Wort der Woche

Ein Fluss ohne Wasser

Die Leitha ist kein Gewässer wie andere. Zwei neue, sehr lesenswerte Bücher beschäftigen sich mit den Besonderheiten diese „Flusses voller Merkwürdigkeiten“. 

Die Leitha, Österreichs siebtlängster Fluss, ist kein Gewässer wie andere. Das 180 Kilometer lange Gerinne ist vielmehr ein „Fluss voller Merkwürdigkeiten“, merkt der Landschaftsökologe Heinz Wiesbauer in seinem neuesten Buch „Von Schwarza und Leitha“ (208 S., Bibliothek der Provinz, 25 €) an. Das betrifft nicht nur ihre politische Bedeutung – war die Leitha doch der namensgebende Abschnitt der Grenzlinie zwischen dem österreichischen („Cisleithanien“) und ungarischen („Transleithanien“) Teil der Habsburgermonarchie.

Auch naturräumlich ist die Leitha mit ihren Zubringern Schwarza und Pitten ungewöhnlich: Sie ist der einzige Wasserlauf im Industrieviertel, der von Süden kommend nicht unmittelbar in die Donau mündet, sondern kurz vorher gen Osten abbiegt. Dort änderte sie vor Jahrtausenden auch schon einmal ihre Fließrichtung. Das Verblüffendste ist, dass der Fluss mancherorts immer wieder trockenfällt. Dies ist einer Mischung aus naturräumlichen und menschengemachten Faktoren geschuldet: Zum einen kommt es im Schotteruntergrund des Steinfeldes zu starker Versickerung; zum anderen wird seit dem 12. Jahrhundert Wasser über den künstlich gegrabenen Kehrbach ausgeleitet – ohne den Wiener Neustadt nicht überlebensfähig gewesen wäre.

Ähnlich wie in seinen früheren Flussbeschreibungen, z. B. von Ybbs, Traun, Traisen oder Salzach, zeichnet Wiesbauer insbesondere die Geschichte der flussbaulichen Maßnahmen nach, die zwecks Hochwasserschutz, Sicherung von Kulturland und Nutzung der Wasserkraft, zur Bewässerung oder zum Ausbau als Transportweg durchgeführt wurden. Einmal mehr kommt man dabei zum Schluss, dass es trotz aufwendiger Eingriffe nur sehr schwer gelang, die Flussdynamik zu bändigen. Und dass dabei viele Biotope zerstört wurden, deren Renaturierung heute viel Mühe macht.

Noch einmal zurück zur Politik: In der von Wolfgang Fingernagel und Manfred Pregartbauer zusammengestellten Flussbiografie „Lebensader Leitha“ (247 S., Verlag Anton Pustet, 28 €) wird u. a. erläutert, dass es entlang der Leitha zwölf „Zwillingsorte“ an Flussübergängen gibt – je einen auf (nieder)österreichischem und einen auf ungarischem (bzw. heute zum Teil burgenländischem) Gebiet. Die unterschiedlichen Einflüsse haben der Kultur- und Industrielandschaft rund um die Leitha eine eigentümliche Prägung verliehen, die es wert ist, entdeckt zu werden. Mit den beiden neuen Bücher im Gepäck ist dies sehr lohnend!

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

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