Engpässe

Erneut Mangel an Medikamenten: Ärzte pochen auf Maßnahmen

Im vergangenen Winter gab es wieder bei zahlreichen häufig verschriebenen Medikamenten Engpässe.
Im vergangenen Winter gab es wieder bei zahlreichen häufig verschriebenen Medikamenten Engpässe.Jon Nazca
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Dass es im Winter wieder zu Engpässen bei Standardmedikamenten kam, sei zu verhindern gewesen. Daraus müssten nun die richtigen Lehren gezogen werden.

Der Mangel war zwar nicht so dramatisch wie im Winter 2022/2023, als mehrere unglückliche Faktoren zusammenkamen, aber zu punktuellen Engpässen bei häufig verschriebenen Medikamenten wie etwa Antibiotika, Husten- und Fiebersäften für Kinder, Magenschutz und Blutdrucksenkern kam es auch in diesem Winter. Wie schon in den Jahren vor der Pandemie – mit bekannten Gründen als Ursachen. Und zwar sind das vor allem Produktionsausfälle und Lieferkettenprobleme, der Großteil der Medikamente wird aus Kostengründen in China und Indien hergestellt.

Ein fragiles, knapp kalkuliertes System, das schnell kippen kann, wenn etwas passiert, womit in dem Ausmaß nicht gerechnet wurde: Im Winter 2022/2023 war das eine starke Grippe- bzw. RSV-Welle kombiniert mit einem gestiegenen Eigenbedarf in China wegen der dort wütenden Coronawelle; Virusinfektionen haben häufig bakterielle Superinfektionen zur Folge.

Unabhängigkeit und Preise

Vor diesem Hintergrund sei es „höchste Zeit, dass die Politik sich dieses Problems endlich wirksam annimmt und es auf der Liste gesundheitspolitischer Themen deutlich priorisiert“, sagt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), am Mittwoch in einer Pressekonferenz. „Obwohl jeder wusste, dass es im Winter wieder zu einer Corona- und Grippewelle kommen würde, hat es der Minister längere Zeit nicht geschafft oder nicht für nötig befunden, für ausreichend Corona- und Grippeimpfstoffe sowie für das Corona-Medikament Paxlovid zu sorgen“, so Steinhart. Das sei ein „gravierendes gesundheitspolitisches Versäumnis“ gewesen, weswegen die Kammer einmal mehr Forderungen an Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) richtet.

Da nur Unabhängigkeit für Versorgungssicherheit sorge, müsse die Sicherung der Lieferfähigkeit gewährleistet werden, „indem wir autonom und unabhängig von asiatischen Märkten werden“, sagt Steinhart. „Wir sollten zumindest einen größeren Teil unseres Bedarfs an versorgungsrelevanten Medikamenten in Österreich produzieren, um in der Lage zu sein, Lieferschwankungen aus Asien kompensieren zu können. Dafür müssen der Produktionsstandort Österreich und andere europäische Standorte deutlich gestärkt werden.“ Voraussetzung dafür sei die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen in Österreich, also finanzielle Anreize. Ein Positivbeispiel sei die jüngste Eröffnung der neuen Produktionsanlage von Sandoz zur Herstellung von Penizillin in Kundl in Tirol. „Das ist nicht nur ein wichtiger Schritt für die Medikamentenversorgung in Österreich, sondern ebenso für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der ÖÄK.

Verbot für Parallelexporte

Wirkstofflager, wie von Rauch im November vorgeschlagen, könnten jedenfalls nur eine kurzfristige Lösung sein, sagt auch Edgar Wutscher, ebenfalls Vizepräsident der ÖÄK. Zur Bewältigung länderübergreifender Lieferengpässe beitragen könnten nur eine Stärkung des Produktionsstandorts Österreich und gemeinschaftliche Maßnahmen. „Statt einer nationalen Bevorratung braucht es eine Lösung auf europäischer Ebene.“

Zudem würden auch faire Preise zur Versorgungssicherheit beitragen. Die Pharma­industrie weise zu Recht darauf hin, dass eine österreichische Niedrigpreisstrategie bei Medikamenten die Gefahr birgt, dass sich Unternehmen aus der Versorgung mit bestimmten Arzneimitteln zurückziehen, weil dieses Engagement für sie nicht lohnend ist. Daher fordert die Kammer „zumindest eine Inflationsanpassung bei jenen Medikamenten, deren Preise unter der Rezeptgebühr liegen“. Dass faire Preise „stabilisierend auf die Versorgung wirken können“, habe auch der deutsche Gesundheitsminister, Karl Lauterbach, erkannt, indem er Preiserhöhungen für schwer verfügbare Arzneimittel zustimmte. Nicht zuletzt brauche es ein Verbot oder zumindest eine starke Einschränkung von Parallelexporten. Denn in der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Apothekengroßhändler einen Teil des Bestands an Medikamenten in Österreich aufkauften, um sie innerhalb der EU gewinnbringend wieder zu verkaufen. Denn die Preisunterschiede betragen – aus mehreren Gründen, unter anderem wegen der Versicherungsstruktur des jeweiligen Landes – bis zu 60 Prozent.

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