstigung unterer Einkommensgruppen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der sich natürlich auch aufgrund der jüngsten Erfahrungen mit der Energiekrise und der angespannten geopolitischen Situation aufdrängt, ist die Versorgungssicherheit und die Verwundbarkeit in Bezug auf die aktuellen Schwankungen der fossilen Energiepreise. Hier zeigen unsere jüngsten Berechnungen klar, dass die schnellere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, die durch den schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energieträger und Verbesserungen in der Energieeffizienz erreicht werden kann, die Resilienz unserer Volkswirtschaft auch in Zukunft deutlich erhöht. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass Klimaschutz auch für die Wirtschaft positiv wirken kann, wenn wir die richtigen Maßnahmen rechtzeitig ergreifen. Es liegt an uns als Gesellschaft, diese Chancen zu nutzen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen – (nicht nur) die jüngeren Generationen werden uns dafür dankbar sein.

Der Autor

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Matthias Salomon (*1996) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit den volkswirtschaftlichen Effekten der Klimatransition in Österreich.

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